Ende September gab es in Österreich vorgezogene Nationalratswahlen. Die Regierungsbildung zieht sich seither in die Länge. Die angestrebte Koalition von ÖVP und Grünen ist bisher nicht zustande gekommen. Im Januar soll es nun wohl so weit sein. Ein Thema auf der Agenda der neuen Regierung wird unter anderem eine bessere Arztausbildung im Land sein.
Ärztemangel trotz hoher Ärztedichte?
“Besser” heißt in diesem Fall vor allem “mehr”, denn Österreich leidet bereits seit längerem an Ärztemangel. Auf den ersten Blick scheint das zwar nicht so. Denn mit einer Ärztedichte von 5,15 Medizinern pro 1.000 Einwohnern liegt die Alpenrepublik an der europäischen Spitze. Nur Griechenland und die Mini-Staaten Monaco und San Marino weisen höhere Dichten auf, die jedoch nur bedingt repräsentativ sind.
Aber auch die österreichische Ärztedichte hält bei näherem Hinsehen nicht, was sie verspricht. Ende 2018 waren laut der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) 46.377 Ärzte zwischen Vorarlberg und Burgenland tätig. Dazu zählten allerdings auch 7.633 Turnusärzte, die sich noch in der Ausbildung befanden. Sie werden bei der Berechnung der Ärztedichte mit einbezogen.
Außerdem handelt es sich um eine reine “Kopfzählung”. Rechnet man mit Vollzeitäquivalenten, sinkt die Ärztezahl auf 39.110. Der Grund dafür: viele Ärztinnen arbeiten in Teilzeit, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Hinzu kommt: jeder neunte Arzt in Österreich stammt aus dem Ausland. 2018 waren es über 5.000, mehr als 40 Prozent davon aus Deutschland. Es ist zudem nicht davon auszugehen, dass diese Mediziner dauerhaft im Land bleiben werden.
Fast jeder dritte Arzt geht bald in Pension
So relativiert sich die vermeintlich hohe Ärztezahl erheblich. Was die Arztausbildung richtig dringlich macht, ist aber die Altersstruktur der österreichischen Ärzteschaft. Der Anteil der Ärzte jenseits der 50 ist ungewöhnlich hoch – bei Männern noch ausgeprägter als bei Frauen. Diese 50+-Ärztinnen und -Ärzte werden in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren in Pension gehen. Nach Angaben der ÖÄK sind es 14.581 bis zum Jahre 2028, fast ein Drittel der heutigen Ärzteschaft. Entsprechender Ersatz durch qualifizierten Nachwuchs ist nötig. Hier stoßen die gegenwärtigen Ausbildungskapazitäten an ihre Grenzen.
Ersatzbedarf 1.458 Ärzte pro Jahr
Die Rechnung ist einfach: ein Wegfall von 14.581 Ärzten in einem Zehn-Jahres-Zeitraum bedeutet im Schnitt einen Ersatzbedarf von 1.458 Ärzten pro Jahr. Derzeit gibt es an österreichischen Universitäten 1.680 Studienplätze für Mediziner. Davon sind allerdings 25 Prozent ausländischen Studierenden vorbehalten, für Einheimische verbleiben 1.280 Studienplätze. Das sind knapp 180 zu wenig, um den Bedarf “aus eigener Kraft” decken zu können. Eine Abdeckung der entstehenden Lücke durch zusätzliche Ärzte aus dem Ausland ist zumindest unsicher.
Der Ärztemangel erscheint vorprogrammiert. Bereits Ende 2018 waren 129 Kassenstellen unbesetzt.
Mit besserer Arztausbildung gegen den Ärztemangel
Es geht aber nicht einfach um mehr Studienplätze für die Arztausbildung. Auch qualitativ muss einiges verbessert werden. Vor allem für Allgemeinmediziner gilt es, mehr Anreize und attraktivere Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Tätigkeit als Hausarzt ist heute am wenigsten gefragt und bei der Versorgung besteht ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Wenn nicht gegengesteuert wird, dürfte es sich noch weiter verschärfen. Neben zusätzlichen Kapazitäten für die Ausbildung ist eine bessere Ausstattung der medizinischen Fakultäten erforderlich, um die Qualitätsstandards zu halten.
Verbesserungsbedarf gibt es auch in der klinischen Ausbildung. Hier wird von den Nachwuchsmedizinern häufig bemängelt, zu sehr mit Routineaufgaben ohne wesentliche Lerneffekte beschäftigt zu werden. Das sei auch eine Folge des Personalmangels und der hohen Arbeitsdichte in Krankenhäusern. Dadurch bleibe für Ausbildung zu wenig Zeit und die Auszubildenden würden als flexibel verfügbare “Personalreserve” übermäßig in Arbeitsroutinen eingebunden.
Arztausbildung – Hausaufgabe für neue Bundesregierung
Die Landeshauptleutekonferenz – ein wichtiges informelles Gremium in Österreichs Politik – hat sich jetzt des Themas angenommen und die neue Bundesregierung aufgefordert, die Ausbildungssituation nachhaltig zu verbessern. Es wird eine ihrer ersten Hausaufgaben bei Regierungsantritt sein.