Viele frischgebackene MedizinerInnen entscheiden sich gegen eine medizinische Laufbahn im Land. Das ist oftmals der hohen Arbeitsbelastung in Kliniken und Praxen geschuldet. Auch komplexe Situationen und Abläufe, Überstunden und Zeitdruck können Grund für die Entscheidung gegen die Tätigkeit in der Patientenversorgung sein. Doch das ist nicht verwerflich, denn für JungmedizinerInnen gibt es noch weitere Berufsalternativen.
Das Gesundheitswesen in Österreich
Rund 11 % des Bruttoinlandsprodukts wendet Österreich für das Gesundheitswesen auf, womit es unter den Mitgliedstaaten der OECD den achten Platz belegt.
Das Gesundheitswesen wird primär über die gesetzliche Sozialversicherung finanziert und deckt fast 100 % der Bevölkerung ab. Die Ärztedichte ist zudem sehr hoch. Mit 4,8 Ärzten pro 1000 Einwohner im Jahr 2011 liegt Österreich in der EU an zweiter und unter den OECD-Ländern an dritter Stelle. Es besteht jedoch eine starke Diskrepanz zwischen Fachrichtungen und der geographischen Verteilung. Die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte konzentriert sich auf urbane Gebiete, während in ländlichen Regionen ein Mangel an Allgemeinärzten gesetzlicher Krankenkassen besteht.
Wenn man eine Karriere im medizinischen Bereich in Betracht zieht, denken viele Menschen nur an Ärzte und Krankenschwestern, die in Kliniken arbeiten, Spritzen geben und Patienten behandeln. Es gibt jedoch eine Fülle anderer Karrieremöglichkeiten in gesundheitsbezogenen nicht-klinischen Bereichen.
Die TOP Berufsalternativen für MedizinerInnen
Unter dem Teil der MedizinerInnen, der sich für eine Karriere in Österreich entscheidet, eröffnen sich so neben der klassischen Tätigkeit im klinischen Umfeld oder als niedergelassener Arzt weitere Berufsalternativen. Diese Branchen sind im Folgenden aufgeführt.
Forschung/ Pharmaunternehmen
Arbeitsgebiete sind Forschungsinstitute, Biotech-Unternehmen und die pharmazeutische Industrie. Die medizinische Forschung umfasst dabei Forschung in einer Vielzahl von Bereichen wie Biologie, Chemie, Pharmakologie und Toxikologie mit dem Ziel, neue Medikamente oder medizinische Verfahren zu entwickeln oder die Anwendung bereits verfügbarer zu verbessern. Sie umfasst zudem die präklinische Forschung (z.B. an zellulären Systemen und Tiermodellen) und die klinische Forschung (z.B. klinische Studien).
Bei Pharmaunternehmen ist neben der medizinisch-wissenschaftlichen Laufbahn auch eine Karriere im Marketing, Entwicklung und in der Zulassung und Vertrieb möglich. Mit entsprechenden Zusatz-Qualifikationen (BWL, Marketing) ist ferner eine Karriere als Laborleiter, Verkaufsdirektor oder CEO möglich.
Management/ Wirtschaft
Grundsätzlich sind die potentiellen Berufsalternativen für MedizinerInnen in Wirtschaft und Industrie vielfältig.
Es kommt eine Beschäftigung in der Krankenhaus- bzw. Privatwirtschaft im Consulting, als Medical Health Manager, im Gesundheitsmanagement oder im Controlling in Frage. Im Allgemeinen bietet die Wirtschaft und Beratungsbranche exzellente Honorare und Aufstiegsmöglichkeiten.
Public Health
Laut WHO ist Public Health wie folgt definiert: “Public Health ist die Wissenschaft und die Praxis der Verhinderung von Krankheiten, Verlängerung des Lebens und Förderung der Gesundheit durch organisierte Anstrengungen der Gesellschaft”. Ein zentrales Ziel ist es, Gesundheitsinformationen so zu vermitteln, dass sie vom Einzelnen und der Gesellschaft angemessen interpretiert werden können.
Diese Berufsalternative eignet sich demnach am besten für Mediziner mit beruflicher Vorerfahrung in relevanten Gebieten der Forschung oder bei bereits im Rahmen des Studiums gesetzten Schwerpunkten.
Konkret umfassen die Tätigkeitsbereiche die epidemiologische Forschung, Gesundheitsberatung und die Konzeption und Umsetzung von Programmen zur Förderung der öffentlichen Gesundheit.
Medizinjournalismus
Durch das zunehmende Interesse der breiten Bevölkerung und damit auch der Medien an Gesundheitsthemen ist in dieser Branche fachliche Expertise gefragt.
Medizinische Fachzeitschriften, Lehrbuchverlage und sogar Nachrichtenagenturen benötigen immer Autoren mit guter Kenntnis der Gesundheitsbranche und des medizinischen Berufsstandes. Das macht die Arbeit als MedizinjournalistIn zu einer großartigen nicht-klinischen Arbeitsmöglichkeit für ÄrztInnen. Obwohl ÄrztInnen ein ausgeprägtes Verständnis für die gesundheitsbezogenen Aspekte des Medical Writing haben, ist es wichtig, dass einige Schreibfähigkeiten angeeignet werden, um in dieser Laufbahn voranzukommen.
Die Aufgaben bei dieser Berufsalternative sind vielfältig. Sie umfassen beispielsweise das Verfassen von evidenzbasierten Artikeln für KollegInnen in einer medizinischen Fachzeitschrift oder die Content-Erstellung für überregionale Tageszeitungen oder Lifestyle-Magazine. Hier sind die Leser eher ein Laienpublikum, weshalb besonders bei komplexen Themen auf eine einfache und klare Sprache zu achten ist.
Außerdem gibt es weitere Möglichkeiten, die von Gast-Auftritten in Radiosendungen oder Aufnahmen von Live-Telefonaten, über das Verfassen von überzeugendem Werbe- oder Schulungsmaterial für Pharmaunternehmen, bis hin zum Drehbuch-Berater für die allseits beliebten medizinischen Seifenopern reichen.
Versicherungswesen
Versicherungsunternehmen interessieren sich ebenfalls zunehmend für ÄrztInnen. Tätigkeiten bei dieser Berufsalternative umfassen hier beispielsweise den medizinischen Dienst der Krankenkassen, in der die Pflegebedürftigkeit und Einstufung in eine Pflegestufe von Patienten vorgenommen wird und die fachliche und wirtschaftliche Bewertung von neuen Medikamenten.
Medizinische und wirtschaftliche Beratung für PatientInnen kann auch im Rahmen der Lebens- und Unfallversicherungen gefragt sein. Es muss beispielsweise ärztlich festgestellt werden, ob in einem bestimmten Fall eine Berufsunfähigkeit vorliegt oder ob eine Behandlung medizinisch notwendig ist.
Mit einem Facharzt und gegebenenfalls weiterer Branchen-relevanter Qualifikationen lässt sich so als MedizinerIn gleichermaßen im Versicherungswesen Karriere machen.
Consulting
Die Arbeit als BeraterIn in der pharmazeutischen Industrie kann für ÄrztInnen eine herausfordernde Berufsalternative sein. Pharmazeutische Unternehmen stellen Ärzte ein, um bei der Entwicklung klinischer Studien zu helfen und bei der Produktentwicklung und -vermarktung zusammenzuarbeiten.
Weiterhin benötigen auch GesundheitsversorgerInnen medizinische BeraterInnen, die sich um geschäftsbezogene Fragen kümmern, damit sie sich auf die Behandlung von PatientInnen konzentrieren können.
Medizinische BeraterInnen helfen, die Effizienz von Ärzten und Gesundheitseinrichtungen zu verbessern, indem sie einige ihrer komplexesten Geschäftsprobleme lösen. Obwohl viele Ärzte in ihren Aufgaben im Gesundheitswesen hoch qualifiziert sind, benötigen sie möglicherweise Unterstützung bei den geschäftlichen Aspekten des Betriebs einer Gesundheitseinrichtung.
Medizinische BeraterInnen, auch bekannt als GesundheitsberaterInnen, könnten Fachleuten und Unternehmen in der Gesundheitsbranche helfen, finanzielle und betriebliche Geschäftsentscheidungen zu treffen. Ein abgeschlossenes Medizinstudium mit einigen relevanten Zusatzqualifikationen qualifiziert insbesondere für diese Tätigkeit an der Schnittstelle von Medizin und Wirtschaft.
Medizintechnik/ Informatik
Als MedizinerIn mit IT-Kenntnissen eröffnet sich weiterhin die Berufsalternative, für Krankenhäuser, Firmen und Gesundheitsdienstleister für die Programmierung und das Projektmanagement von medizinischen Anwendungen verantwortlich zu sein. Für den/die MedizinerIn als NaturwissenschaftlerIn sind hier Informatik Kenntnisse essentiell, da eine Abschätzung über die Realisierbarkeit von Projekten getroffen werden muss.
Die Medizintechnik, insbesondere im Hinblick auf die elektronische Patientenakte, wird immer enger mit dem Arbeitsalltag der ÄrztInnen verzahnt. MedizinerInnen, die programmieren und codieren können und die wissen, wie sie die Technologie an die Anforderungen des Arbeitsablaufs anpassen können, sind daher gefragt. Ziel ist es im Allgemeinen, die elektronischen Werkzeuge für die Gesundheitsdienstleister praktischer zu gestalten und sinnvoll in die klinischen Arbeitsabläufe zu implementieren.