Ärzte haben über das, was ihnen in ihrer ärztlichen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist, zu schweigen. Die ärztliche Schweigepflicht gehört zu den ehernen Berufsgrundsätzen und ist für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient unverzichtbar. Allerdings – wie bei fast jedem Grundsatz – gilt dieser nicht absolut. Es gibt Konstellationen, in denen Schweigen nicht angezeigt ist oder Mitteilungen sogar explizit gefordert werden. Mit der ärztlichen Verschwiegenheit und ihren Ausnahmen befassen wir uns in diesem Beitrag näher.
Inhaltsverzeichnis
In Österreich ist die ärztliche Verschwiegenheitspflicht – so der rechtliche Terminus – im Ärztegesetz verankert. In § 54 Ärztegesetz wird der Grundsatz ausführlich behandelt – einschließlich geltender Ausnahmen. Schweigen muss nicht nur der Arzt, sondern auch seine Hilfspersonen. Das sind Personen, die dem behandelnden Arzt in irgendeiner Funktion zuarbeiten und dabei Patienten-Kenntnisse erlangen – zum Beispiel Mitarbeitende in der Praxis, Praktikanten, Laborpersonal, Pflegekräfte usw. Die Verschwiegenheit bezieht sich auf das gesprochene Wort, aber selbstverständlich gilt sie auch für die schriftliche oder elektronische Informationsweitergabe.
In diesen Fällen gilt die ärztliche Verschwiegenheitspflicht nicht
Während in § 54 Abs. 1 Ärztegesetz die Verschwiegenheitspflicht definiert wird, befassen sich die folgenden Absätze 2 bis 6 mit den Ausnahmen und mit den für diese wiederum geltenden Einschränkungen. Die Regelungen sind wesentlich umfangreicher als das eigentliche Schweigegebot. In diesen Fällen muss bzw. darf der Arzt nicht verschwiegen sein:
- der Patient entbindet den Arzt ausdrücklich von der Verschwiegenheitspflicht;
- der Arzt ist nach gesetzlichen Vorschriften zur Meldung des Gesundheitszustandes eines Patienten verpflichtet. Es gibt eine ganze Liste von Krankheiten, die den Gesundheitsbehörden gemeldet werden müssen. Die Liste ist zuletzt um Corona-Erkrankungen erweitert worden, weitere meldepflichtige Krankheiten sind u.a. HIV-Infektionen, bakterielle Lebensmittelvergiftungen, Hepatitis infectiosa, „Vogelgrippe“, Tuberkulose;
- wenn Sozialversicherungsträger, andere Kostenträger oder Krankenhäuser ärztliche Befunde und Informationen für Abrechnungszwecke benötigen. Die ärztlichen Informationen müssen sich aber auf das für die Abrechnung Notwendige beschränken;
- wenn ein höherwertiges Interesse im Rahmen der öffentlich Gesundheits- und Rechtspflege vorliegt – eine interpretationsfähige Ausnahme;
- wenn der Arzt den Verdacht hat, dass die Körperverletzung des Patienten oder der Tod durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden ist. Dann ist eine Anzeige gegenüber den zuständigen Sicherheitsbehörden zwingend;
- das gilt auch beim Verdacht von Missbrauch Minderjähriger bzw. bei Missbrauchs- oder Misshandlungs-Verdacht bei Erwachsenen, wenn diese nicht in der Lage sind, ihre Interessen selbst wahrzunehmen.
Bei Minderjährigen-Missbrauchsverdacht ist die Anzeigepflicht eingeschränkt. Die Anzeige kann vorerst unterbleiben, wenn der Verdacht sich gegen einen nahen Angehörigen richtet, sofern das Wohl des Patienten das geboten erscheinen lässt und ein Jugendamt bzw. eine Kinderschutzeinrichtung eingeschaltet wird.
Was passiert bei Verstößen gegen die Schweigepflicht?
Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht sind ein gravierendes Delikt. Sie stellen die Verletzung eines Berufsgeheimnisses dar – eine Straftat. Das Strafgesetzbuch (StGB) sieht hierfür eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen vor (§ 121 Abs. 1 StGB). Die Strafvorschrift gilt nicht nur für Ärzte, sondern generell für gesetzlich regulierte Gesundheitsberufe, Gesundheitsdienstleister und Versicherer im Gesundheits-Kontext. Das mögliche Strafmaß kann sich verdoppeln, wenn die Verletzung des Berufsgeheimnisses in der Absicht erfolgt, einen Vermögensvorteil zu erlangen oder jemandem einen Vermögensnachteil zuzufügen (§ 121 Abs. 2 StGB).
Ärztliche Verschwiegenheitspflicht und Datenschutz
Ärztliche Schweigepflicht und Datenschutz hängen eng zusammen, sind aber nicht deckungsgleich. Beim Datenschutz sind die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten. Hier geht es u.a. um Einwilligung von Patienten zur Datenverarbeitung, Datentransparenz für den Patienten, den Schutz vor unberechtigtem Zugriff und mehr. Eine Datenschutz-Verletzung ist nicht automatisch eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht.