Immer mehr junge Männer in Österreich sind von Adipositas betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Langzeitstudie unter Leitung von Gerhard Prager, Leiter der Adipositas-Ambulanz der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie an der MedUni Wien. Grundlage der Untersuchung bildeten die Gesundheitsdaten von jungen Männern in Stellung beim österreichischen Bundesheer. Im Zusammenhang mit der Prävalenz für Übergewicht hat auch die Anzahl der kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes-Fälle stark zugenommen.
Adipositas-Studie unter Rekruten des österreichischen Bundesheers
Laut Statistik Österreich ist der Anteil der stark übergewichtigen bzw. adipösen Menschen zwischen 2014 und 2019 um zwei Prozentpunkte gestiegen. Bei der „Österreichischen Gesundheitsbefragung 2019“ stellte sich heraus, dass 660.000 Männer und 580.000 Frauen von Fettleibigkeit betroffen sind. Insgesamt gelten 17 Prozent aller Österreicher und Österreicherinnen ab 15 Jahren als adipös.
Das Forscherteam rund um den Viszeralchirurgen Gerhard Prager betrachtete nun gezielt die Gesundheitsdaten junger Männer. Untersucht wurden Daten von 874.220 Rekruten des österreichischen Bundesheers, erhoben in den Jahren 2003 bis 2018. Die Forscher ermittelten sowohl den Body Mass Index (BMI) als auch die Waist-to-Height-Ratio (WtHR), also das Verhältnis vom Bauchumfang zur Körpergröße.
Im Untersuchungszeitraum ist der durchschnittliche BMI von 22,0 ± 3,95 kg/m2 auf 22,8 ± 4,69 kg/m2 gestiegen. Der Prozentsatz der übergewichtigen jungen Männer stieg von 15,3 Prozent im Jahr 2003 auf 20,4 Prozent in 2018. Galten 2003 noch insgesamt 5,8 Prozent der Rekruten als adipös, waren es 2018 bereits 10,4 Prozent. Die Zahl der Rekruten mit Adipositas-Grad II und III verdoppelte sich sogar. 27,2 Prozent der jungen Männer wurden aufgrund ihres Gewichts als nicht für den Wehrdienst tauglich oder als teiltauglich eingestuft.
Folgeerkrankungen bei den Studienteilnehmern
Starkes Übergewicht steht im Zusammenhang mit verschiedenen Folgeerkrankungen, etwa Diabetes Typ 2, kardiovaskulären Erkrankungen, Erkrankungen des Muskel-Skelett-Apparates und Schlafapnoe. Mediziner gehen weiterhin davon aus, dass starkes Übergewicht das Risiko von hormonempfindlichen Tumoren erhöht.
Die österreichische Studie hat daher auch untersucht, bei wie vielen der stark übergewichtigen Rekruten Begleiterkrankungen auftraten. Insgesamt wurden 27,2 Prozent der Rekruten als stark übergewichtig oder adipös identifiziert. Aus dieser Gruppe wiesen 75,1 Prozent eine erhöhte Waist-to-Height-Ratio auf, die in den Zusammenhang mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen gebracht wird. Dies war nur bei 14,4 Prozent der unter- und normalgewichtigen Rekruten der Fall.
Bei 16,2 Prozent der übergewichtigen und adipösen Männer stellten die Forscher einen erhöhten Cholesterinspiegel fest. In der Vergleichsgruppe der Unter- und Normalgewichtigen wiesen nur 5,5 Prozent einen erhöhten Cholesterinspiegel auf. Bluthochdruck maßen die Forscher bei 15,6 Prozent der übergewichtigen oder adipösen Rekruten und bei 3,3 Prozent der Unter- und Normalgewichtigen.
Übergewicht und Bildungsgrad
Weiterhin stellten die Forscher eine Korrelation zwischen erhöhtem BMI und niedrigem Bildungsstand fest. So haben 31,5 Prozent der untergewichtigen und 32,8 Prozent der normalgewichtigen Rekruten einen höheren Schulabschluss erreicht. Unter den Rekruten mit Adipositas-Grad I, II und III sind es 18,4 Prozent, 15,3 Prozent und 14,0 Prozent. 81,7 Prozent der adipösen Rekruten haben lediglich die Pflichtschulbildung abgeschlossen, 4,3 Prozent brachen die Schule bereits früher ab.
Bei diesen Daten ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine reine Korrelation handelt, die keine Aussage über einen Kausalzusammenhang zulässt.
Adipositas: Starkes Übergewicht als chronische Erkrankung ernst nehmen
Studienleiter Gerhard Prager fordert, starkes Übergewicht als chronische Krankheit ernster zu nehmen. Zu häufig werde Übergewicht als eine Sache des Lebensstils abgetan. Je höher der BMI, desto höher sei allerdings auch die Anzahl der Begleiterkrankungen. Als besonders problematisch schätzt Prager starkes Übergewicht bei Jugendlichen ein, da diese ihr Gewicht ins Erwachsenenalter mitnehmen. Das führt ebenfalls zu einem erhöhten Risiko, an Diabetes, Störungen des Fettstoffwechsels oder erhöhtem Blutdruck zu erkranken.
Eine langfristige Therapie des Übergewichts setzt dabei zunächst auf eine Änderung des Lebensstils mit Ernährungsumstellung und mehr Bewegung. Anschließend kann eine medikamentöse Behandlung eingeleitet werden. Die Kosten für die Medikamente werden derzeit allerdings nicht von den Gesundheitskassen übernommen. Operationen zur Verkleinerung des Bauchumfangs müssen jeweils einzeln bewilligt werden.