Bis zu fünf Gramm Mikroplastik nimmt ein Mensch durchschnittlich am Tag zu sich. Das entspricht etwa der Menge einer Kreditkarte. Welche Gesundheitsrisiken davon ausgehen, wenn die winzigen Plastikteilchen in den menschlichen Verdauungstrakt gelangen, ist das Thema mehrerer Studien. Ein Forschungsteam der MedUni Wien hat sich den aktuellen Stand der Wissenschaft angesehen und in einem Übersichtsartikel für das Journal Exposure & Health zusammengefasst.
Bis zu fünf Gramm Mikroplastik am Tag
Als Mikroplastik definiert man Plastikteilchen mit einer Größe zwischen 0,001 und 5 Millimeter. Noch kleinere Teilchen werden als Nanoplastik bezeichnet. Aus Verpackungsabfall und Synthetikfasern herausgelöste Plastikteilchen gelangen in die menschliche Nahrungskette. Mehrere Tonnen der winzigen Plastikpartikel werden etwa von Meereslebewesen aufgenommen oder reichern sich im Meersalz an und gelangen auf diesem Wege auf den Teller. Erste Studien haben Plastikpartikel auch in Obst, Gemüse und Reis nachgewiesen. Diese Funde müssen aber noch durch weitere Untersuchungen bestätigt werden.
Plastikpartikel nehmen Menschen auch über das Trinkwasser zu sich, unter anderem durch das Trinken aus Plastikflaschen. Trinkt man 1,5 bis zwei Liter täglich aus einer Plastikflasche, entspricht das einer Aufnahme von rund 90.000 Plastikpartikeln pro Jahr. Wer zu Leitungswasser greift, kann die aufgenommene Menge je nach Region auf rund 40.000 Partikel reduzieren. Handelsübliches Mineralwasser ist ebenfalls mit Plastik belastet. In Mineralwasserproben haben Studien sogenannte Xenohormone nachgewiesen, die aus PET-Flaschen herausgespült werden. Xenohormone wirken im Körper wie ein Östrogen und können an der Entstehung von Krebs beteiligt sein.
Auch über die Atemluft können winzige Plastikpartikel in den menschlichen Körper gelangen. Im Durchschnitt liegt die Aufnahme von Plastikpartikeln bei fünf Gramm am Tag, berichten ein Wiener Forscherteam um Elisabeth Gruber und Lukas Kenner von der MedUni Wien und dem AKH Wien. Welche Gesundheitsrisiken bestehen, wenn Mikro- und Nanoplastik in das menschliche Verdauungssystem gelangt? Mit genau dieser Frage haben sich die Wiener Wissenschaftler befasst und das bislang verfügbare Studienmaterial ausgewertet.
Auswirkungen auf das menschliche Verdauungssystem
Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) lässt sich im Gewebe des menschlichen Verdauungssystems nachweisen. Experimentelle Studien, unter anderem an Zebrafischen durchgeführte Untersuchungen, lassen den Schluss zu, dass MNP die Zusammensetzung des Darmmikrobioms verändern. Diese Veränderungen werden in Zusammenhang mit Erkrankungen wie Diabetes, Fettleibigkeit und chronischen Lebererkrankungen gebracht. Andere Studien zeigen, dass der Weichmacher Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) im Darm von Neugeborenen die Zahl zweier Bakterienstämme, Rothia sp. und and Bifidobacterium longum (BPA), reduziert. Weitere Untersuchungen an Mäusen und Zebrafischen weisen darauf hin, dass Veränderungen in der BPA-Besiedlung im Zusammenhang mit Stoffwechselerkrankungen stehen.
Bestimmte molekulare Mechanismen können die Aufnahme von MNP in das Darmgewebe erleichtern. Mehrere Analysen haben gezeigt, das MNP unter spezifischen Voraussetzungen vermehrt ins Gewebe aufgenommen werden. Dort können sie Mechanismen aktivieren, die an Entzündungs- und Immunreaktionen beteiligt sind. Insbesondere Nanopartikel stehen im Verdacht, zur Krebsentstehung beizutragen.
Beteiligung von MNP an der Entstehung von Krebs
Studien, welche die Beteiligung von MNP an der Entstehung von Krebstumoren im Magen-Darm-Trakt untersuchen, sind aktuell noch selten. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2019 konnte eine erhöhte Aufnahme und intrazelluläre Anreicherung von Mikro- und Nanoplastikpartikeln in Zelllinien des kolorektalen Karzinoms nachweisen. Im Tierversuch mit Mäusen führte eine erhöhte Aufnahme von Polyethylen (PE) zu einer Störung des Darmmikrobioms und lokalen Entzündungserscheinungen. Weitere Studien legen nahe, dass Plastikpartikel als eine Art „Trojanisches Pferd“ toxische Substanzen in die Zellen transportieren und dort die krebserregende Wirkung dieser Substanzen verstärken.
Mikroplastik: Größeres Gesundheitsrisiko für Menschen mit chronischen Krankheiten
Die Wiener Forscher beurteilen die aktuelle Studienlage als nicht ausreichend, um tatsächlich aussagekräftige Schlüsse zu den Gesundheitsrisiken von Nano- und Mikroplastik zu ziehen. Weitere Untersuchungen sind ihrer Ansicht nach dringend notwendig, insbesondere um zu verstehen, wie genau MNP an der Entstehung von Entzündungserscheinungen, Immunerkrankungen und Krebs beteiligt sind.
Angesichts der bisherigen Erkenntnisse gehen die Autoren davon aus, dass sich die potenziellen negativen Folgen von Plastikpartikeln vor allem bei Menschen mit chronischen Vorerkrankungen zeigen. Ein gesunder Darm könne das Gesundheitsrisiko noch abwehren, chronische Erkrankungen und auch dauerhafter Stress können Menschen dagegen anfälliger für die Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik machen.