Sterbehilfe und ihre passenden gesetzlichen Rahmenbedingungen gehören in vielen Ländern zu den am hitzigsten diskutiertesten Themen. Sowohl Befürworter, als auch Gegner der Sterbehilfe in all ihren Facetten, führen gewichtige Argumente an. In manchen Ländern ist Sterbehilfe ganz oder teilweise gesetzlich erlaubt, in Anderen komplett verboten. So war es auch in Österreich bislang untersagt, Hilfe beim Sterben zu leisten. Aber das Land hat die Rechtsgrundlage zum 01.01.2022 geändert. Was genau Sterbehilfe überhaupt ist, welche Arten es gibt und wie die neue Rechtslage aussieht, zeigt folgender Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Sterbehilfe?
Das Thema Sterbehilfe gehört zu den ethisch-moralisch empfindlichsten Themen alternder Gesellschaften. Unter dem Begriff “Sterbehilfe” werden alle Handlungen addiert, die indirekte Hilfe oder aktive Beteiligung beim Sterbeprozess aber auch Sterbebegleitung sehr alter oder schwer- beziehungsweise unheilbar kranker Personen darstellen.
Doch Sterbehilfe ist nicht gleich Sterbehilfe. Im Wesentlichen können vier verschiedene Arten voneinander abgegrenzt werden.
Aktive Sterbehilfe
Unter aktiver Sterbehilfe versteht man die Tötung einer Person durch eine aktive Handlung. Beispielsweise würde die Verabreichung von Medikamenten in tödlicher Dosis durch eine andere Person als aktive Sterbehilfe gewertet werden. Aktive Sterbehilfe fällt in Österreich unter den § 78 StGB und ist in jeder Form verboten. Das Verbot gilt auch beim Vorliegen einer Willenserklärung der betroffenen Person.
Indirekte Sterbehilfe
Bei der indirekten Sterbehilfe handelt es sich vornehmlich um die Gabe von Medikamenten, um Schmerzen und Todeskampf in den letzten Lebensstunden zu vermeiden oder abzumildern. Das heißt, das Sterben würde sich auch ohne die Medikamente im zeitlichen Rahmen ereignen. Bei den erwähnten Medikamenten handelt es sich beispielsweise um Mittel wie Morphin, das zwar in entsprechender Dosierung auch tödlich wirken könnte aber von Ärzten nicht mit der Intention der „Tötung“ verabreicht wird. Insofern ist auch die Begrifflichkeit der indirekten Sterbehilfe diskutabel. In der sogenannten palliativen Versorgung, wird die Dosis nur soweit gesteigert, wie sie Schmerzen und Ängste lindert. Es erfolgt keine Gabe tödlicher Dosen, weswegen diese Art der Versorgung als indirekte Sterbehilfe bezeichnet wird. Sie ist in entsprechendem Rahmen zulässig, wenn sie von befugten Ärzten/-innen durchgeführt wird.
Passive Sterbehilfe
Unter dem Begriff der passiven Sterbehilfe werden vor allen Dingen unterlassene Handlungen während des Sterbeprozesses zusammengefasst. Es erfolgt sozusagen die Sterbehilfe durch passives Verhalten. Mittels einer Patientenverfügung können bereits zu Lebzeiten alle Dinge festgehalten werden, die im Zweifelsfall ärztlicherseits unterlassen werden sollen. Hierzu zählen die landläufig bekannten sogenannten „lebensverlängernden Maßnahmen“ wie zum Beispiel die künstliche Beatmung, die künstliche Ernährung oder die Reanimation unter bestimmten Umständen. Von passiver Sterbehilfe ist also die Rede, wenn diese Maßnahmen erst gar nicht ergriffen oder gar beendet werden. Hierbei zählt maßgeblich der Wille der Patienten/-innen oder deren Angehörigen in Vertretung.
Beihilfe zum Suizid
In Österreich ist der assistierte Suizid im § 78 StGB geregelt. Genau dieser wurde jüngst novelliert. Definiert ist die Beihilfe zur Selbsttötung wie folgt. Wenn eine Person Suizid durch die Einnahme eines potenziell tödlichen Medikaments begehen möchte, und dieses von einer dritten Person zur Verfügung gestellt wird, spricht man von Beihilfe zum Suizid. Dabei ist sehr entscheidend, dass das Medikament von der sterbewilligen Person selbst eingenommen werden muss, da es sich andernfalls um aktive Sterbehilfe handeln würde. Genau dieser Tatbestand wurde in Österreich neu bewertet und die Strafbarkeit wurde unter bestimmten Voraussetzungen zum 01.01.2022 gekippt.
Ist Sterbehilfe in Österreich erlaubt?
Das Gesetz differenziert sehr präzise zwischen verschiedenen Handlungen, die unter dem Überbegriff Sterbehilfe zusammengefasst werden. Nicht alle diese Handlungen sind grundsätzlich strafbar, sondern werden rechtlich voneinander abgegrenzt. Bei der Strafbarkeit stehen vor allem die Paragraphen § 77 StGB (Strafgesetzbuch) „Tötung auf Verlangen“ und §78 StGB „ Beihilfe zum Suizid“ im Mittelpunkt.
Jemanden auf dessen Verlangen hin zu töten war und bleibt in Österreich gesetzlich verboten und wird mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe geahndet (§77StGB).
Dahingegen hat Österreich nun den §78 StGB überarbeitet und den assistierten Suizid unter strengen Vorgaben in ganz bestimmten Fällen gestattet. So gab der österreichische Verfassungsgerichtshof dem Antrag mehrerer Personen statt, deren Auffassung nach das ausnahmslose Verbot der Beihilfe zum Suizid in Österreich verfassungswidrig sei. Mit Hinweis auf das Recht zur Selbstbestimmung wurde daraufhin die Gesetzesgrundlage neu geregelt und trat zum 01.01.2022 in der neuen Form in Kraft. Der assistierte Suizid ist seitdem unter strengen Vorgaben erlaubt und nicht strafbar.
Assistierter Suizid seit 01.01.2022 erlaubt
Das bis Ende 2021 in Österreich bestehende ausnahmslose Verbot der Beihilfe zum Suizid wurde zum 01.01.2022 gekippt. Seit diesem Datum ist es dauerhaft schwer- oder unheilbar kranken volljährigen Personen gestattet, eine sogenannte Sterbeverfügung zu beantragen. Minderjährige sind allerdings von dieser Regelung grundsätzlich ausgeschlossen. Die Sterbeverfügung muss notariell vom/von der Sterbewilligen selbst beantragt werden. Sofern die Lebenserwartung nicht darunter liegt, soll zwischen Antrag und Durchführung des Suizides eine Reflektionsfrist von mindestens 12 Wochen verstreichen. Ferner muss dieser Antrag von mindestens zwei Ärzten/-innen abgesegnet werden, von denen wenigstens eine/r die Zusatzbezeichnung „Palliativmediziner/in“ haben muss.
Hierzu darf allerdings niemand verpflichtet werden. Die Beihilfe zum Suizid beruht also für den/die Helfer/in auf dem Freiwilligkeitsprinzip. Mit Hilfe der Sterbeverfügung können Patienten/-innen dann in der Folge über eine Apotheke ein spezielles todbringendes Medikament beziehen. Um die Vorgehensweise rechtlich nicht zur aktiven Sterbehilfe zu machen, ist es zwingend erforderlich, dass der/die Sterbewillige dieses Medikament selbstständig einnimmt. Sollte dies nur noch mittels einer Sonde möglich sein, so muss die Verabreichung per Knopfdruck von der Person selbst ausgelöst werden können.
Durch die Neuregelungen ist der österreichische Gesetzgeber der Auffassung, ein menschenwürdiges Sterben zu gestatten, wenn es keine Hoffnung auf eine andere Lösung oder Heilung mehr gibt. Betroffene Personen mit dem persönlichen Wunsch auf einen würdigen Suizid haben hierdurch eine legale Möglichkeit erhalten ihr Sterben selbstbestimmt mitzugestalten.
In einigen anderen europäischen Ländern ist neben der Beihilfe zur Selbsttötung sogar die aktive Sterbehilfe erlaubt. Sowohl die Befürworter als auch die Gegner von Sterbehilfe in verschiedenster Form, haben überzeugende Argumente für oder wider eine solche Erlaubnis. In Österreich wurde 2015 die Sterbehilfekommission gegründet. Deren Auftrag besteht darin die vorhandene Versorgung durch palliativmedizinische Maßnahmen oder Hospize auszubauen, sodass den Betroffenen eine ausreichende Zahl von Experten und Betreuungsplätzen zur Verfügung steht.
Mehrheit für Liberalisierung
Eine Befragung von 1.000 Österreichern/-innen hat gezeigt, dass die große Mehrheit der Bevölkerung die Reform der Gesetze zur Sterbehilfe mitträgt.
Insgesamt befürworten 80 Prozent der Befragten die Entscheidung, wobei ungefähr zwei Drittel von ihnen sogar für noch weitreichendere Legalisierung sind. 32 Prozent der insgesamt Befragten könnten sich auch vorstellen, die heutzutage legale Sterbeverfügung sogar schon vorab zu erstellen. Das Prinzip wäre dann ähnlich einer Patientenverfügung, noch zu gesunden Zeiten über die Sterbehilfe im Ernstfall verfügen zu dürfen.
Weitere 23 Prozent gingen sogar noch weiter und sprachen sich für die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe aus. Lediglich neun Prozent der Befragten hält die Entscheidung, die Sterbehilfe unter bestimmten Umständen zu erlauben, für falsch. Die verbliebenen elf Prozent enthielten sich ihrer Stimme.
Fast die Hälfte würde selbst Sterbehilfe in Anspruch nehmen
Insgesamt könnten sich fast die Hälfte der Befragten Personen vorstellen, einmal selbst Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Nur 21 Prozent schließen dies für sich selbst grundsätzlich aus. Der Rest der Teilnehmer (32 Prozent) konnte zu dieser Frage keine Auskunft geben.