Das Vertrauen der österreichischen Bürger/innen basiert auf den eigenen Erfahrungen und dem Fakt, der stetig steigenden Lebenserwartung. Haben die Österreicher/innen bereits ein Durchschnittsalter von über 80 Jahren erreicht, ist laut Statistik aus dem Jahr 2020 davon auszugehen, dass sich dieses bis 2100 auf über 90 Jahre erhöht. Nicht zuletzt ist das dem Gesundheitssystem, der medizinischen Forschung und der Ärzteschaft zu verdanken.
Jetzt haben sich die Universitäten Krems und Graz damit auseinandergesetzt, wie sich das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in Zahlen und Fakten darstellt. Das Studienergebnis verdeutlicht einmal mehr, dass eine Verbesserung der Honorare ebenso unerlässlich ist, wie mehr Flexibilität bei den Arbeitsbedingungen aufgrund des Mangels an Kassenärzten/innen und Pflegepersonal. Allgemein halten die Bürger/innen zumindest bisher (noch) die Ärzteschaft und dem Gesundheitssystem für vertrauenswürdig, wie die Zahlen der Studie belegen.
Studien-Daten
Die Studie wurde in einem Zeitraum von zwei Wochen zwischen dem 2. und 16. März 2022 durchgeführt. Insgesamt wurden 2.571 Personen im Alter ab 14 Jahren bis über 75 Jahre interviewt. Die Befragung erfolgte online und umfasste vier verschiedene Themenbereiche, zu deren Fragestellungen zusätzliche Wissenschaftler/innen anderer Universitäten hinzugezogen wurden. Die Ergebnisse zum Bürgervertrauen in das Gesundheitssystem ist die erste Veröffentlichung. Als Nächstes folgt der zweite Teil, bei dem es um die europaweite Zusammenarbeit im Gesundheitswesen geht.
Zahlen und Fakten: Vertrauen in Ärzteschaft ist groß
Die Studienergebnisse zeigen, dass 70 Prozent der Bürger mit dem Gesundheitssystem im „Großen und Ganzen“ zufrieden sind. 81 Prozent der Studienteilnehmer/innen verdeutlichten ihr Vertrauen in die Ärzteschaft. Dennoch stehen 30 Prozent der Befragten der Zukunft kritisch gegenüber. Als einer der Hauptgründe wird der Zweifel an einem weiter so funktionierendem Gesundheitssystem für alle Bürger/innen geäußert, wenn kein Gegenwirken negativer Einflussfaktoren zur Stabilisierung der Gesundheitsversorgung erfolgt. So sind heute bereits weniger Bürger/innen mit regulärer Krankenversicherung zufrieden als solche, die über eine Zusatz-Krankenversicherung verfügen. Hierbei stehen 68 Prozent der Zufriedenheit von Kassenpatienten/-innen gegen 73 Prozent unter den Zusatzversicherten.
Zeit für Veränderungen
Politiker/innen, Ärzte/-innen und andere Experten/-innen diskutieren seit langem über Veränderungen im Gesundheitssystem. Durch die Studien kamen nun auch österreichische Bürger/innen zu Wort. Von den 30 Prozent, die dem weiteren Verlauf des Gesundheitssystems kritisch gegenüberstehen, wurden Vorschläge für eine langfristig verbesserte und stabilere Gesundheitsversorgung ausgewertet.
Mehr Geld und Flexibilität für medizinische Berufe
Platz 1 belegt der Wunsch nach mehr medizinischem Personal. 21 Prozent der Befragten und damit jede/r fünfte Bürger/-in, sehen einen zukünftig gravierenden Personalmangel, durch welchen die zügige Versorgung erkrankter Patienten/-innen gefährdet werden könnte – insbesondere im Bereich der Kassenärzte/-innen. Eine logische Schlussfolgerung ist demzufolge, dass ebenso häufig Bürger/innen eine Änderung im Rahmen von mehr Attraktivität des medizinischen Berufs für sinnvoll erachten. Dazu sollen die Anhebung der Honorare sowie flexiblere Arbeitsbedingungen verhelfen.
Vertrauen in Ärzteschaft: Mehr Zeit für Patienten ohne Zweiklassen-Versorgung
Zwölf Prozent der Befragten befinden die zunehmende Zweiklassen-Versorgung im Gesundheitssystem als kritisch. Sie sind der Meinung, dass durch die Gleichstellung aller Patienten/-innen eine deutlich höhere Zufriedenheit zu erreichen ist, weil sich die medizinischen Leistungen gleichermaßen verteilen können und die Mehrheit der Patienten/-innen dadurch von mehr Zeit bei Konsultationen profitieren werden. Auch lange Wartezeiten, weil priorisierte Patienten/-innen Vorrang haben, würden damit spürbar zu reduzieren sein. Ihr Änderungswunsch richtet sich deshalb für die Abschaffung der Zweiklassen-Unterteilung und eine einheitliche Gleichstellung von medizinischen Versorgungsleistungen.
Vertrauen in Ärzteschaft: Weitere Änderungsvorschläge
Von den 30 Prozent der befragten kritischen Studienteilnehmern/-innen befanden fünf Prozent Änderungen in den Bereichen Präventionsmaßnahmen, Qualitätsmanagement sowie Kosten für wichtig, um das Vertrauen in die Ärzteschaft langfristig aufrechtzuerhalten oder gar zu verbessern. Engmaschige und breit gefächerte Vorsorgeuntersuchungen könnten den zeitlichen und arbeitsintensiven Aufwand im medizinischen Alltag senken, wenn dadurch ernsthafte Erkrankungen mit umfangreicherem Leistungsbedarf verhindert werden. Kostensenkungen werden als ein Faktor benannt, der es ermöglichen soll, mehr finanzielle Mittel für Präventionen, aber auch für den medizinischen Bedarf sowie medizinisches Personal zur Verfügung zu haben. Daraus erhoffen sich die Studienteilnehmer/-innen, dass sich parallel dazu die Qualität der Gesundheitsversorgung stabilisiert und es im Idealfall sogar zu einer Optimierung kommt.
Interesse an digitaler Telemedizin
Laut der Studienleiterin Frau Mag. Dr. Christina Hainzl von der Universität für Weiterbildungen in Krems ist das derzeit geringe Interesse der befragten Bürger/innen an digitaler Medizin, auch Telemedizin genannt, überraschend. Wenngleich durch die umfangreichere Nutzung digitaler Behandlungen und Erfassung von medizinischen Daten die Ärzteschaft deutlich Zeit einsparen könnte, so zogen die Studienteilnehmer/innen diese Variante nicht als Lösung für eine gut funktionierende Gesundheitsversorgung heran. Dass Patienten/-innen weiterhin auf den persönlichen Kontakt mit Arzt/Ärztin und medizinischen Mitarbeitern/-innen vertrauen, zeigt sich durch die Befragung zu den medizinischen Informationsquellen.
Laut Statistik aus November 2021 besteht in 95 Prozent aller österreichischen Haushalte ein Internetzugang. Dennoch ergeben die Studienergebnisse, dass mehr als ein Viertel der Patienten/-innen es bevorzugt, gewünschte Informationen von ihrem Arzt/ihrer Ärztin zu erhalten. 21 Prozent der Probanden gaben an, für Antworten auf ihre Fragen das Internet und dortigen Suchmaschinen zu nutzen.