Aufgrund der Covid-19-Pandemie und damit verbundenen Kontaktbeschränkungen wurde die telefonische Krankmeldung temporär befristet ins Leben erweckt. Um das Ansteckungsrisiko in Arztpraxen für Mitarbeiter/innen und Patienten/-innen so gering wie möglich zu halten, konnten seit Corona-Beginn in zahlreichen Fällen telefonisch Diagnosen gestellt und daraus resultierende Arbeitsunfähigkeiten von niedergelassenen Ärzten/-innen beurteilt werden. Auch Krankmeldungen über Online-Arztpraxen mittels Telemedizin erhielten in Österreich vorübergehend ihre Legalität. Zusammen mit der Maskenpflicht ging diese medizinische Maßnahme zum 1. Juni 2022 zu Ende – sehr zum Missfallen der Österreichischen Gesundheitskasse. Die Ärztekammer hält dagegen. Aber wie geht es jetzt weiter?
Österreichische Gesundheitskasse vs. Ärztekammer
Die Österreichische Gesundheitskasse erklärte, dass die telefonische Krankmeldung einen wesentlichen Beitrag zum Rückgang der Infektionszahlen durch das Coronavirus geleistet hat. Diese Aktion wurde sehr positiv von zahlreichen Versicherungsnehmern/-innen und Patienten/-innen angenommen, weil sie keine langen Wartezeiten in Kauf nehmen und sich nicht krank auf den Weg machen mussten. Aber auch seitens der niedergelassenen Ärzte/-innen ist das Feedback durchweg positiv zu beurteilen. Keine überfüllten Wartezimmer und dadurch weniger gereizte Patienten/-innen sowie ein verbessertes Zeitmanagement hat für eine allgemein entspanntere Arbeitssituation gesorgt. So weit stimmt die Ärztekammer der Österreichischen Gesundheitskasse zu. Die Streitpunkte beziehen sich auf die zeitlichen und organisatorischen Bereiche.
Inhaltsverzeichnis
ÖGK bereit für Digitalisierung
Die Österreichische Gesundheitskasse fordert aus den zuvor genannten Gründen coronabedingt eine vereinfachte Fortführung der Krankschreibung beziehungsweise den Ausbau der telemedizischen Arztbehandlung mittels Umstellung auf Digitalisierung. Das umfasst auch die digitale Krankschreibung (z.B. via E-Mail), welche die telefonische Arbeitsunfähigkeit ablösen soll. Ein erster Entwurf ist bereits eingereicht.
Ärztekammer gegen jetzige Digitalisierung
Die Ärztekammer widerspricht der Österreichischen Gesundheitskasse und steht ihren Plänen skeptisch gegenüber. Sie plädiert für eine Verlängerung der telefonischen Krankmeldung, weil davon auszugehen sei, dass das Pandemie-Risiko noch nicht gänzlich überwunden sei. Jetzt neue Wege zu beschreiten und das bewährte Verfahren der telefonischen Behandlung zu verwerfen, hält Johannes Steinart als Chef der Ärztekammer und Vizepräsident der ÖÄK zum jetzigen Zeitpunkt zu risikoreich.
Pro und Kontra
Der Plan der ÖGK enthält die Möglichkeit der Krankschreibung mittels Videokonsultation. Die Ärztekammer sieht hier das Problem, dass eine stabile Internetverbindung dafür vorhanden sein muss. Diese steht in Österreich bisher aber nicht in allen Gebieten zur Verfügung. Zudem hat für die Möglichkeit der Online-Konsultation eine gesicherte Verbindung vorhanden zu sein. Diese kann zwar über das bereits entwickelte Programm „visit-e“ erfolgen, aber die Ärztekammer benennt die Gesamtsituation als technisch noch nicht ausgereift.
Sollte im Herbst Corona nochmals stark umgreifen und die Krankschreibung auf digitalem Wege funktioniert nicht einwandfrei, macht dies den persönlichen Arztbesuch wieder zwingend erforderlich. Das erhöht das Ansteckungsrisiko immens. Behandelnde Ärzte/-innen müssten sich mit den ihnen noch fremden Digitalverfahren auseinandersetzen, was bei Störungen insbesondere bei einem erneut erhöhtem Patientenaufkommen durch Corona-Infektionen den Praxisalltag massiv stören und zu Verwirrung sowie Verärgerung auf beiden Seiten führen kann.
Eine Verankerung im Versorgungsvertrag von Krankschreibungen per Video-Konsultationen, wie sie die ÖGK jetzt wünscht, hält die Ärztekammer deshalb zu verfrüht und spricht sich klar dagegen aus. Bevor Corona keine potenzielle Bedrohung mehr für Patienten/-innen und das Gesundheitssystem darstellt, will die Ärztekammer die telefonische Krankschreibung im Bedarfsfall nochmals aktivieren können.
Die Österreichische Gesundheitskasse hält dagegen und sieht die Problematik bei einem erneuten Coronaausbruch darin, dass die telefonische Krankschreibung meist nur den Patienten/-innen vorbehalten ist, die dem Arzt/der Ärztin bereits bekannt sind. Das spräche gegen das Recht eines jeden Versicherten auf ärztliche Diagnosen sowie persönliche Behandlungen inklusive Ausstellungen von Arbeitsunfähigkeiten. Zudem gibt die ÖKV die enorm gesunkenen Infektionszahlen an. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass im Herbst mit einer vergleichbaren drastischen Situation zu rechnen wäre. Es soll zu keiner Bettenknappheit in Krankenhäusern und zu medizinischen Behandlungsengpässen kommen. Dementsprechend wäre jetzt genau der richtige Zeitpunkt zur Einführung der digitalen Behandlung. Dies würde Patienten/-innen und Ärzten/-innen einen fließenden Übergang von der telefonischen Krankmeldung zu noch mehr Fortschritt mittels Telemedizin bieten.
Unabhängige Untersuchungen
Im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wurde im November 2021 ein Ergebnisbericht mit Informationen über die Untersuchung der Telemedizin in Österreich verfasst. Hierin werden verschiedene Studien über das Thema Video-Konsultationen unter anderem für Erstgespräche zwischen Arzt/Ärztin und Patient/in erwähnt, die während der Pandemie durchgeführt wurden. Weil einige Hersteller von Arztsoftware schnell reagierten und Video-Konsultationen integrierten, konnten ersten digitale Schritte bereits erfolgen. Insgesamt ergab sich aus den Studien eine weitestgehend hohe Zufriedenheit von Ärzten/-innen und Patienten/-innen. Der Ergebnisbericht könnte dazu herangezogen werden, um die Digitalisierung schneller voranzutreiben, als es der Ärztekammer vielleicht recht ist.
Wie geht es weiter?
Die digitale Behandlung wird kommen, das steht fest. Bleibt abzuwarten, ob die Ärztekammer die Möglichkeit für eine telefonische Krankmeldung bis auf Weiteres zumindest bis zum Jahreswechsel oder Winterende durchsetzt. Das würde der ÖGK und Softwareherstellern auch ausreichend Zeit geben, technische Details nochmals zu überarbeiten. Damit ist ein bestmöglicher Start ohne Probleme für die Umstellung gewährleistet.