Die Politik verfolgt in Österreich mit dem Ausbau der Primärversorgung das Ziel, die gesamte Krankenbehandlung effizienter, nachhaltiger und leistungsfähiger aufzustellen. Neue Primärversorgungseinheiten (PVE) werden als zentraler Faktor gesehen, um die definierten Ziele in der Gesundheitspolitik erreichen zu können. Abgesehen von der qualitativen Verbesserung der Gesundheitsversorgung soll auch die Prävention in Zukunft eine wesentlich größere Rolle spielen.
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Als erste Anlaufstelle im Gesundheitssystem spielt die Primärversorgung in Österreich für viele Menschen im Lebensalltag eine wichtige Rolle mit Ordinationen von Hausärztinnen und Hausärzten. Vor allem die multiprofessionellen sowie interdisziplinären Primärversorgungseinrichtungen werden von Gesundheitsexperten als zukunftsorientierte Lösung für eine optimale medizinische und auch pflegerische Betreuung gesehen.
Was sind Primärversorgungseinheiten (PVE)?
Hierbei handelt es sich um moderne Gesundheitszentren, in denen Fachärzte, Pflegeberufe und weitere Gesundheitsberufe flexibel und koordiniert unter einem Dach zusammenarbeiten. An einem Ort können so medizinisch-pflegerische Leistungen gebündelt werden, was vor allem für Patientinnen und Patienten kürzere Wege und Behandlungszeiten in Aussicht stellt. Alleine in Wien gibt es bereits acht Primärversorgungszentren, wobei die Anzahl in den kommenden Jahren österreichweit deutlich steigen soll.
Primärversorgung in Österreich – Hintergründe und Gesetzesinitiativen
Bereits 2013 wurde mit der Gesundheitsreform der Grundstein für eine Neuaufstellung im Gesundheitssystem gelegt. Hintergrund und Fokus der Reform waren Fragen nach einer optimalen Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung. Die Versorgung der Zukunft soll in Österreich niederschwellig, ganzheitlich und von hoher Qualität sein. Dafür wurden zwischen 2013 und 2016 erste Ziele und Maßnahmen im Bundes-Zielsteuerungsgesetz festgelegt.
Gesundheitsreform zur Stärkung der Gesundheitsversorgung
Im Rahmen der Gesundheitsreform 2013 wurde der Startschuss zur Neugestaltung der Primärversorgung in Österreich gegeben. Im Mittelpunkt standen die Fragen, wie die gesundheitliche Versorgung der Zukunft aussehen kann und was Patientinnen und Patienten für eine optimale Betreuung brauchen. Vor allem die ambulante Versorgung soll in Zukunft wesentlich besser aufgestellt werden. Mit dem Primärversorgungsgesetz aus dem Jahr 2017 wurden wichtige gesetzliche Grundlagen für diese Ziele festgeschrieben. 2019 konnte ein bundesweiter Gesamtvertrag für Primärversorgungseinheiten (PVE) zwischen dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger und der Ärztekammer geschlossen werden.
Unterschiedliche Anforderungen an Primärversorgungseinheiten (PVE)
Stärker berücksichtigt werden sollen bei der zukünftigen Primärversorgung die Bedürfnisse von Patienten und Gesundheitsberufen. Gesundheitsexperten weisen darauf hin, dass sich die Anforderungen an eine Primärversorgungseinheit (PVE) je nach Region und Standort deutlich voneinander unterscheiden können. Auf dem Land ergeben sich somit andere Herausforderungen als bei der Primärversorgung in Großstädten. Wo es möglich und sinnvoll erscheint, können vorhandene Strukturen ausgebaut und effizienter vernetzt werden. Im ländlichen Raum müssen mit neuen Versorgungszentralen vielerorts neue Ressourcen für eine bessere Gesundheitsversorgung geschaffen werden.
60 neue Primärversorgungseinheiten (PVE) bis 2026
Die Planung sieht vor, bis zum Jahr 2026 60 neue Primärversorgungseinheiten (PVE) in Österreich ins Leben zu rufen. Dazu wurden unter anderem 100 Millionen Euro an finanziellen Mitteln aus der EU zur Verfügung gestellt. 2021 sollten aber bereits 75 dieser Zentren geöffnet sein, de facto waren aber nur 33 im Betrieb. Insofern hinkt die österreichische Politik aktuell den ursprünglichen Ausbauzielen hinterher. Bis zum Jahr 2023 soll das Ziel erreicht werden, mehr Ambulanzen zur Primärversorgung in Österreich zu eröffnen.
Welche Vorteile bietet die Primärversorgung?
Letztlich ermöglicht die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Medizinern und Gesundheits- und Sozialberufen eine umfassendere Form der Patientenversorgung. Der Behandlungsweg soll nicht nur verkürzt werden, sondern auf seiner gesamten Strecke so viel gesundheitlichen Nutzen wie nur möglich stiften. Termine sollen kurzfristiger verfügbar sein, sodass sich bei Gesundheitsproblemen schnellere Handlungsoptionen eröffnen. Durch die gebündelte Kompetenz unter einem Dach können mehrere Arztbesuche in Zukunft überflüssig werden, was den Behandlungsweg für die Patientinnen und Patienten insgesamt deutlich verkürzen soll.
Chronisch kranke Menschen sollen von einer vor Ort verbesserten Gesundheitsversorgung unmittelbar profitieren können. Hierdurch soll eine aktivere Gesundheitsförderung und Prävention mit Blick auf eine Verbesserung der Lebensqualität möglich werden. Wohnortnahe Versorgung mit langen Öffnungszeiten soll in ganz Österreich zur Realität werden.
Im Fokus der Optimierungen steht auch der Gedanke der Vernetzung von Gesundheitsexperten: Eine engere Zusammenarbeit und Kommunikation soll es für Patienten einfacher machen, in der Breite von fachlicher Expertise zu profitieren. Auf der anderen Seite werden Fachkräfte und Ärzte entlastet, da übergreifende Strukturen für mehr Flexibilität und Entlastung bei der Planung sorgen. Zum Team einer so genannten Primärversorgungseinheit (PVE) sollen als Minimum drei Ärzte der Allgemeinmedizin zählen, die mit diplomiertem Pflegepersonal und weiteren Gesundheitsberufen wie z.B. im Bereich Sozialarbeit oder Psychotherapie kooperieren sollen. Je breiter das Netzwerk ist, desto umfassender kann das angebotene Leistungs- bzw. Behandlungsspektrum ausfallen.
Welche Faktoren bremsen den Ausbau der Primärversorgung?
Die gesetzlichen Grundlagen sind gelegt, der politische Wille ist mit ehrgeizigen Zielen erklärt. Bei der Umsetzung hapert es aktuell nicht an der finanziellen Ausstattung, sondern an der Immobiliensuche. Diese gestaltet sich an vielen Standorten als schwierig, sodass es bei den Ausbauzielen zu Verzögerungen kommt.
Geeignete Immobilien für den Ausbau der Primärversorgung müssen laut Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer mindestens eine Fläche von 300 Quadratmetern aufweisen. Idealerweise sollten Immobilien ebenerdig sein, damit Barrierefreiheit einen Zugang auch für mobilitätseingeschränkte Patienten von Beginn gewährleistet. Besonders in städtischen Lagen gestaltet sich die Suche nach passenden Immobilien vielerorts als schwierig. Viele Vermieter wollen offenbar nicht gerne an Ärzte bzw. für diesen gesundheitlichen Zweck vermieten, was sich in den vergangenen Monaten als weiteren Grund für den schleppenden Ausbau der Primärversorgungszentren in Österreich erwiesen hat.