Beschwerden hört man ungern. Das gilt auch für Ärzte/-innen oder Personal in Ordinationen. Von daher ist Beschwerdebehandlung oft mit einer Abwehrhaltung verbunden. Die ist aber kontraproduktiv. Beschwerden von Patienten/innen sollten als Chance gesehen werden, Schwächen oder Defizite zu erkennen und gezielt zu verbessern. Zum professionellen Umgang mit Beschwerden gehört ein gutes Beschwerdemanagement. Wie das im Ordinationsalltag gelingt, darum geht es in diesem Beitrag.
Häufige Beschwerden im Ordinationsalltag
Beschwerden beruhen meist auf enttäuschten Erwartungen. Eine amtliche Beschwerdestatistik für Ordinationen existiert zwar nicht, aber es gibt Erfahrungswerte. Klassische Beschwerdeanlässe sind Terminvergaben und Wartezeiten. Wer erst in Wochen einen Behandlungstermin ergattern kann oder trotz vereinbartem Termin lange im Wartezimmer ausharren muss, wird zwangsläufig unzufrieden und sieht die Dringlichkeit des eigenen Anliegens nicht richtig gewürdigt. Beschwerden sind die logische Konsequenz.
Zweithäufigster Beschwerdeanlass dürften Probleme in der Kommunikation mit dem/der behandelnden Arzt/Ärztin oder Teammitgliedern sein. Zu wenig Information, fehlendes Einfühlungsvermögen, schnelle Abfertigung – das sind Negativ-Eindrücke, die Beschwerden begründen. Es kommt dabei weniger auf den objektiven Tatbestand als das subjektive Empfinden an.
Nicht so häufig, aber besonders kritisch zu sehen sind Beschwerden über ärztliche Behandlungsfehler, weil damit unter Umständen auch juristische und versicherungstechnische Implikationen verbunden sind. Der Umgang mit solchen Beschwerden erfordert daher besondere Sensibilität. Ernst nehmen sollte man den Vorgang immer, auch wenn er nach eigener fachlicher Beurteilung unbegründet ist. Eine Beschwerde über Behandlungsfehler reicht über den Ordinationsalltag hinaus.
Wo und wie Beschwerden platziert werden
Die meisten Beschwerden erreichen die Ordination gar nicht, weil sie dort nicht geäußert werden. Der Feststellung einer Düsseldorfer Ärzteberatung zufolge werden nur etwa zwei Prozent der Beschwerden an der richtigen Stelle platziert, nämlich bei dem/der Ordinationsinhaber/in oder beim Ordinationspersonal. Die übrigen 98 Prozent werden im privaten Umfeld geäußert – in der Familie, gegenüber Freunden und Bekannten oder einem breiteren Publikum.
Das ist besonders zu bedauern. Zum einen, weil dann keine Chance besteht, sich konstruktiv mit dem Beschwerdeanlass auseinanderzusetzen, zum anderen, weil solche Beschwerden wie „negatives Empfehlungs-Marketing“ wirken und geradezu Verstärker-Effekte erzeugen können.
Im digitalen Zeitalter wird sich auch gerne in Form von Negativ-Bewertungen auf Homepages, Bewertungsportalen und in Social Media beschwert. Die relative Anonymität senkt die Hürde für solche Beschwerde-Publikationen an ein mehr oder weniger großes Publikum, auch für unbegründete. Hier droht ebenfalls ein Verstärker-Effekt und es gilt die Grundregel: nicht ignorieren, sondern offen und glaubwürdig „gegen-kommunizieren“.
Wie sich Beschwerdemanagement installieren und organisieren lässt
Professionelle Beschwerde-Behandlung bedarf eines Beschwerdemanagements – einer strukturierten und systematischen Vorgehensweise zum Umgang mit Beschwerden. Dazu braucht es klare Regeln, die am besten schriftlich festgehalten sein sollten. Es existiert dann eine objektive und für jedes Mitglied im Ordinationsteam nachvollziehbare Grundlage für die Behandlung von Beschwerden. Ein wichtiges Element einer solchen Unterlage ist die Festlegung der Kompetenzen bei der Reaktion auf Beschwerden. Welche Beschwerden können vom Ordinations-Personal allein bearbeitet werden, welche sind Chef/innen-Sache? Wo sind Beschwerden zu besprechen? Welche Grundregeln gelten beim Umgang mit Beschwerden. Hierauf sollte das Beschwerdemanagement Antworten liefern.
Tendenziell fällt die Beschwerde-Bearbeitung eher in die Zuständigkeit des/der Praxisinhabers/-inhaberin als des übrigen Ordinationsteams. Bei Beschwerden über Behandlungen und Behandlungsfehler gilt das unbedingt. Beschwerden mit Team-Zuständigkeit betreffen eher Abläufe und organisatorische Themen. In der Regel reicht es nicht, nur Regeln zu definieren und eine Anleitung für den Umgang mit Beschwerden zur Verfügung zu stellen. Beschwerde-Behandlung will geübt sein. Dafür gibt es Schulungsangebote.
Wie eine gute Beschwerde-Behandlung aussieht
1. Nicht vor anderen Patienten/innen
Beschwerden sollten grundsätzlich in einem separaten Bereich „ohne Mithörerschaft“ besprochen werden. Das nimmt Druck aus der Situation und signalisiert, dass die Beschwerde ernst genommen wird.
2. Zuerst anhören
Zunächst sollte man sich die Beschwerde in aller Ruhe anhören. Grundregeln dabei: nicht unterbrechen, keine Abwehrhaltung zeigen, Verständnis äußern, stets sachlich und höflich bleiben – auch wenn die Beschwerde sehr emotional vorgetragen wird.
3. Nachfragen und Gesagtes in eigenen Worten wiederholen
Nachfragen und Wiederholen des Gesagten ist wichtig, damit das Problem wirklich verstanden wird und sichergestellt ist, dass beide Seiten das gleiche Verständnis haben. „Missverständnisse“ sind kontraproduktiv.
4. Ggf. Beschwerde schriftlich festhalten
Es kann sinnvoll sein, sich Notizen zur Beschwerde zu machen. Zum Beispiel, um den Sachverhalt im Nachgang zu untersuchen oder im Ordinationsteam zu klären.
5. Entschuldigung/Bedauern bei tatsächlichen Fehlern
Bei begründeten Beschwerden ist eine Entschuldigung oder ein Ausdruck des Bedauerns das Mindeste.
6. Positiver Abschluss
Wenn möglich, sollte zum Schluss eine positive Perspektive eröffnet werden. Zum Beispiel durch Dank für die Offenheit und indem Verbesserungen in Aussicht gestellt werden.
Viele Unternehmen und Einrichtungen praktizieren Beschwerdemanagement bereits seit Jahren erfolgreich und generieren daraus einen Mehrwert. Es gibt keinen Grund, warum das im Ordinationsalltag nicht auch funktionieren sollte.