Frauen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sind deutlich häufiger von Burnout betroffen als das männliche Gesundheitspersonal. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Metastudie. Die Ungleichbehandlung der Geschlechter am Arbeitsplatz, ein unausgewogenes Verhältnis von Beruf und Privatleben sowie geringe Autonomie bei Entscheidungen gehören demnach zu den wesentlichen stressauslösenden Faktoren.
Fehlende Geschlechtergleichstellung trägt zum Stress bei
In Österreich ist keine andere Berufsgruppe einer so großen psychischen Belastung ausgesetzt wie das Personal in Pflege- und Gesundheitsberufen. Wie der Arbeitsklima Index zeigt, fühlen sich sechs von zehn Beschäftigten erschöpft und ausgelaugt, mehr als die Hälfte verspürt Resignation im Beruf, noch etwas mehr Beschäftigte berichten von Burnout-Fällen im Betrieb.
Eine internationale Metastudie mit dem Titel „The Well-Being of Women in Healthcare Professions: A Comprehensive Review“ kommt nun zu dem Ergebnis, dass Frauen in Gesundheitsberufen die Belastung und den Stress noch stärker zu spüren bekommen als ihre männlichen Kollegen. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Viktoriya Karakcheyeva vom Resiliency & Well-being Center hat 71 Studien aus 26 Ländern ausgewertet, die in den Jahren von 1979 bis 2022 veröffentlicht wurden. Der Schwerpunkt der Studie lag darauf, die Lebensqualität, Belastbarkeit, den Stress und das Wohlbefinden weiblicher Fachkräfte im Gesundheitswesen zu untersuchen. Berücksichtigung fanden sowohl die Erfahrungen von weiblichen Pflegefachkräften wie auch von klinischen Sozialarbeiterinnen, Ärztinnen und Fachkräften aus dem Bereich der Psychologie und Psychiatrie.
Ein wesentlicher Auslöser für den höheren Stress von weiblichen Beschäftigten im Gesundheitswesen ist der Auswertung zufolge die andauernde Ungleichbehandlung der Geschlechter. In 16 Prozent der untersuchten Studien finden die Forscher Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen mangelnder Geschlechtergleichstellung und höherer Belastung. So erhalten Frauen, die in Gesundheitsberufen arbeiten, immer noch eine geringere Bezahlung als Männer und sehen sich zudem geringeren Aufstiegschancen gegenüber. Frauen im Kittel werden darüber hinaus eher als Pflegekräfte denn als Ärztin wahrgenommen, Ärztinnen werden häufiger ohne Titel angesprochen als Ärzte.
Schlechte Work-Life-Balance und weniger Autonomie am Arbeitsplatz
Ein zusätzlicher Stressfaktor für Frauen in Gesundheitsberufen ist fehlende Autonomie am Arbeitsplatz. Fast 25 der untersuchten Studien deuten darauf hin, dass Frauen eine eingeschränkte Autonomie im Beruf haben. Darüber hinaus sorgt eine schlechte Work-Life-Balance für Belastung. Nach langen Arbeitszeiten und Schichtdienst müssen sich Frauen häufig noch um den Haushalt und die Kindererziehung kümmern.
Trotz mangelnder Autonomie scheinen Vorgesetzte weiblichen Gesundheitsfachkräften zuzutrauen, komplizierte Probleme zu lösen. So stellen die Autoren der Metastudie etwa fest, dass Frauen häufiger Patienten mit komplexen medizinischen Problemen zugewiesen werden als männlichen Beschäftigten. Da die Betreuung dieser komplexen Fälle allerdings Energie und Zeit kostet, trägt sie weiterhin zur Überlastung des weiblichen Gesundheitspersonals bei.
Mögliche Lösungen
Die Forscher stellen in ihrer Metastudie auch Lösungsvorschläge vor. Aus der Analyse der unterschiedlichen Untersuchungen ergibt sich, dass erholsamer Schlaf, eine gesunde Ernährung und Bewegung Stress vermindern können. Aus 22 Prozent der Studien lassen sich zudem Hinweise ableiten, dass ein unterstützendes und flexibles Arbeitsumfeld, in dem Maßnahmen zur Geschlechtergleichstellung getroffen und Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung geboten werden, ebenfalls einem Burnout vorbeugen kann. Positiv wirken sich demnach auch stabile soziale Beziehungen im privaten Bereich und Achtsamkeitsübungen aus.
Die durch die Metastudie gewonnenen Informationen möchte das Forschungsteam nutzen, um umfassende Maßnahmen zur Unterstützung der Belastbarkeit und des Wohlbefindens von weiblichen Beschäftigten im Gesundheitswesen zu entwickeln.