Viele Mediziner setzen sich schon während der Studienzeit mit der Frage auseinander, ob sie einen Doktortitel anstreben sollten und wenn ja, wie das genau funktioniert. Da die Erlangung dieses akademischen Grades in der Regel mit einem sehr hohen zeitlichen Aufwand und viel Engagement verbunden ist, sollte die Entscheidung wohl überlegt sein, damit sie auch zum Erfolg führt. Einen Überblick darüber, wie man in Österreich den Doktorgrad erreichen kann, welche Voraussetzungen für die Zulassung zum Doktoratsstudium in der Medizin erfüllt werden müssen und wie dieses letztlich dann konkret abläuft, soll der folgende Artikel geben.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Doktoratsstudium?
Grundsätzlich bedingt die Zulassung zum Doktoratsstudium einen vorangegangenen universitären Abschluss, in bestimmten Fällen ist es auch möglich auf einem Fachhochschulabschluss aufzubauen. Im Rahmen des Bologna-Prozesses sollte der klassische Doktortitel eigentlich durch den Ph.D. (lateinisch für Philosophiae Doctor) ersetzt werden, um international einheitliche und vergleichbare Studienabschlüsse zu erreichen. Österreichischen Universitäten ist es allerdings unter bestimmten Voraussetzungen freigestellt, stattdessen weiterhin den klassischen Dr.-Titel zu vergeben. Je nach Studienfach und ob ein PhD- oder Doktoratsstudium angestrebt wird, unterscheiden sich Bedingungen und Ablauf.
Für Mediziner gestaltet sich die Erlangung eines tatsächlichen Doktortitels wie folgt. Wer in Österreich ein Medizinstudium, das nach 2002 begonnen wurde, erfolgreich abschließt, erhält nach 12 Regelsemestern den Diplomgrad Dr. med. univ., welcher nicht an eine Dissertation gekoppelt ist, sondern als „Berufsdoktorat“ zu betrachten ist und automatisch nach Abschluss verliehen wird. Das Berufsdoktorat gilt nicht als tatsächlicher Doktorgrad und darf daher beispielsweise in Deutschland auch nicht in Personaldokumente (z.B. Reisepass) als „Dr. med.“ eingetragen werden. Der „echte“ Doktorgrad kann in Österreich nur durch ein Doktoratsstudium oder PhD-Studium erreicht werden, das sich bei Bedarf an die Regelstudienzeit anschließt. Früher wurde dann der Diplomgrad durch den Doktorgrad ersetzt, heute wird dieser hinzugefügt und führt dann zum Titel DDr. (Dr. med. univ. Dr. scient. med.). Wer ein PhD-Studium abschließt erhält den Titel Ph.D..
Der zeitliche Ablauf und der Aufbau des PhD-Studiums sind nahezu identisch mit dem Doktoratsstudium. Das PhD-Studium richtet sich allerdings vornehmlich an Absolventen, die ihre berufliche Zukunft mit Schwerpunkt im Bereich der Forschung sehen und beschäftigt sich inhaltlich mit medizinischer Grundlagenforschung. Dahingegen liegt das Hauptaugenmerk des Doktoratsstudiums auf klinischer Forschung für praktisch tätige Ärzte. Ob man also das PhD-Studium oder das Doktoratsstudium beginnt, hängt stark von den individuellen Zukunftszielen des Doktoranden ab.
Doktoratsstudium – Zulassungsvoraussetzungen
In Österreich kann man an den Universitäten der Städte Wien, Innsbruck, Graz und Linz ein Medizinstudium und somit auch ein sich anschließendes Doktoratsstudium oder PhD-Programm absolvieren. Die Zulassungsvoraussetzungen unterscheiden sich kaum.
An der Universität Wien ist zum Doktoratsstudium zulassungsberechtigt, wer ein Diplomstudium der Human- oder Zahnmedizin in Österreich absolviert hat und ein Dissertationsthema nebst dazugehörigem Dissertationskonzept, sowie eine Betreuungszusage vorlegt. Gleiches gilt für gleichwertige ausländische Abschlüsse, wobei die Gleichwertigkeit des Abschlusses durch das jeweilige Universitäts-Rektorat festgestellt werden muss. Da die Pflichtveranstaltungen im Rahmen des Doktoratsstudiums bis auf wenige Ausnahmen in englischer Sprache stattfinden, ist englische Sprachkompetenz auf mindestens C1-Niveau erforderlich.
Doktoratsstudium – Dauer
Das Doktoratsstudium Medizin dauert regelhaft 6 Semester (also 3 Jahre). AbsolventInnen führen dann den Titel „Doctor scientiae medicae“. Als Alternative gibt es noch das PhD-Studium. Dieses ist inhaltlich überwiegend gleich aufgestellt. Je nach angestrebter Berufslaufbahn und Tätigkeitsbereich, liegt die Entscheidung ob PhD- oder Doktoratsstudium beim Absolventen selbst.
Promotionsprogramme Medizin
Das Doktoratsstudium in der Medizin selbst ist in verschiedenen Programmen organisiert, um den DissertantInnen ein fundiertes interdisziplinäres Angebot in den verschieden Themenbereichen anzubieten. Das Ziel der einzelnen Programme ist es, eine möglichst umfassende und hochwertige wissenschaftliche Ausbildung auf aktuellem Forschungsniveau zu gewährleisten. Die Programme sind definiert und werden von der jeweiligen Universität veröffentlicht. In Wien werden beispielsweise folgende Programme angeboten:
- klinische Endokrinologie, Stoffwechsel und Ernährung
- Biomedizinische Technik
- CLINS (klinische Neurowissenschaften)
- POeT (Programm für Organversagen, -ersatz und Transplantationsmedizin)
- Klinische experimentelle Onkologie
- Präklinische und klinische Forschung im Rahmen der Arzneimittelentwicklung
- Regeneration von Knochen und Gelenken
- Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen
- Psychische Gesundheit und Verhaltensmedizin
- Public Health
Zu Beginn des Doktoratsstudiums Medizin wird ein Programm ausgewählt, auf welches das Dissertationsthema abgestimmt wird. Sofern Kurse aus anderen Programmen zu dem gewählten Thema passen, ist es auch gestattet, diese in Rücksprache zu belegen. Hierzu erfolgt bei Bedarf am Besten eine vorherige Absprache mit dem jeweiligen Programmkoordinator.
Doktoratsstudium Medizin – Aufbau und Ablauf
Das Doktoratsstudium dauert in der Regel 6 Studiensemester (180 ECTS – European Credit Transfer and Accumulation), was 3 Jahren entspricht. Der Anteil an Pflichtkursen beträgt 21,1 % der Studiendauer und entspricht insgesamt 38 Semesterstunden. Die konkrete Gestaltung der Kurse hängt vom gewählten Programm ab und soll, als feste Basislehre, praxisbezogene Kompetenzen im jeweiligen Fachbereich vermitteln. Die übrigen 78,9 % der Studienzeit stehen den DoktorandInnen für die Ausarbeitung ihrer Dissertation zur Verfügung. Durch die feste Gestaltung des Doktoratsstudiums Medizin soll sichergestellt werden, dass die DissertantInnen über die reine Erlangung des Doktorgrades hinaus auch befähigt werden, Studienergebnisse zu interpretieren, selbst zu forschen und die Ergebnisse in einschlägigen Fachzeitschriften zu publizieren, sowie komplexe medizinische Projekte zu entwickeln und selbst zu leiten.
Welche Lehrveranstaltungen gibt es?
Für eine allgemeine Einführung in verschiedene Sachverhalte, werden Vorlesungen angeboten. Die Inhalte sollen dann in Seminaren vertieft werden, die vor allem darauf abzielen, erlerntes theoretisches Wissen anzuwenden, um Zusammenhänge zu analysieren und Fragestellungen zu lösen. Um auch praktische Kompetenzen zu vermitteln, werden überdies auch Praxisseminare angeboten. Damit die Doktoranden einen sicheren Umgang mit medizinischer Fachliteratur und aktuellen Veröffentlichungen lernen, erfolgt auch die Teilnahme an Journal-Clubs, in denen Publikationen analysiert und bewertet werden.
Ein Teil der oben genannten Veranstaltungen stellt Pflichtveranstaltungen dar, zu denen beispielsweise auch zählt, das Dissertationsthema im Rahmen eines Symposiums zu präsentieren und den erstellten Dissertationsplan zu verteidigen. Weitere Veranstaltungen bilden Wahlpflichtfächer, auf die auch einige Pflichtstunden entfallen.
Finanzierung des Doktoratsstudiums
Während des Doktoratsstudiums in der Medizin verdienen die DoktorandInnen in der Regel noch kein Geld und müssen darüber hinaus auch Studienbeitrag und ÖH-Gebühren entrichten, welche in Österreich mehrere hundert Euro pro Semester betragen. Beispielsweise fallen an der Uni Wien für EU-Bürger knappe 400 Euro, für Studenten aus Drittstaaten sogar fast das Doppelte, an Kosten je laufendem Semester an. Die Finanzierung des Doktoratsstudiums sollte daher möglichst vorab geklärt sein, damit ein finanzieller Engpass nicht das gesamte Projekt verzögert oder gar zum Scheitern bringt.
Tipps zur erfolgreichen Doktorarbeit
Eine Dissertation zu verfassen, ist mit einem hohen zeitlichen Aufwand und viel Arbeit verbunden. Es handelt sich in Österreich um einen Abschnitt von mindestens dreijähriger Dauer. Während dieser Zeit kann man noch nicht arbeiten und verdient demzufolge auch noch wenig oder kein Geld. Die Finanzierung des Doktoratsstudiums sollte also unbedingt vorher abgeklärt sein.
Man benötigt weiterhin zumindest ein gewisses Grundlagenwissen im Bereich Statistik. Es empfiehlt sich daher bei den universitären Statistikkursen gut aufzupassen. Selbst wenn man bei diesem Part Hilfe bekommt, so sollte man seine eigenen Ergebnisse auch interpretieren können.
Es ist ebenfalls von großem Vorteil, wenn man sich für das ausgesuchte bzw. vergebene Thema auch in dem Maße interessiert, dass man sich vorstellen kann, sich hiermit mehrere Jahre am Stück zu befassen, damit einen nicht auf halber Strecke die Motivation verlässt. Daher sollte man auch unbedingt bei der Themenwahl mit Bedacht entscheiden.
Grundsätzlich ist es sehr hilfreich, wenn man gut vernetzt ist (Statistiker, andere Doktoranden, z.B. Doktoranden mit ähnlichen Themen oder gleicher BetreuerIn). Die Wahl eines erfahrenen Doktorvaters oder einer erfahrenen Doktormutter ist besonders essenziell, da diese auch in schwierigen Phasen des Promotionsprozesses (und die wird es mit Gewissheit geben!) mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie können Hilfestellung geben, wenn man mal eine „Schreibblockade“ hat und helfen bei der Beantwortung fachlicher Fragen rund ums Thema. Um in Österreich einen Doktoranden zu betreuen, müssen die Betreuer gewisse Kriterien erfüllen und Erfahrenheit nachweisen. Wer konkret an der jeweiligen Uni in Frage kommt, ist entsprechend bei der Universität direkt nachzulesen. Häufig findet man bei der Betreuungsperson auch Unterstützung, wenn man Kontakte sucht, die einen zum Beispiel beim statistischen Part unterstützen könnten.
Fazit
Den Doktorgrad in Österreich zu erlangen, ist wie auch in anderen Ländern nicht geschenkt und sollte gut überlegt sein. Die Universitäten, die ein Doktoratsstudium anbieten, bereiten InteressentInnen auf ihren Web-Präsenzen gut auf den Ablauf und die Voraussetzungen des Doktoratsstudiums vor. Abgesehen davon ist die Ausbildung sehr gut organisiert, was einen wichtigen Erfolgsschlüssel darstellt. Wer sich also ein spannendes Thema ausgesucht hat, motiviert an die Arbeit geht und durchhält, hat sehr gute Chancen darauf, sein Ziel auch zu erreichen. Viel Erfolg!