Wie funktioniert ein gesunder Organismus? Und wie weichen die Funktionsmechanismen in einem erkrankten Körper von der normalen Funktionsweise ab? Mit diesen Fragen befassen sich Fachärzte für Physiologie und Pathophysiologie. Ihre Arbeit liefert wichtige Hinweise für das bessere Verständnis von Erkrankungen und für eine zielgerichtete Diagnostik. Die Arbeit als Physiologe setzt neben dem Studium der Humanmedizin eine abgeschlossene Facharztausbildung voraus. Hier gibt es den Überblick über Ziele, Dauer, Gliederung und Inhalte der fachmedizinischen Weiterbildung.
Inhaltsverzeichnis
Facharzt für Physiologie und Pathophysiologie – Tätigkeiten und Zuständigkeitsgebiet
Der Begriff Physiologie entstammt dem Altgriechischen und setzt sich aus den Wörtern für “Natur” und “Lehre” bzw. “Vernunft” zusammen. Übersetzt bedeutet Physiologie also soviel wie Naturkunde. Der medizinische Fachbereich befasst sich mit den normalen Lebensfunktionen in Zellen, Geweben und Organen, insbesondere den biophysikalischen Vorgängen und deren Zusammenwirken. Das Ziel der Physiologie ist es, Vorhersagen über das Verhalten eines Körpersystems zu treffen, beispielsweise über den Stoffwechsel, die Fortpflanzung oder das Wachstum eines Organismus.
Der Bereich der Pathophysiologie dagegen befasst sich mit den Krankheitsvorgängen und Funktionsstörungen der Organe im menschlichen Körper. Die Pathophysiologie betrachtet, wie der Körper unter krankhaften Veränderungen funktioniert und welche Funktionsmechanismen zu krankhaften Veränderungen führen. Ziel ist es, die funktionellen Ursachen von Erkrankungen zu erkennen. Die pathophysiologische Forschung bildet dabei die Grundlage, um sowohl Krankheitsverläufe als auch die Wirkmechanismen therapeutischer Maßnahmen zu verstehen.
Fachärzte für Physiologie und Pathophysiologie sind also Experten für die Vorgänge in gesunden und in kranken Organismen. In ihrem Arbeitsalltag erforschen sie zum Beispiel das Nervensystem, die Muskulatur und die Sinnesorgane des Menschen. Dazu nutzen sie physikalische, chemische und molekularbiologische Verfahren. Sie führen Laborversuche durch und erheben Messwerte, etwa per EKG und EEG. Weiterhin kommen elektrophysiologische Methoden zum Einsatz, beispielsweise Herzkatheter. Daneben gehören organisatorische und verwaltungstechnische Aufgaben zum Arbeitsalltag eines Facharztes.
Facharzt für Physiologie und Pathophysiologie – Die Weiterbildung im Überblick
Bevor man als Facharzt für Physiologie und Pathophysiologie tätig werden kann, muss man zunächst das Studium der Humanmedizin absolvieren. Daran schließt die Facharztausbildung an. Diese dauert mindestens sechs Jahre und endet mit dem Bestehen der Facharztprüfung. Ziele, Dauer und Gliederung sind in der Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung von 2015 (ÄAO 2015) definiert.
Ziele
Die Weiterbildung im Sonderfach Physiologie und Pathophysiologie soll Fachärzte zur selbständigen Ausübung ihres Berufes befähigen. Das umfasst laut ÄAO 2015 die gewissenhafte fachärztliche Betreuung von Patienten unabhängig von Geschlecht und Alter. Die Facharztausbildung verfolgt entsprechend das Ziel, den Medizinern die nötigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen zur Behandlung, Vorsorge, Nachsorge und Kommunikation mit den Patienten an die Hand zu geben. Neben medizinischem Wissen aus dem eigenen Fachbereich sollen die Mediziner auch fachspezifische Kenntnisse aus den Bereichen Geriatrie, Suchttherapie, Schmerztherapie und Palliativmedizin erhalten sowie für die Betreuung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen sensibilisiert werden.
Dauer und Gliederung
Die Facharztausbildung im Sonderfach Physiologie und Pathophysiologie dauert insgesamt mindestens 72 Monate und gliedert sich in drei Abschnitte:
- 9 Monate Basisausbildung
- 36 Monate Sonderfach-Grundausbildung
- 27 Monate Sonderfach-Schwerpunktausbildung
Für die Sonderfach-Schwerpunktausbildung wählen die angehenden Fachärzte aus sechs fachspezifischen und einem wissenschaftlichen Modul drei Module aus.
Die Ausbildung folgt einem verbindlichen Ausbildungsplan. Dieser Plan wird vom Träger der jeweiligen Ausbildungsstätte erstellt und den Turnusärzten vorgelegt. Abweichungen vom Ausbildungsplan müssen begründet werden. Erfolgsnachweise über abgeschlossene Studienabschnitte werden in Form von Rasterzeugnissen erbracht.
Inhalte
Während der neunmonatigen Basisausbildung erwerben angehende Physiologen die klinische Basiskompetenz in den chirurgischen und konservativen Fachgebieten.
Sonderfach-Grundausbildung
Die Sonderfach-Grundausbildung fokussiert sich anschließend auf den Bereich Physiologie und Pathophysiologie. Neben fachmedizinischen Kenntnissen erlangen die auszubildenden Mediziner auch Einblicke in die Grundlagen der Dokumentation und Arzthaftung sowie der interdisziplinären Kooperation, lernen die Institutionen des österreichischen Gesundheits- und Sozialwesens kennen und setzen sich mit ethischen und ökonomischen Gesichtspunkten des Arztberufes auseinander. Überdies umfasst die Sonderfach-Grundausbildung folgende Inhalte:
- Messgrößen und Maßeinheiten in der Physiologie
- Allgemeine Zytologie, Zellphysiologie und zellbiologische Methoden
- Physiologie mit besonderer Berücksichtigung von Ursache und Wirkung und den damit verbundenen physiologischen und funktionellen Veränderungen
- Referenzbereiche
- Pathophysiologie mit besonderer Berücksichtigung der Anwendung biochemischer, biophysikalischer, molekularbiologischer, zellbiologischer, immunologischer, genetischer und tierexperimenteller Methoden einschließlich der Anwendung von Radioisotopen für die Erklärung der funktionellen Grundlagen von Erkrankungen, ihrer Diagnostik und der Überwachung von Krankheitsverläufen
- Experimentelle Anwendung von Zellkulturmethoden, insbesondere solcher, welche die Funktion von pathologisch veränderten Zellen, Geweben und ganzen Organen erlauben
- Versuchstierkunde, insbesondere Auswahl geeigneter Tiermodelle zum Studium pathophysiologischer Störungen des Menschen
- Public Health und Epidemiologie
- Probandensicherheit
- Laborsicherheit
- Einschlägige Rechtsvorschriften für die Ausübung des ärztlichen Berufes, insbesondere betreffend das Sozial-, Fürsorge- und Gesundheitswesen einschließlich entsprechender Institutionenkunde des österreichischen Gesundheitswesens und des Sozialversicherungssystems
- Grundlagen der Dokumentation und Arzthaftung
- Grundlagen der multidisziplinären Koordination und Kooperation, insbesondere mit anderen Gesundheitsberufen und Möglichkeiten der Rehabilitation
- Gesundheitsökonomische Auswirkungen ärztlichen Handelns
- Ethik ärztlichen Handelns
- Planung, Durchführung und Auswertung von physiologischen und pathophysiologischen Versuchen
- Haltung und Ernährung von Laboratoriumstieren, Versuchstierkunde, gesetzliche Grundlagen
- Zell-, Gewebe- und Organkulturtechniken
- Biochemische, molekularbiologische, immunologische, genetische und elektrophysiologische experimentelle Untersuchungstechniken
- Biochemische und statistische Verfahren
- Fachspezifische Qualitätssicherung und Dokumentation
Sonderfach-Schwerpunktausbildung
In der Sonderfach-Schwerpunktausbildung spezialisieren sich die angehenden Fachärzte auf drei Themengebiete. Dabei können sie aus folgenden Modulen wählen:
Modul 1: Zelluläre Pathophysiologie
- Zelluläre Pathophysiologie sämtlicher Organe und Organsysteme einschließlich Anatomie und Histologie, Biochemie, Molekular- und Zellbiologie, Pathologie und Pharmakologie
- Zelluläre Untersuchungsmethoden zur Beurteilung des Stoffwechsels, insbesondere Protein-, Kohlenhydrat-, Nukleinsäure- und Lipidstoffwechsel sowie der Organe und Organsysteme
- Physikalische, chemische, histologische, immunologische, zellbiologische Untersuchungsmethoden
Modul 2: Molekulare Pathophysiologie
- Molekulare Pathophysiologie sämtlicher Organe und Organsysteme einschließlich Anatomie und Histologie, Biochemie, Molekular- und Zellbiologie, Pathologie und Pharmakologie
- Molekulare Untersuchungsmethoden zur Beurteilung des Stoffwechsels, insbesondere Protein-, Kohlenhydrat-, Nukleinsäure- und des Lipidstoffwechsels sowie der Organe und Organsysteme
- Biochemische und molekularbiologische Untersuchungstechniken
Modul 3: Experimentelle Pathophysiologie
- Experimentelle Pathophysiologie sämtlicher Organe und Organsysteme einschließlich Anatomie und Histologie, Biochemie, Molekular- und Zellbiologie, Pathologie und Pharmakologie
- Experimentelle Untersuchungsmethoden zur Beurteilung des Stoffwechsels, insbesondere Protein-, Kohlenhydrat-, Nukleinsäure- und Lipidstoffwechsel sowie der Organe und Organsysteme
- Untersuchungsmethoden der experimentellen Tumorbiologie und Biogerontologie
- Tierexperimentelle Forschungstechniken
- Untersuchung zur Aufklärung altersbedingter funktioneller Veränderungen
Modul 4: Molekulare und zelluläre Physiologie
- Molekulare und zelluläre Physiologie (einschließlich Biochemie, Molekular- und Zellbiologie) sämtlicher Organe und Organsysteme sowie deren Anatomie und Histologie
- Reaktionen und Anpassungsmechanismen des Organismus bei:
- Entwicklung/Wachstum/Alter
- Wachzustand/Schlaf
- Fortpflanzung
- Arbeit und Leistung
- unterschiedliche (äußere) Bedingungen und Erfordernisse (z. B. Hunger, Hitze, Kälte, Tauchen, Höhe, Schwerelosigkeit)
- Physikalische Untersuchungsmethoden der Herz-/Kreislauf- und Lungenfunktion sowie Interpretation der Ergebnisse
- Chemische, histologische, immunologische und zellbiologische Untersuchungsmethoden
Modul 5: Neurophysiologie
- Neuro- und Sinnesphysiologie (einschließlich Biochemie, Molekular- und Zellbiologie) sowie Anatomie und Histologie des zentralen und peripheren Nervensystems und der Sinnesorgane
- Funktionelle Untersuchungsmethoden für einzelne Organe bzw. Organsysteme
- Untersuchungsmethoden der Neurophysiologie, Sinnesorgane und Muskulatur sowie Interpretation der Ergebnisse
Modul 6: Experimentelle Physiologie
- Physiologie (einschließlich Biochemie, Molekular- und Zellbiologie) sämtlicher Organe und Organsysteme sowie deren Anatomie und Histologie (soweit für das Verständnis der Physiologie und die Durchführung physiologischer Experimente erforderlich)
- Funktionelle Untersuchungsmethoden für einzelne Organe bzw. Organsysteme
- Histologische, chemische, biochemische, molekular -und zellbiologische Untersuchungsmethoden sowie Interpretation der Ergebnisse
- Tiermodelle und tierexperimentelle Techniken
Das wissenschaftliche Modul dient der Vorbereitung auf eine Tätigkeit in Forschung und Lehre. Es umfasst Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens, wissenschaftliches Studien-Design, statistische Analyse- und Auswertungsmethodik, wissenschaftstheoretische und wissenschaftsethische Themen.
Facharztprüfung Physiologie und Pathophysiologie
Die Weiterbildung zum Facharzt schließt mit einer Prüfung ab. Im Sonderfach Physiologie und Pathophysiologie erfolgt diese in mündlich strukturierter Form, das bedeutet, Fragen und erwartete Antworten werden im Vorhinein festgelegt und für alle Kandidaten nach gleichem Gewichtungsschlüssel ausgewertet.
Die Prüflinge beantworten Fragen zu acht Fallvignetten. Abgefragt wird dabei nicht Lehrbuchwissen, vielmehr sollen die Kandidaten ihre Kompetenz zur selbständigen Beurteilung und Behandlung relevanter Fälle unter Beweis stellen. Das Prüfungsergebnis wird den Kandidaten direkt im Anschluss an die Prüfung mündlich mitgeteilt.
Facharzt für Physiologie und Pathophysiologie – Gehalt
Das durchschnittliche Einstiegsgehalt für Fachärzte liegt in Österreich bei 3.690 bis 4.840 Euro brutto im Monat. Der tatsächliche Verdienst hängt jedoch davon ab, bei welchem Arbeitgeber Fachärzte tätig werden, in welcher Region sie arbeiten und über wie viel Berufserfahrung sie verfügen.
Ein bundesweit einheitlicher Kollektivvertrag gilt lediglich an den Ordensspitälern. Das Einstiegsgehalt für Fachärzte liegt hier bei rund 47.583 brutto im Jahr. Das Gehalt an öffentlichen Spitälern variiert stark nach Region, das durchschnittliche Einstiegsgehalt beträgt pro Jahr rund 50.000 Euro brutto, an den Universitätskliniken liegt es bei etwa 54.478 Euro brutto. Zu beachten ist, dass einige kommunale Regelungen das Gehalt inklusive Zulagen angeben, andere weisen nur das Grundgehalt aus. Zulagen für Nacht- und Wochenenddienste, Gefahrendienste und weiteres steigern das Grundgehalt um bis zu zehn Prozent.
Jobs als Facharzt für Physiologie und Pathophysiologie
Physiologen arbeiten vorwiegend in der medizinischen Wissenschaft und sind zum Beispiel an Universitätskliniken tätig. Dort kümmern sie sich nicht nur um Patienten, sondern forschen aktiv zu physiologischen und pathophysiologischen Fragenstellungen und bilden den medizinischen Nachwuchs aus. Alternativ können sie sich rein auf die Wissenschaft konzentrieren und etwa in Forschungslaboren arbeiten oder sie gehen in die Lehre und unterrichten an Universitäten.
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