Fachärzte für Anatomie befassen sich mit dem normalen Bau des menschlichen Körpers und den Zusammenhängen zwischen Zellen, Geweben, Organen und Skelett. Sie sind Experten für den Organismus und das Zusammenspiel seiner einzelnen Bestandteile.
Inhaltsverzeichnis
Wer als Facharzt für Anatomie tätig werden möchte, muss nach Abschluss der Basisausbildung eine fachmedizinische Weiterbildung absolvieren. Hier gibt es Informationen zu Dauer, Gliederung und Inhalt der Facharztausbildung.
Facharzt für Anatomie – Tätigkeiten und Zuständigkeitsgebiet
Die Anatomie ist die Wissenschaft vom Aufbau des menschlichen Körpers, seiner Knochen, Muskeln und Organe. Der Begriff stammt vom griechischen “anatemnein”, was so viel trennen oder zerschneiden bedeutet. Die Bezeichnung rührt von der Tatsache her, dass Kenntnisse im Fachbereich der Anatomie auf der Sektion von Leichen basiert.
Ein Facharzt für Anatomie befasst sich mit der Lehre und Forschung vom Aufbau und Zustand des menschlichen Körpers, einschließlich systematisch topographisch-funktioneller Aspekte. Das Fachgebiet beschäftigt sich in der Medizin mit der Frage, wie Zellen, Gewebe, Organe, Gelenke und Skelett zusammenspielen.
In der Praxis sind Fachärzte für Anatomie häufig in der Wissenschaft tätig. Im Labor züchten sie zum Beispiel Gewebestrukturen heran, um Erkenntnisse über gesundes und krankhaft verändertes Körpergewebe zu erlangen. Sie führen biomechanische und funktionelle Untersuchungen an den Gewebeabschnitten durch und beschäftigen sich mit der experimentellen Zytologie. Im Bereich der Embryologie erforschen sie die Entwicklung befruchteter Eizellen zum Embryonen. Je nach gewähltem Schwerpunkt kann auch das Anfertigen medizinischer Präparate zu ihrem Aufgabengebiet gehören. So plastinieren sie zum Beispiel Organe, die als Anschauungsmaterial zu Studienzwecken oder in anatomischen Sammlungen dienen. Als Hilfsmittel für anatomische Untersuchungen kommen unter anderem Röntgengeräte sowie Computer- und Kernspintomogramme zum Einsatz, die feinste anatomische Strukturen und Funktionsabläufe erkennbar machen.
Zusätzlich zur praktischen Tätigkeit gehören auch organisatorische und administrative Aufgaben zum Arbeitsalltag der Fachärzte. Sie sind zum Beispiel für den reibungslosen Ablauf des Laborbetriebs verantwortlich. Darüber hinaus verfassen sie Befundgutachten und Berichte für ihre Kollegen in anderen Fachgebieten der Medizin.
Facharztausbildung Anatomie – Die Weiterbildung im Überblick
Bevor Mediziner in Österreich als Facharzt für Anatomie tätig werden dürfen, müssen sie zunächst eine einschlägige Weiterbildung absolvieren. Die Facharztausbildung im Sonderfach Anatomie nimmt mindestens 72 Monate in Anspruch und schließt mit der Facharztprüfung ab.
Ziele
Die fachärztliche Weiterbildung verfolgt das Ziel, die Absolventen für die selbständige Ausübung einer medizinischen Tätigkeit im Bereich ihres Sonderfachs zu qualifizieren. Im Sonderfach Anatomie bedeutet dies, dass sich die angehenden Fachärzte mit dem Aufbau und Aussehen des menschlichen Organismus sowie dem Zusammenspiel seiner Bestandteile auseinandersetzen. Darüber hinaus erwerben sie die kommunikativen Fähigkeiten, die sie für eine gewissenhafte Betreuung von Patienten unabhängig von Geschlecht und Alter benötigen. Weiterhin soll die Ausbildung fachspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten in den Bereichen Geriatrie, Suchttherapie, Schmerztherapie und Palliativmedizin vermitteln.
Dauer und Gliederung
Voraussetzung für die Facharztausbildung im Sonderfach Anatomie ist eine erfolgreich abgeschlossene Basisausbildung. Dort erwerben die Mediziner erste anatomische Kenntnisse, die sie während der Weiterbildung vertiefen. Die Grundlagen zur Ausbildung zum Facharzt sind in der Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung von 2015 (ÄAO 2015) definiert.
Die Facharztausbildung gliedert sich in zwei große Abschnitte:
- 45 Monate Sonderfach-Grundausbildung
- 27 Monate Sonderfach-Schwerpunktausbildung
Die Sonderfach-Schwerpunktausbildung setzt sich aus sechs fachspezifischen und einem wissenschaftlichen Modul zusammen, aus dem die Auszubildenden drei auswählen können. Die fachärztliche Ausbildung folgt einem Ausbildungsplan, der von den Trägern der jeweiligen Ausbildungsstätte erstellt und den Turnusärzten vorgelegt wird. Abweichungen vom Ausbildungsplan sind nur in begründeten Fällen erlaubt. Als Erfolgsnachweis für abgeschlossene Ausbildungsabschnitte dienen Rasterzeugnisse.
Inhalte
Während der 45 Monate dauernden Sonderfach-Grundausbildung gewinnen die angehenden Fachärzte grundlegende anatomische Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten. Neben theoretischen Unterrichtseinheiten gehören dazu auch praktische Kurse, in denen die Turnusärzte unter anderem anatomische Präparationstechniken erlernen. Weiterhin stehen Grundlagen der Dokumentation und Qualitätssicherung, einschlägige Rechtsvorschriften für Mediziner sowie gesundheitsökonomische und ethische Themen auf dem Lehrplan.
Sonderfach-Grundausbildung
- Allgemeine Anatomie, Grundlagen der Zell- und Gewebelehre sowie Grundlagen der allgemeinen Embryologie und Entwicklungsbiologie
- Terminologie der Anatomie und Embryologie
- Systematische Anatomie aller Organe und Organsysteme unter Berücksichtigung der klinisch relevanten Normvarianten
- Topographische Anatomie
- Klinische und funktionelle Anatomie unter besonderer Berücksichtigung der chirurgischen, interventionellen und bildgebenden Verfahren
- Lebensaltersbezogene Veränderungen und geschlechtsspezifische Unterschiede in der Morphologie des Menschen
- Sektionslehre und Präparierkunde
- Logistik, Konservierung und Aufbewahrung von Leichen und anatomischen Präparaten
- Allgemeine und spezielle makroskopisch-anatomische Techniken
- Herstellung, Montage und Pflege von anatomischen Sammlungspräparaten
- Morphometrie, Bildanalyse und -dokumentation, digitale Datengenerierung
- Grundlegende histologische Techniken
- Arbeitsbedingte Gefährdungen und Erkrankungen
- Information von und Kommunikation mit potenziellen Körperspendern und deren Angehörigen über rechtliche und organisatorische Zusammenhänge
- Einschlägige Rechtsvorschriften und besondere Berücksichtigung ethischer Aspekte hinsichtlich des Leichen- und Bestattungswesens sowie der entsprechenden Hygienevorschriften
- Maßnahmen der Qualitätssicherung und des Risikomanagements
- Einschlägige Rechtsvorschriften für die Ausübung des ärztlichen Berufes, insbesondere betreffend das Sozial-, Fürsorge- und Gesundheitswesen, einschließlich entsprechender Institutionenkunde des österreichischen Gesundheitswesens und des Sozialversicherungssystems
- Grundlagen der Dokumentation und Arzthaftung
- Gesundheitsökonomische Auswirkungen ärztlichen Handelns
- Ethik ärztlichen Handelns
- Durchführung und Organisation von Präparierkursen im Grund- und Aufbaustudium
- Durchführung und Organisation von Kursen in der postgraduellen Weiterbildung
- Durchführung und Organisation von Kursen zur Aus- und Weiterbildung studentischer Mitarbeiter
- Anatomische Leichenbeschau inklusive Feststellung der fachspezifischen Eignung für Forschung und Lehre
- Information und Kommunikation mit potenziellen Körperspendern und deren Angehörigen über rechtliche und organisatorische Zusammenhänge
- Fachspezifische Qualitätssicherung und Dokumentation
Sonderfach-Schwerpunktausbildung
In der Sonderfach-Schwerpunktausbildung vertiefen die angehenden Fachärzte ihre Kenntnisse und wählen dabei aus sieben Modulen drei Schwerpunkte für die spätere Berufsausübung aus.
Modul 1: Gewebelehre und histologische Techniken
- Histologie und mikroskopische Anatomie:
- Struktur und Funktion der Gewebe, Organe und Funktionssysteme des Menschen
- Histologische Diagnostik:
- Gewebs- und Organdiagnostik
- zytologische Diagnostik
- Embryologie:
- vorgeburtliche Entwicklung des Menschen
- Grundlagen der klinischen Embryologie
- Histologische Untersuchungsmethoden und Mikroskopie:
- Grundkenntnisse über Gewebsentnahme und Standardpräparationsmethoden für Licht- und Elektronenmikroskopie
- chemische und physikalische Fixierung, Einbettung, Schnittherstellung und Färbung/Kontrastierung
- Artefaktbildung und Artefaktvermeidung
- Mikroskopische Techniken für die Lichtmikroskopie und den Ultrastrukturbereich:
- Grundlagen der Optik und Mikroskopie
- lichtmikroskopische Verfahren
- Transmissions- und Rasterelektronenmikroskopie
- Standardpräparationsmethoden für Licht- und Elektronenmikrokopi
- Kryotechnologien
- Färbemethoden:
- Standardfärbungen
- spezielle diagnostische Methoden
- Biochemische und molekularbiologische Standardmethoden der Zellbiologie
- Diagnostik und Differenzialdiagnostik aller am Bau des menschlichen Organismus beteiligten Gewebe, Organe und Organsysteme anhand histologischer Präparate für Licht- und Elektronenmikroskopie
- Materialgewinnung für morphologische, biochemische und molekularbiologische Untersuchungen
- Zell- und Gewebspräparation für morphologische, biochemische und molekularbiologische Untersuchungen und deren Durchführung
Modul 2: Aktiver und passiver Bewegungsapparat und Topographie der peripheren Nerven
- Skelettsystem und Gelenkmechanik
- Muskelmechanik und ihre klinische Relevanz
- Topographische Anatomie der Leitungsbahnen des Bewegungsapparates
- Aufsuchung und klinische Zugangswege
- Klinisch relevante Normvarianten
- Anatomische Grundlagen der Interpretation und Umsetzung klinisch bildgebender Verfahren
- Fehlfunktionen im Bewegungsapparat
Modul 3: Eingeweidesystematik und Topographie
- Systematische Anatomie der Eingeweide
- Topographische Kenntnisse der Eingeweide
- Leitungsbahnen der Eingeweide und deren Normvarianten
- Anatomische Grundlagen der Interpretation und Umsetzung klinisch bildgebender Verfahren
- Erkennen morphologischer Fehlbildungen
Modul 4: Kopf-Hals
- Schädel, Halsskelett sowie deren Knochenverbindungen
- Weichteilkonzept des Gesichtsschädels und des Halses
- Topographische Ordnungsprinzipien der Gesichtsregion, des cranio-cervikalen und cerviko-thorakalen Überganges
- Spezielle klinisch relevante Morphologie des Seh-, Riech-, Hör-, Gleichgewichts- und Geschmacksapparates
- Spezielle Morphologie zur Phonation und Artikulation
- Anatomische Grundlagen der Interpretation und Umsetzung bildgebender Verfahren
- Erkennen von Fehlbildungen der Gesichts- und Halsentwicklung
Modul 5: Herz-Kreislaufsystem
- Herz-Kreislaufsystem und Herzsystematik
- Herzentwicklung und wesentliche Fehlbildungen
- Topographische Anatomie des Herzbeutels und des Herzens
- Gefäßvariationen
- Lymphatisches System
- Anatomische Grundlagen der Interpretation und Umsetzung bildgebender Verfahren
- Anatomisches Basiswissen zur Umsetzung der Angiographie und angiographischer Darstellungen
Modul 6: Nervensystem
- ZNS, VNS, PNS und deren Entwicklung
- Hierarchische und evolutionsbiologische Gliederung des Gehirns
- Systematik und Topographie peripherer und vegetativer Leitungsbahnen sowie sämtlicher zentraler makroskopischer Verschaltungen
- Spezielle Anatomie der Gefäßversorgung des ZNS
- Verknüpfende Strukturen der Sinnesorgane
- Anatomische Grundlagen der Interpretation und Umsetzung bildgebender Verfahren
- Fachspezifische Interpretation von Angiographie
Wissenschaftliches Modul
Das wissenschaftliche Modul dient der Vorbereitung für eine Tätigkeit in Forschung und Lehre. Es werden in diesem Modul Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens, wissenschaftliches Studien-Design, statistische Analyse- und Auswertungsmethodik, wissenschaftstheoretische und wissenschaftsethische Themen gelehrt.
Facharztprüfung Anatomie
Zum Abschluss der medizinischen Weiterbildung erfolgt die Facharztprüfung. Im Sonderfach Anatomie findet diese in strukturiert mündlicher Form statt. Das bedeutet, sowohl die Prüfungsfragen als auch die erwarteten Antworten werden im Vorhinein festgelegt. Dieses Vorgehen soll eine objektive Beurteilung der Kandidaten ermöglichen.
Die Prüflinge beantworten Fragen zu acht Fallvignetten, inklusive Unterfragen zu wichtigen Schlüsselkompetenzen aus ihrem Fachbereich. Zwei bis drei Prüfer nehmen die Befragung und Beurteilung vor. Die Prüfung dauert etwa ein bis anderthalb Stunden. Um die Prüfung zu bestehen, müssen die Kandidaten in sechs von acht Fallbeispielen eine positive Beurteilung erhalten. Das ist der Fall, wenn pro Fallbeispiel 75 Prozent der möglichen Gesamtpunkte erreicht werden. Das Ergebnis wird den Prüflingen nach Möglichkeit direkt im Anschluss mündlich mitgeteilt, spätestens aber erhalten sie es acht Wochen nach Prüfungstermin in schriftlicher Form.
Facharzt für Anatomie – Gehalt
Wie viel ein Facharzt für Anatomie verdient, richtet sich in Österreich unter anderem nach dem Träger des Arbeitgebers und der Region. Ein bundesweit einheitlicher Kollektivvertrag gilt lediglich an den Ordensspitälern. Dort verdienen Fachärzte abhängig von ihrer Berufserfahrung zwischen rund 4.900 und 7.200 Euro brutto im Monat.
Bei den Gehältern an öffentlichen Spitälern und Universitätskliniken gibt es große regionale Unterschiede. Das Einstiegsgehalt liegt im Durchschnitt bei 2.730 bis 4.840 Euro brutto im Monat. An Universitätskliniken verdienen Fachärzte für gewöhnlich ein wenig mehr als an öffentlichen Spitälern. Hinzu kommen Zulagen für Nacht- und Wochenenddienste, Gefahrenzulagen, Überstundenvergütung sowie Operations- und Assistenzarztzulagen. Zulagen können das Gehalt um bis zu zehn Prozent steigern.
Jobs als Facharzt für Anatomie
Fachärzte für Anatomie arbeiten nicht nur in Krankenhäusern. Sie arbeiten auch an anatomischen Instituten oder sind in der medizinischen Forschung und Lehre tätig. An Universitäten bilden sie den medizinischen Nachwuchs aus, in Forschungslaboren gewinnen sie wichtige Erkenntnisse über den menschlichen Körper.
praktischArzt ist die große Jobbörse für Ärzte in Österreich. In der Stellensuche sind täglich zahlreiche Stellenangebote in allen Facharztrichtungen für Assistenzarzt, Facharzt, Oberarzt und Chefarzt gelistet.
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