Mit der Neugestaltung des Ärztegesetzes wurde in Österreich die Möglichkeit geschaffen, dass Ordinationen oder Gruppenpraxen Ärzte anstellen dürfen. Zuvor war dies nur in einer Krankenanstalt möglich. Durch die Neuregelung soll dem Ärztemangel vor allem im ländlichen Bereich entgegengewirkt werden. Jungen Kollegen wird dadurch außerdem der Einstieg in die Niederlassung erleichtert, da sie schrittweise auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleitet werden. Darüber hinaus wird der Arztberuf familienfreundlicher und flexibler in Bezug auf das Arbeitszeitmanagement. Mit der Neuregelung ergeben sich aber auch viele Fragen bezogen auf die arbeits- und kassenrechtlichen Vorgaben. Einen Überblick hierzu soll der folgende Beitrag geben.
Inhaltsverzeichnis
Ärzte anstellen – Arbeitsrechtliche Vorgaben
Die arbeitsrechtlichen Vorgaben spielen eine große Rolle bei der Anstellung von Ärztinnen und Ärzten. Denn obwohl die Möglichkeiten gesetzlich erweitert wurden, gibt es klare Vorgaben und Grenzen für die Beschäftigung von Ärzten in einer Arztpraxis.
Allgemeine Grundlagen
Eine Anstellung von Ärzten ist nur dann möglich, wenn es entsprechende freie Stellen auch im kassenvertraglichen Stellenplan gibt. Außerdem darf der angestellte Arzt das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der notwendige Ausbildungsabschluss und der Eintrag in die österreichische Ärzteliste muss vorliegen. Der ursprüngliche Ordinationsleiter ist weiterhin dazu verpflichtet, seinen Beruf persönlich auszuüben. Ein angestellter Arzt darf also nicht als Platzhalter fungieren. Allerdings ist es möglich ein Job-Sharing-Modell einzuführen, und somit ohne Verlust der Vertragsarztstelle trotzdem selbst kürzer zu treten.
Welcher Fachrichtung darf der angestellte Arzt angehören?
Eine wichtige Bedingung für die Anstellung von Ärzten bei anderen Ärzten ist die Fachgleichheit. Das heißt, dass beispielsweise Fachärzte der Allgemeinmedizin nur andere Allgemeinmediziner aber keine Ärzte anderer Fachrichtungen anstellen darf. Gleiches gilt für alle anderen Fachgebiete auch. Orthopäden beschäftigen also ausschließlich Orthopäden, Hautärzte beschäftigen nur Hautärzte usw..
Anstellungsmöglichkeiten nach Umfang
Die Beschäftigung von Ärzten bei anderen Ärzten hat personelle Obergrenzen. Diese unterscheiden sich abhängig davon, ob es sich um eine Einzel- oder Gruppenpraxis handelt. Dabei gilt, dass maximal zwei Ärzte pro Vollzeitäquivalent beschäftigt werden dürfen, wenn es sich um eine Ordination handelt. Ein Vollzeitäquivalent entspricht dabei 40 Wochenarbeitsstunden. Die beiden Ärzte dürfen also gemeinsam nicht mehr als 40 Wochenarbeitsstunden arbeiten. In Gruppenpraxen erhöht sich der Umfang auf maximal zwei Vollzeitäquivalente. Dabei spielt es allerdings keine Rolle, wie viele Gesellschafter sich die Gruppenpraxis teilen. Zwei Vollzeitäquivalente entsprechen 80 Wochenarbeitsstunden und dürfen unter höchstens vier Ärzten aufgeteilt werden.
Anstellungsarten
Je nach Bedarf und Verfügbarkeit sind mehrere Möglichkeiten zur Anstellung wählbar. Eine Stelle kann entweder gemeinsam abgedeckt werden oder um je eine halbe, beziehungsweise eine ganze Stelle aufgestockt werden. Je nach gewählter Option können sich Auswirkungen auf die Öffnungszeiten der Praxis oder das Honorar ergeben. Durch die gemeinsame Abdeckung einer „ganzen“ Vetragsarztstelle wurde die Möglichkeit zum Job-Sharing geschaffen. Somit kann der bisherige Stelleninhaber verkürzt arbeiten ohne dabei die Zulassung als Kassenarzt zu verlieren. Darüber hinaus können halbe oder ganze Stellen ergänzt werden.
Wer haftet im Fall einer Anstellung von Ärzten?
Wenn es in Spitalen zu Behandlungsfehlern kommt, haftet in der Regel nicht der angestellte Arzt selbst, sondern das Krankenhaus. In einer Einzelpraxis haftete im Zweifelsfall in der Vergangenheit ebenfalls der Chef beziehungsweise der Ordinationsleiter. Dies wurde allerdings geändert. Mit der neuen Regelung haftet der angestellte Arzt für Behandlungsfehler selbst. Somit steigt das Haftungsrisiko im ambulanten Bereich für die Praxisleiter nicht an, wenn sie Ärzte anstellen.
Welche Voraussetzungen gelten für die Anstellung von Ärztinnen und Ärzten?
Um einen Arzt anstellen zu dürfen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss die geplante Anstellung bei der Sozialversicherung beantragt werden. Das Antragsformular ist in jedem Fall nötig und muss als erstes bei der zuständigen Ärztekammer eingereicht werden. Nach Prüfung der Unterlagen durch die Ärztekammer erfolgt die Weitergabe an die Gesundheitskasse. Haben weder die Ärztekammer noch die Gesundheitskasse Einwände, erfolgt die schriftliche Genehmigung. Erst wenn diese vorliegt, darf das Anstellungsverhältnis zustande kommen. In der Regel ist dieser Antrag mindestens drei Monate vor dem geplanten Beschäftigungsbeginn einzureichen. Das Anstellungsverhältnis darf immer nur zum Quartalswechsel beginnen, was bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung unbedingt berücksichtigt werden sollte.
Ärzte anstellen – Kassenrechtliche Vorgaben
Neben den arbeitsrechtlichen Bedingungen, spielen auch die kassenrechtlichen Vorgaben eine entscheidende Rolle, da die erbrachten medizinischen Leistungen ja mit der Gesundheitskasse abgerechnet werden.
Honorarsummenmesspunkt
Der Honorarsummenmesspunkt ist ein wichtiger Faktor. Je nachdem, ob eine Stelle gemeinsam abgedeckt werden soll, oder eine Aufstockung erfolgt, ändert sich der Honorarsummenmesspunkt. Er ermittelt sich aus dem durchschnittlichen Honorar der letzten vier Quartale, das der Vertragsarzt erzielt hat, bevor die Anstellung beginnen soll. Liegt dieses Honorar allerdings unter dem Fachgruppendurchschnitt, wird stattdessen dieser als Honorarsummenmesspunkt zugrunde gelegt. Für Allgemeinmediziner und Pädiater werden erhöhte Werte herangezogen, da es sich hierbei um Mangelfächer handelt. Beim Überschreiten der Messpunkte greift dann eine Degression bei der Abrechnung.
Ordinations-Öffnungszeiten
Beim Job-Sharing und der Aufstockung um nur eine halbe Stelle ergeben sich keine Auswirkungen auf die Praxisöffnungszeiten. Wird jedoch um eine ganze Stelle aufgestockt, müssen auch die Ordinationszeiten angepasst werden. Dabei erhöhen sich die Mindestöffnungzeiten pro ganzer zusätzlicher Stelle um fünf Stunden pro Woche.
Allgemeines
Vertragsärzten wird eine neue Vertragspartnernummer zugeteilt. Kassenvertragsinhaber bleibt aber der Inhaber der Einzel- oder Gruppenpraxis. Lediglich zwischen Inhaber und angestelltem Arzt wird ein Dienstvertrag geschlossen. Da den Patienten weiterhin die freie Arztwahl ermöglicht werden muss, müssen die Sprechzeiten des angestellten Arztes bekannt gemacht werden.
Beendigung der Anstellung
Wie jedes Beschäftigungsverhältnis, dürfen auch Anstellungen von Ärztinnen und Ärzten gemäß der individuellen Regelungen im Dienstvertrag beendet werden. Erfolgt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Vertragsarzt oder die Praxisleitung, ist dies gegenüber der Ärztekammer und der Kasse bekanntzugeben. Anders herum gelten strenge Fristen. Die Sozialversicherung kann eine unbefristet zugesicherte Stelle frühestens nach Ablauf von drei Jahren beenden. Diese Kündigung muss mit sechsmonatiger Frist zum Jahresende und im Einvernehmen zwischen Ärztekammer und Sozialversicherungsträger stattfinden.
Was ist der Unterschied zwischen Anstellung und Vertretung?
Es kam in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen mit der Steuer, wenn Ordinationen oder Gruppenpraxen Vertretungsärzte beschäftigt haben. Oft wurde die Vertretung auf Seiten der Kasse oder des Finanzamtes dann nämlich als echte Anstellung gewertet. Daraus ergaben sich teilweise hohe Nachzahlungen für die Ordinationsinhaber, denen dann auch oft Rechtsstreitigkeiten folgten. Im neuen Gesetz wurde dazu Abhilfe geschaffen. Die Anstellung wird nun nämlich genau von der Vertretung abgegrenzt. Das Ärztegesetz definiert inzwischen die Vertretung als freiberufliche Tätigkeit. Einkünfte hieraus werden dann auch entsprechend steuerlich gehandhabt. Ein Anstellungsverhältnis liegt demzufolge erst dann vor, wenn der Ordinationsleiter und der angestellte Arzt gleichzeitig in der Praxis tätig sind.
Welche Auswirkungen hat eine Anstellung auf das Gehalt?
Teilweise gibt es für Anstellungen in Österreich bereits Kollektivverträge. Diese enthalten konkrete Vereinbarungen zu den Arbeitszeiten, der Überstundenregelung und dem Mindestgehalt. In Einzel- oder Gruppenpraxen angestellte Mediziner verdienen oft deutlich schlechter als die Kollegen im Krankenhaus. Dabei schneiden Allgemeinmediziner in der Regel am schlechtesten ab. Sie können mit einem Gehalt zwischen 40.000 Euro bis 50.000 Euro im Jahr rechnen. Fachärzte werden etwas besser bezahlt und verdienen pro Jahr zwischen 50.000 Euro und 60.000 Euro. Die Anstellung ist häufig finanziell nicht sonderlich attraktiv. Vielmehr schafft sie zum Einen die Möglichkeit die Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Zum anderen nutzen viele vor allem junge Kollegen die Anstellung in einer Ordination, um auf dem Weg zur eigenen Praxis Erfahrungen zu sammeln.
Zusammenfassung
Hier noch einmal die wichtigsten Punkte im Überblick:
- Nur Ärzte desselben Fachgebiets dürfen angestellt werden
- Maximal 2 Ärzte pro Vollzeitäquivalent. Ein Vollzeitäquivalent entspricht 40 Wochenstunden.
- Ordinationen dürfen um maximal ein Vollzeitäquivalent erweitern, Gruppenpraxen um maximal zwei Vollzeitäquivalente.
- Ordinationsleiter sind weiterhin zur persönlichen Berufsausübung verpflichtet.
- Die freie Arztwahl muss sichergestellt werden.
- Bei Erweiterung um eine volle Stelle müssen die Öffnungszeiten angepasst werden.
- Turnusärzte dürfen weiterhin unabhängig von dieser Regelung beschäftigt werden.
Fazit
Die Anstellung in einer Ordination hat Vor- und Nachteile. Einerseits schafft sie die Gelegenheit Erfahrungen in einer Praxis zu sammeln, ohne selbst verantwortlich zu sein. Außerdem ist dadurch sowohl für die Praxisleiter, als auch die anstellten Ärzte eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten gegeben. Nachteilig ist das vergleichsweise niedrige Gehalt. Die Gesundheitspolitik erhofft sich mit dieser Lösung ein Abpuffern des Ärztemangels vor allem im ländlichen Bereich.