In Österreich herrscht ein akutes Defizit an Maßnahmen zur Gesundheitsvorbeugung und es ist dringend notwendig gegenzusteuern. Darauf hat kürzlich die Österreichische Ärztekammer aufmerksam gemacht. Sie fordert nachhaltig mehr Anstrengungen bei der Prävention – eine Investition, die nicht nur Leben verlängert, sondern sich auch kostenmäßig rechnet.
Die Mediziner/innen bemängeln, dass jährlich nur zwei bis drei Prozent der Gesundheitsausgaben in der Alpenrepublik in die Vorbeugung fließen. Diese Quote stagniere seit Jahren, während die Folgekosten unzureichender Prävention sich dynamisch nach oben entwickelten. Davon abgesehen machten sich gesunder Lebenswandel und regelmäßige Vorsorge auch in der persönlichen Gesundheitsbilanz bezahlt. Bis zu 20 geschenkte Lebensjahre seien möglich, so der Ernährungsmediziner Kurt Widham bei der Ärztekammer-Pressekonferenz.
Viel Sorglosigkeit und Fehlverhalten – wenige Best-Practice-Beispiele
Was ein gesunder Lebensstil und Vorsorge bewirken können, erklärte Paul Sevelda, Gynäkologe und Präsident der Österreichischen Krebshilfe, am Beispiel Krebs. Rund 30 bis 50 Prozent der Krebserkrankungen könnten durch Vorbeugung und Vorsorge vermieden werden. Oft fehle es nicht am Willen der Verantwortlichen, sondern an Beratung und Aufklärung. So sei die Teilnahme an Mammographien zur Brustkrebsfrüherkennung mit nur 50 Prozent immer noch viel zu niedrig, um die Sterblichkeit deutlich zu senken.
Aber Krebs ist keineswegs der einzige Bereich, bei dem sich mit Vorbeugung viel erreichen lässt. Viele Erkrankungen hängen mit falscher Ernährung und Bewegungsmangel zusammen – typischen Erscheinungen unserer modernen Zivilisation, die keineswegs nur in Österreich festzustellen sind. In den OECD-Staaten entfallen bereits acht Prozent der Gesundheitsausgaben auf Krankheiten durch Fehlernährung. Mit einer Ernährungsumstellung, bewusstem Gesundheitsverhalten und regelmäßigem Sport lässt sich schon viel erreichen. Best-Practice-Beispiele gibt es in Österreich:
- EDDY ist ein Pilotprojekt und erfolgreiches Präventionsprogramm des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Kinder einer Wiener Volksschule erhalten regelmäßig Ernährungsschulung und Sporttraining durch Experten/-innen des Sportmedizin-Instituts der Universität Wien. Bereits nach einem Jahr haben sich signifikante Erfolge gezeigt. Die Zahl der übergewichtigen Kinder ging deutlich zurück und die körperliche Leistungsfähigkeit verbesserte sich im Schnitt.
- Eine große österreichische Bank motivierte ihre Belegschaft, ihre Cholesterin-Werte bestimmen zu lassen. Von den rund 300 teilnehmenden Beschäftigten wiesen 70 Prozent überhöhte Werte auf, davon waren wiederum 90 Prozent familiär vorbelastet – in der Familiengeschichte hatte es mindestens einen Herzinfarkt und/oder Schlaganfall gegeben. Das Wissen um ein erhöhtes Risiko ist oft der erste Schritt, um gesundheitsschädliche Gewohnheiten zu ändern und stärker auf Risikofaktoren zu achten.
Paradigmenwechsel in der Vorbeugung gefordert
Aber wenige gute Beispiele reichen nicht – denn sie sind mehr die Ausnahme als die Regel. Harald Schlögel, geschäftsführender Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, mahnte denn auch in der Pressekonferenz einen Paradigmenwechsel in der Vorbeugung an. So wie bisher dürfe es nicht weitergehen. Dabei seien auch die Krankenkassen in der Pflicht. Es sei zum Beispiel nicht zu verstehen, warum die Kassen sich weigerten, die Kosten für Medikamente zur Behandlung von Adipositas zu übernehmen, gleichzeitig aber operative Eingriffe beim Überschreiten bestimmter BMI-Werte bezahlten. Dabei sei es viel sinnvoller, Operationsbedarf erst gar nicht entstehen zu lassen.
Resolution für Gesundheitsversorgung der Zukunft
Die Ärztekammer hat das Thema auch in ihrer im Juni dieses Jahres vorgestellten Resolution: „Für die Gesundheitsversorgung der Zukunft“ aufgegriffen. Prävention und Vorsorge stehen in dem Papier an erster Stelle. Notwendig sind danach:
- mehr Information und Aufklärung der Bevölkerung über den Wert der Vorbeugung;
- die Schaffung eines Anreizsystems für Vorsorgemaßnahmen mittels Boni;
- ein massiver Ausbau der Präventionsmedizin und Gesundheitsförderung durch entsprechende Investitionen.
Als dringliche Maßnahmen fordert die Resolution u.a. die hundertprozentige Finanzierung von Impf- und Vorsorgeprogrammen durch das Gesundheitssystem, eine zertifizierte Gesundheits-App, systematische Gesundheitspädagogik in Kindergärten und Schulen sowie einen höheren Stellenwert von Maßnahmen für psychosoziale Gesundheit und Suizid-Vorbeugung. Wie sich Prävention rechnet, machte der bereits erwähnte Ernährungsmediziner Widham anhand eines plastischen Zahlenbeispiels deutlich: einem Euro, der heute in Prävention investiert würde, stünden sechs Euro „Return“ durch niedrigere Behandlungskosten in der Zukunft gegenüber. Fazit: Vorbeugung ist ein Gewinn für die persönliche Gesundheit und für das Gesundheitssystem.