Unter der Bezeichnung Long-Covid werden die gesundheitlichen Langzeitfolgen einer Infektion mit dem Coronavirus zusammengefasst. Zu den typischen Symptomen gehören Atembeschwerden, Erschöpfung und verminderte Leistungsfähigkeit. Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) warnt nun, dass das Krankenkassensystem nicht ausreichend auf die Behandlung von COVID-Langzeitfolgen vorbereitet ist. Um der Herausforderung fürs Gesundheitssystem gerecht zu werden, seien Änderungen am Leistungskatalog der Krankenkassen notwendig.
Die Langzeitfolgen einer Coronavirus-Erkrankung
Nicht bei jedem Betroffenen klingt eine COVID19-Erkrankung nach der Behandlung komplett ab. Mediziner unterscheiden drei mögliche Verlaufsformen: Bei der akuten COVID-19-Erkrankung zeigen sich Symptome bis maximal vier Wochen nach Krankheitsbeginn. Bleiben die Symptome darüber hinaus bestehen oder kommen neue Symptome hinzu, spricht man von einer anhaltenden COVID-19-Erkrankung. Liegen zwölf Wochen nach Krankheitsbeginn weiterhin Beschwerden vor, wird dies als Post-COVID-Syndrom bezeichnet. Der Begriff Long-Covid fasst die gesundheitlichen Langzeitfolgen der anhaltenden COVID-19-Erkrankung und des Post-COVID-Syndroms zusammen.
Diese Langzeitfolgen können jeden COVID-19-Patienten treffen. Bei einem schweren Krankheitsverlauf scheint das Risiko langfristiger Beschwerden etwas höher zu sein, allerdings zeigen auch Patienten mit milden Verläufen länger als vier Wochen anhaltende Symptome. Auch das Krankheitsbild fällt nicht einheitlich aus. Zu den häufigsten Anzeichen einer anhaltenden COVID-19-Erkrankung bzw. eines Post-COVID-Syndroms gehören:
- Fatigue – ständige Erschöpfung und Müdigkeit bereits nach leichter körperlicher oder geistiger Tätigkeit
- verminderte Leistungsfähigkeit
- Kurzatmigkeit und Atembeschwerden
- Brustschmerzen
- Herzrasen, Herzflattern
- Kreislaufschwäche
- Kopfschmerzen
- Schlafstörungen
- Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
- Angstzustände und depressive Verstimmungen
- anhaltende Geruchs- und Geschmacksstörungen
Long-Covid: Krankenkassen übernehmen nicht alle Leistungen vollständig
Da es sich bei den Corona-Langzeitfolgen um ein neues Krankheitsbild handelt, können Mediziner noch nicht abschätzen, nach welchem Zeitraum die Beschwerden abklingen oder ob es eventuell zu bleibenden Schäden kommt. Fest steht dagegen, dass sich Diagnose und Behandlung der Langzeitfolgen sehr aufwendig gestalten. Die Ärztekammer weist zudem darauf hin, dass die österreichischen Gesundheitskassen nicht alle Untersuchungen, die zu einer gewissenhaften Diagnose notwendig sind, in voller Höhe übernehmen. Bei einigen Symptomen muss man zum Beispiel abgeklären, ob die COVID-19-Infektion Organschäden verursacht hat. Zur Diagnose bestimmter Herzerkrankungen ist es notwendig, den Laborparameter pro-BNP zu ermitteln. Diese Untersuchung ist jedoch keine Kassenleistung.
Für andere Untersuchungen gelten Deckelungen. Die Kosten für einen Herzultraschall dürfen die Krankenkassen etwa nur in 40 Prozent aller Fälle übernehmen, unabhängig vom tatsächlichen Bedarf. Für Lungenfunktionsuntersuchungen liegt die Deckelung bei 35 Prozent, für Blutanalysen bei 30 Prozent aller Fälle. Weitere Deckelungen gelten für viele neurologische Untersuchungen und selbst für das Arztgespräch mit Haus- und Fachärzten.
Neben langanhaltenden körperlichen Beschwerden kann eine Infektion mit COVID-19 zudem zu langfristigen psychischen Erkrankungen führen. Die ÖÄK geht davon aus, dass derzeit 100.000 bis 15.000 Menschen in Österreich therapiebedürftige psychiatrische Erkrankungen aufweisen, die mit der Corona-Pandemie in Zusammenhang stehen. Psychiater verzeichnen unter anderem eine steigende Zahl von Angsterkrankungen, Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Hinzu kommen die durch Corona-Langzeitfolgen hervorgerufenen Erschöpfungszustände. Wie die ÖÄK erklärt, fehlt es der Psychiatrie an Ressourcen, um das Plus an Fällen zu bewältigen.
Forderungen der Ärztekammer
Der ÖÄK zufolge ist das österreichische Krankenkassensystem unzureichend auf die Behandlung von COVID-Langzeitfolgen vorbereitet. Um das zu ändern, fordert die Ärztekammer, Long-Covid als Krankheitsbild in den Leistungskatalog der Österreichischen Gesundheitskassen aufzunehmen. Zwar sei gerade erst ein neuer Leistungskatalog verabschiedet worden, die neue Faktenlage habe die darin aufgestellten Regelungen jedoch überholt und mache erneute Anpassungen notwendig.
Die ÖÄK formuliert folgende zentrale Forderungen:
- Das Kassensystem muss flexibilisiert werden, um die bestmögliche Versorgung von Patienten mit langanhaltenden COVID-Symptomen zu gewährleisten. Betroffene dürfen nicht sich selbst überlassen werden.
- COVID-Langzeitfolgen müssen in den kassenärztliche Leistungskatalog aufgenommen werden. Zusätzlich sind im kassenärztlichen Honorarkatalog angepasste Verrechnungspositionen zu schaffen.
- Deckelungen und Degressionen sind dort aufzuheben, wo sie eine Behandlung und Betreuung von Patienten mit COVID-Langzeitfolgen behindern.
- Der Austausch zwischen den medizinischen Fachrichtungen darf nicht beschränkt werden, sondern muss auf die optimale und individuelle Betreuung des einzelnen Patienten ausgerichtet sein.
- Die öffentliche Hand muss die erforderlichen Ressourcen für die adäquate Versorgung der Betroffenen bereitstellen.