Als Hausärztin/ Hausarzt, dessen offizielle Berufsbezeichnung Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin lautet, ist man für Patienten meist die erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Beschwerden und medizinischen Fragen. Anders als zum Beispiel in Deutschland existiert in Österreich keine Facharztrichtung für Allgemeinmedizin. Doch wie wird man Allgemeinmediziner ist Österreich? Und wo arbeiten Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin?
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Allgemeinmediziner?
Der Arbeitsbereich in der Allgemeinmedizin umfasst die Grundversorgung von Patienten mit körperlichen und seelischen Beschwerden – sowohl in der Akut- als auch Langzeitversorgung – und beinhaltet darüber hinaus Bereiche der Gesundheitsprävention als auch Rehabilitation.
Da ein Allgemeinmediziner grundsätzlich die erste Anlaufstelle für Patienten ist, sind seine Aufgabenbereiche vielfältig und breit gefächert. Bei bestimmten Fragestellungen, Beschwerden und Krankheiten, welche die fachspezifischen Kompetenzen des Allgemeinmediziners übersteigen, überweist der Arzt seinen Patienten für die Weiterbehandlung an einen Facharzt.
Dennoch ist der Hausarzt im Regelfall für die Bündelung der Daten und der Gesundheitsinformationen des Patienten zuständig. Er betreut Patienten, die er schon lange kennt, und ist mit dem individuellen Gesundheitszustand und individuellen Erkrankungen vertraut.
Arzt für Allgemeinmedizin – Ausbildung
Nach dem sechsjährigen Diplomstudium (Masterstudium) der Humanmedizin durchläuft jeder zunächst eine sogenannte praktische Basisausbildung, die neun Monate dauert. Diese Basisausbildung dient der Vermittlung klinischer Basiskompetenzen und findet in den konservativen, chirurgischen und notfallmedizinischen Fachgebieten statt. Ärztinnen und Ärzte, die sich in der Basisausbildung befinden, werden auch als „Turnusärzte“ bezeichnet.
Im Anschluss daran, wenn man die Ausübung des Berufs in der Allgemeinmedizin anstrebt, muss nach der Basisausbildung eine mindestens dreiundreißig Monate dauernde praktische Ausbildung als „Spitalturnus-Arzt“ absolviert werden. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt die praktische Ausbildung in einer anerkannten Ausbildungsstätte, unter anderem in Krankenhäusern, Kliniken, medizinischen Universitäten oder Lehrpraxen. Danach folgt die Prüfung zur Ärztin/zum Arzt für Allgemeinmedizin, die erfolgreich abgelegt werden muss.
Die Ausbildung zur Ärztin/ zum Arzt für Allgemeinmedizin in Österreich dauert insgesamt 42 Monate. Zum Vergleich: Eine „Facharztausbildung“ dauert hingegen bis zu 72 Monate. Wichtig zu erwähnen: Die Allgemeinmedizin in Österreich ist keine Facharztbezeichnung. An dieser Stelle wird auch Kritik ausgeübt und gefordert, dass auf lange Sicht eine Angleichung des österreichischen Weiterbildungssystems an das deutsche und Schweizer System stattfindet.
Was sind die Aufgaben eines Arzt für Allgemeinmedizin?
Um als Ärztin/ Arzt für Allgemeinmedizin in Österreich den Beruf ausüben und praktizieren zu dürfen, müssen zunächst einige Voraussetzungen erfüllt sein. Hierzu gehören unter anderem der Nachweis einer abgeschlossenen Ausbildung sowie der Eintrag in die Ärzteliste, welche von der österreichischen Ärztekammer geführt wird.
Zu den Tätigkeiten als Ärztin/ Arzt für Allgemeinmedizin gehören unter anderem:
- Gesundheitsförderung und Gesundheitsprävention
- Nachsorge
- Früherkennung von Erkrankungen / Vorsorgeuntersuchungen
- Diagnostik und Behandlung jeder Art von Erkrankungen (inklusive lebensbedrohlicher Krankheitszustände, z.B. Notfallbehandlungen)
- allgemeinmedizinische Betreuung behinderter, chronisch kranker und alter Menschen
- Integration medizinischer, psychischer und sozialer Hilfen
- Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen
- Zusammenarbeit mit Fachärztinnen/Fachärzte, anderen Gesundheitsberufen und Einrichtungen des Gesundheitswesens (Krankenhäuser)
Allgemeinmediziner – Krankheitsbilder
Im Rahmen der hausärztlichen Tätigkeit ist der allgemeinmedizinische Alltag geprägt von einer großen Bandbreite von Beschwerdebildern und Krankheiten, die insbesondere im Frühstadium unspezifisch sein können. In keiner anderen Arztgruppe ist man als Ärztin/Arzt für Allgemeinmedizin mit so zahlreichen, an möglichen Leitsymptomen zugrunde liegenden Diagnosen ausgesetzt, wie als Hausarzt/Hausärztin.
Es bedarf sowohl klinischer Erfahrung als auch einer Auswahl von Strategien zur Entscheidungsfindung – oftmals eine große Herausforderung im hektischen Praxisalltag.
Chronische Krankheiten und Beschwerden
Insbesondere mit chronischen Krankheiten und Beschwerden wird man als Allgemeinmediziner/in konfrontiert: dem österreichischen Gesundheitsbericht 2016 zufolge leiden 36 Prozent der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren an einer dauerhaften Erkrankung oder einem chronischen gesundheitlichen Problem.
Zu den häufigsten chronischen Krankheiten/Gesundheitsproblemen, die zu einem Arztbesuch führen, zählen Rückenschmerzen und Allergien (je 24%), Bluthochdruck (21%) und Nackenschmerzen (19%).
Stoffwechselerkrankungen
Darüber hinaus gehören auch Stoffwechselerkrankungen und deren Risikofaktoren zu den häufigen Diagnosen: 5% der Bevölkerung leiden an Diabetes mellitus, bei den ab 60-Jährigen sind es 12 Prozent, wobei Männer häufiger als Frauen betroffen sind.
Fettstoffwechselstörungen oder erhöhte Blutfettspiegel (erhöhter Cholesterinwert) sind auch Diagnosen, die zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können, und in Österreich ab dem 35. Lebensjahr ärztlich kontrolliert werden sollte.
Atemwegserkrankungen
Auch die Erkrankungen der Atemwege, insbesondere akute Infektionen der oberen Atemwege, die von typischen Erkältungssymptomen begleitet werden, dominieren im allgemeinmedizinischen Alltag – hier wird untersucht, ob es sich um eine Grippe oder einen eher harmlosen grippalen Infekt handelt.
Hautkrankheiten
Eine Allgemeinmedizinerin/ Ein Allgemeinmediziner wird auch wegen Hauterkrankungen aufgesucht. Zu den bekanntesten Hauterkrankungen gehören unter anderem Akne, Ekzeme und Neurodermitis.
Hierbei kann sowohl ein initialer Therapieansatz seitens der Allgemeinmedizin oder eine Überweisung an die Dermatologie erfolgen.
Psychische Probleme
Auch psychische Probleme und Verhaltensstörungen, die zu den ansteigenden Krankheitsbildern zählen, werden von Allgemeinmediziner/innen diagnostiziert; Depressionen und das Burn-Out-Syndrom werden häufig erfasst.
Häufigste Krankheiten in Österreich
Ein Überblick über die zehn häufigsten Krankheiten in Österreich:
- Augenkrankheiten
- Bluthochdruck
- Fettstoffwechsel
- Grippaler Infekt/ Erkältung und Grippe
- Akute Bronchitis
- Rückenschmerzen
- Arteriosklerose
- Hauterkrankungen
- Depressionen/ Burnout
- Magen-Darm-Erkrankungen
Arzt für Allgemeinmedizin – Untersuchungsmethoden
Neben einem ausführlichen Anamnesegespräch, in welchem die gesundheitlichen Probleme des Betroffenen erhoben werden, zählt die klinische Untersuchung zu den wichtigsten ärztlichen Untersuchungsmethoden.
Inspektion (Betrachten), Auskultation (Abhören), Perkussion (Abklopfen), Palpation (Abtasten) und die Funktionsprüfung können bereits wegweisend sein und die Verdachtsdiagnose festigen.
Inspektion (Betrachten)
Die Inspektion ist die Prüfung des äußeren Erscheinungsbildes bezüglich des körperlichen Zustandes und kann bereits allgemeine Hinweise für die Stellung einer Verdachtsdiagnose liefern. Eine Inspektion sollte je nach Beschwerdebild am entkleideten Patienten erfolgen.
Hierbei können eventuelle krankhafte, äußerlich sichtbare Veränderungen auffallen.
Auskultation (Abhören)
Die Auskultation erfolgt in der Regel mit einem Stethoskop. Hierbei werden Geräusche, von den einzelnen Organen hervorrufend, beurteilt. Mit einem Stethoskop kann zum Beispiel das Herz, die Lungen sowie der Darm auskultiert werden.
Es können beispielsweise Rasselgeräusche bei Lungenerkrankungen oder erhöhte Darmgeräusche oder aufgehobene Darmgeräusche bei Darmpassagestörungen gehört werden.
Perkussion (Abklopfen)
Die Perkussion ist die Untersuchung von Organen durch das Abklopfen der Körperoberfläche (Finger-Finger-Perkussion). Beim Abklopfen macht man sich die unterschiedliche Schwingungsfähigkeit einzelner Organe und Flüssigkeiten zu Nutze und kann Lage und Größe der Strukturen abschätzen.
Palpation (Abtasten)
Die Palpation erlaubt zum Einen Beurteilung der Beschaffung und Größe einzelner Organe und kann zum Anderen die Schmerzlokalisation näher bestimmen.
Funktionsprüfung
Die Testung einzelner Funktionssysteme ist für die Diagnosesicherung wichtig. So kann zum Beispiel die Prüfung des Bewegungsapparates wegweisend für die Findung des Krankheitsbildes sein.
Wenn der Patient keinen Zehenspitzenstand ausüben kann, kann eine Fußsenkerschwäche dafür verantwortlich sein.
Blutdruckmessung und Pulsmessung
Darüber hinaus sind auch die Blutdruckmessung und Pulsmessung Bestandteil in einer allgemeinmedizinischen Praxis.
Ultraschalluntersuchung, Lungenfunktionstest und EKG
Bei Beschwerden im Abdomen kann eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) durchgeführt werden, bei respiratorischen Beschwerden ein Lungenfunktionstest sowie das Anlegen eines Elektrokardiogramms (EKG), wenn zusätzliche Hinweise auf eine kardiale Genese vorliegen.
Begrenzte technische Möglichkeiten in einer Praxis für Allgemeinmedizin
Für eine Diagnosefindung liegen in einer allgemeinmedizinischen Praxis leider nur begrenzte technische Möglichkeiten zur Verfügung: weder ein CT- noch ein MRT-Gerät sind in einer Arztpraxis vorhanden. Daher kann es möglich sein, dass für das weitere Procedere ein Überweisungsschein ausgeschrieben wird.
Arzt für Allgemeinmedizin – Arbeitsbereiche
Allgemeinmediziner/innen können in Österreich freiberuflich arbeiten oder Beschäftigung in einem Dienstverhältnis finden. Zu den verschiedenen Bereichen, in denen man den Beruf als Allgemeinmediziner ausüben kann, zählen unter anderem:
- Praxis (Ordination) oder Gruppenpraxis
- Krankenhäuser (dazu gehören auch Universitätskliniken)
- Ambulatorien
- Rettungswesen
- Rehabilitationseinrichtungen
- Kureinrichtungen
- Bezirksbehörden
- Magistratsbehörden
- Bundesheer
- Polizei
Darüber hinaus können Allgemeinmediziner Beschäftigung finden in:
- Arbeitsmedizin
- Schuleinrichtungen
- Forschung
- Planung und Qualitätssicherung
- Pharmazeutische Industrie
- Versicherungswesen
Allgemeinmedizin – Welche Ordinationsformen gibt es?
In Österreich gibt es verschiedene Ordinationsformen:
- Einzelpraxis
- Gruppenpraxis
- Gemeinschaftspraxis
- Ambulanzen
- Selbstständige Ambulatorien
Die klassische Ordinationsform in Österreich stellt die Einzelpraxis dar, in welcher sich eine Ärztin/ ein Arzt für Allgemeinmedizin niedergelassen hat und medizinische Leistungen erbringt. Eine Gruppenpraxis kann von mehreren selbstständigen Ärztinnen und Ärzten gegründet werden. Sowohl eine Einzelpraxis als auch eine Gruppenpraxis können einen Vertrag mit einer Krankenkasse haben, müssen jedoch nicht. Ohne Vertrag handelt es sich um eine Wahlärztin/einen Wahlarzt bzw. eine Wahlarztpraxis.
Darüber hinaus gibt es auch Gemeinschaftspraxen als Ordinationsform. Hierbei handelt es sich um „lose“ Zusammenschlüsse mehrerer Ärztinnen und Ärzte, welche lediglich gemeinsam die Räumlichkeiten einer Ordination nutzen.
Weiter zu nennen sind Ambulanzen. Neben Ambulanzen der gemeinnützigen Spitäler kann man auch in selbstständigen Ambulatorien, einer Kombination aus Arztpraxis und Krankenhaus, tätig sein. In Österreich werden 90 Prozent der selbstständigen Ambulatorien von Fachärztinnen und Fachärzten geleitet während die übrigen 10 Prozent von Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern geleitet werden.
Arzt für Allgemeinmedizin – Gehalt
Das Gehalt einer Ärztin/ eines Arztes in Österreich richtet sich nach der Fachrichtung. Während ein Facharzt für Neurologie beispielsweise bis zu 5.500 Euro brutto im Monat verdient, beträgt der monatliche Verdienst eines Allgemeinmediziners, der sich mit einer eigenen Praxis niederlässt, nur ca. 3.400 Euro brutto.
Ärzte in Österreich
In Österreich sind insgesamt 15.006 Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin tätig. Im europäischen Vergleich gehört Österreich zu dem Land, das über das beste Verhältnis zwischen Ärzten und Einwohnern verfügt; dies sei der Statista Reasearch Department – veröffentlicht am 16.01.2020 – zu entnehmen. Seit 1990 habe sich die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte in Österreich verdoppelt. Die Arztdichte im Jahr 2018: Pro 100.000 Einwohner sind insgesamt 523,1 Ärzte berufstätig gewesen.
Trotz allem ist ein Ärztemangel zu befürchten, einmal der Teilzeitquote, aber auch der Altersstruktur geschuldet. Denn über 30 Prozent der Mediziner/innen werden bereits in einem Jahrzehnt in Pension gehen, wodurch Lücken entstehen, die der Nachwuchs nicht füllen kann. Angesichts der bevorstehenden Lücken sei nun ein Umdenken notwendig (bessere Rahmenbedingungen, Verbesserung von Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen, Vereinbarung von Beruf und Familienplanung, Erhöhung der Studienplätze in Österreich etc.).