Zum Berufsalltag der meisten Ärzte gehört neben dem Betreuen der Patienten viel Büroarbeit. Der Computer ist mindestens genauso wichtig geworden wie das Stethoskop und Verwaltungsaufgaben nehmen einen großen Teil der Arbeitszeit ein. Zum Inhalt des Medizinstudiums gehört zwar das Lernen aller Knochen und Muskeln im Körper, aber mit dem Schreiben von Arztbriefen werden die meisten angehenden Ärzte erst im Praktischen Jahr oder zum Berufseinstieg konfrontiert. Damit das Schreiben des Arztbriefes gelingt, klären wir in diesem Artikel die wichtigsten Fragen rund um dieses wichtige Dokument.
Inhaltsverzeichnis
Was genau ist der Arztbrief?
Im Laufe seiner Behandlung durchläuft ein Patient meist mehrere Stationen. Fachärzte, Krankenhäuser und Rehakliniken müssen daher genau wissen, was der letzte Stand der Behandlung ist. Aus diesem Grund wird für jeden Patienten ein Arztbrief erstellt, der den weiterbehandelnden Arzt über den Anlass und Verlauf der Behandlung in Kenntnis setzt. Bei juristischen Fragestellungen dient der Arztbrief als wichtiges Dokument. Seine Erstellung sollte daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Wie lang sollte ein Arztbrief sein?
Der Umfang eines Arztbriefes sollte immer der Situation angemessen sein. Nach Abschluss einer stationären Behandlung mit Weiterbehandlung von einem Facharzt oder in einer Rehaklinik wird ein ausführlicher Arztbrief benötigt. Bei einer Verlegung kann auch eine kürzere Fassung ausreichen. Die Länge ist grundsätzlich abhängig von der Komplexität des Falles und sollte alle wichtigen Informationen enthalten.
Wer ist für das Schreiben des Arztbriefes zuständig?
Meist wird die erste Version des Arztbriefes von Studenten im Praktischen Jahr und den Assistenzärzten verfasst. Dieser erste Entwurf sollte, vor allem wenn er von Studenten verfasst wurde, von einem Oberarzt gegengelesen werden. Dieser ist jedoch nicht für die Korrektur von Rechtschreibfehlern zuständig und sollte nur den Inhalt überprüfen. Meistens wird ein Exemplar dem Patienten direkt mitgegeben und gleichzeitig an den Weiterbehandler versandt.
Arztbrief schreiben – Aufbau und Anleitung
Ein Arztbrief ist aus verschiedenen Abschnitten aufgebaut. So fällt das Schreiben leichter und die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Wichtiges vergessen wird, sinkt.
Einleitung
In die Einleitung gehören das aktuelle Datum und der Ort der Erstellung, eine Anrede an den Weiterbehandler, Name, Geburtsdatum und Wohnort des Patienten sowie eine kurze Erklärung von wann bis wann der Patient auf der jeweiligen Station war.
Diagnosen
Viele Patienten sind multimorbide und bringen eine ganze Liste an Diagnosen mit. Daher gilt: Beginne mit der Diagnose, die zur Aufnahme geführt hat (Hauptdiagnose) und zähle die anderen Nebendiagnosen in absteigender Relevanz auf. Auch wichtige Operationen können hier kurz genannt werden. Symptome haben dagegen in diesem Abschnitt noch nichts zu suchen. Sie gehören in die Anamnese.
Anamnese
Die Anamnese gliedert sich in folgende Unterpunkte:
- aktueller Vorstellungsanlass und vegetative Anamnese (Symptome und Beschwerden)
- zeitliche Entwicklung der Symptome und Diagnosen in der Vergangenheit
- Medikamenteneinnahme, Genussmittel- und Suchtanamnese
- Familien- und Sozialanamnese
Verwende für die Anamnese Vergangenheitsform und Konjunktiv (schlag im Zweifelsfall noch einmal nach, falls dir das Konjunktiv nicht mehr geläufig ist).
Körperlicher Untersuchungsbefund
Hierhin gehört der Untersuchungsbefund der Aufnahmeuntersuchung. Er sollte folgendes beinhalten:
- Eindruck des Allgemeinzustandes
- Vitalparameter (Herzfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck, Körpertemperatur, Sauerstoffsättigung, Blutzucker und Rekapillarisierungszeit)
- Befunde wichtiger Organsysteme (Haut, Herz, Lunge, Abdomen, Gefäßstatus, Bewegungsapparat und neurologische Untersuchung).
weitere Diagnostik und Befunde
Alle wichtigen erhobenen Befunde sollten mit dem jeweiligen Datum hier aufgeführt sein. Für eine bessere Übersicht kann es hilfreich sein chronologisch vorzugehen.
Beurteilung und Verlauf
Im Anschluss an die Anamnese und Untersuchungen steht ihre Interpretation. Welche Verdachtsdiagnose ergibt sich und wodurch ist diese begründet? Wie wurde der Patient behandelt und wie war der Verlauf dieser Therapie? Bei diesem Abschnitt fällt es vielen schwer, sich nicht in Details zu verlieren. Folgendes Schema kann dabei helfen:
- „die Symptome A und B legen die Verdachtsdiagnose C nahe“
- „um diese Diagnose zu sichern, wurde die Untersuchung D durchgeführt“
- „dabei zeigten sich E, F und G, woraufhin der Patient stationär aufgenommen wurde“
- „eine Therapie mit H wurde eingeleitet und unterstützend wurden I und J gegeben“
- „unter der Therapie mit H kam es innerhalb von 3 Tagen zu einer Besserung der Symptome, sodass die Gabe eingestellt werden konnte“
Medikation bei Entlassung
Mit diesen Medikamenten konnte der Patient entlassen werden. Hieraus sollten unbedingt Wirkstoff, Darreichungsform, Dosis, Einnahmeschema und die Therapiedauer ersichtlich sein.
weiteres Prozedere
Die Daten weiterer Untersuchungen gehören unbedingt in diesen Abschnitt. Besondere Anforderungen an die weitere Behandlung wie beispielsweise „täglich Physiotherapie“ sollten ebenfalls vermerkt werden.
Abschluss
Der Arztbrief endet mit einem kurzen Gruß, den Namen und Unterschriften der behandelnden Ärzte, des Oberarztes und des Chefarztes.
Epikrise
Das Schreiben der Epikrise ist nicht zwingend notwendig. Gerade bei ausführlichen Arztbriefen bietet es sich jedoch an, die wichtigsten Informationen aus Anamnese, Beurteilung, Verlauf und Prozedere erneut kurz zusammenzufassen.
Was sind häufige Fehlerquellen beim Schreiben des Arztbriefes?
Das Medizinstudium soll auf die spätere Tätigkeit als Arzt vorbereiten. Allerdings sind die meisten Prüfungen in mündlicher Form oder es werden lediglich Kreuze an der richtigen Stelle gesetzt. Die richtige Struktur eines Arztbriefes, ein verständlicher Ausdruck, Grammatik und Rechtschreibung sind kein Bestandteil des Kurrikulums. Kein Wunder also, dass viele Arztbriefe für Laien, aber auch für die nachbehandelnden Ärzte, nur schwer verständlich sind. Als Folge kommt es zu zeitintensiven Nachfragen und schlimmstenfalls zu Behandlungsfehlern. Häufige Fehlerquellen sind:
- zu lange oder zu kurze Ausführungen – der Arztbrief sollte nur für den Leser relevante Informationen beinhalten
- eine gestelzte Sprache, Neologismen und die Nutzung klinikinterner Abkürzungen – wer sich besonders hochtrabend ausdrücken will, um beim Chefarzt gut anzukommen, erreicht meist das Gegenteil
- die Undeutliche Darstellung von Kausalitäten – durch die Nutzung des Wortes „bei“ wird unklar, ob zwei Symptome oder Krankheitsbilder kausal miteinander zusammenhängen, oder nicht
- eine unleserliche Handschrift bei handgeschriebenen Arztbriefen
Tipps und Tricks zum Schreiben eines guten Arztbriefes
Verwende beim Schreiben des Arztbriefes nicht die „ich“-Form (erste Person Singular). Stattdessen sollte der Brief aus der „er“, „sie“, „es“ oder „wir“ Perspektive geschrieben werden (Beispiel: wir konnten die Patienten nach 3 Tagen in einem deutlich besseren Zustand entlassen).
Orientier dich an den vorherigen Arztbriefen des Patienten. Übernimm jedoch nicht einfach blind jede Diagnose, sondern prüfe, welche Informationen aktualisiert werden müssen.
Auch wenn es anfangs ungewohnt ist, kann das Diktieren von Arztbriefen viel Zeit sparen. Dabei sollte natürlich nicht vergessen werden, sich bei der Schreibkraft zu bedanken.
Versetze dich in die Rolle des Lesenden und versuche den Arztbrief möglichst so zu schreiben, wie du ihn bei der Aufnahme eines neuen Patienten gerne lesen würdest.
Viel Erfolg beim Schreiben!