In der Seefahrt früherer Jahrhunderte war Skorbut eine gefürchtete Erkrankung. Der portugiesische Entdecker Vasco da Gama verlor bei einer seiner Reisen fast zwei Drittel seiner Schiffsbesatzung durch Skorbut – Folge eines dauernden Vitamin C-Mangels infolge einseitiger Ernährung während der langen Wochen auf See. Skorbut ist nur eine von vielen möglichen Ausprägungen der Avitaminose – der Vitaminmangelkrankheit.
Wie sich eine Vitaminmangelkrankheit bemerkbar macht, was die Krankheit auslöst und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, erklären wir im Folgenden.
Was ist Avitaminose?
Der Körper benötigt Vitamine für verschiedene Zwecke. Vitamine regulieren die Verstoffwechselung von Kohlenhydraten, Proteinen und Mineralstoffen, fördern den Aufbau von Zellen, Blutkörperchen, Knochen und Zähnen und unterstützen das Immunsystem. Der Körper kann Vitamine nicht selbst erzeugen, sie müssen von außen zugeführt werden – meist mit der Nahrung, zum Teil auch auf anderem Weg (z.B. Vitamin D durch Sonnenlicht). Dies muss kontinuierlich erfolgen, denn die Vitamin-Speicherfähigkeit des Körpers ist begrenzt – wenn auch für die einzelnen Vitamine unterschiedlich ausgeprägt.
Werden Vitamine nicht fortlaufend von außen zugeführt oder verarbeitet, kommt es über kurz oder lang zu Mangelerscheinungen. Ist ein Vitamin nicht in ausreichender Menge im Körper vorhanden, spricht man zunächst von Vitaminmangel. Fehlt ein Vitamin (fast) völlig, liegt eine Vitaminmangelkrankheit oder Avitaminose vor. Die Grenzen zwischen Vitaminmangel und Mangelkrankheit sind dabei fließend. Das Ausmaß und die Dauer des Vitaminmangels bestimmen entscheidend den Übergang von der Mangelerscheinung zur ernsthaften Erkrankung.
Vitaminmangel ist weit verbreitet. Allerdings tritt er zum Glück nur relativ selten krankhaft in Erscheinung. Am häufigsten sind der Vitamin D-Mangel und ein Mangel an Folsäure. Mehr als 75 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. Bei 25 – 50 Prozent findet man auch einen Mangel an Vitamin C und E sowie – vor allem bei Frauen – an Vitamin B1 und Vitamin B12.
Vitaminmangelkrankheit (Avitaminose) – Ursachen und Risikofaktoren
Es gibt drei mögliche Ursachen für Vitaminmangel:
- unzureichende Außenzufuhr von Vitaminen durch falsche, unzureichende oder einseitige Ernährung, bei Vitamin D-Mangel durch zu wenig Sonnenlicht (in der dunklen Jahreszeit, bei viel Büro- und Innenarbeit);
- durch eine gestörte Darmflora (zum Beispiel im Zusammenhang mit Antibiotika-Einnahme);
- durch mangelnde Vitamin-Aufnahmefähigkeit nach Darmoperationen oder durch Abbau (Atrophie) der Magenschleimhaut.
Verschiedene Risikofaktoren begünstigen Vitaminmangel: neben Ernährungsweise und Lichtdefiziten sind dies u.a. häufige Infektionen, chronische Erkrankungen, langanhaltenden Durchfall sowie weitere körperliche Stressfaktoren wie Traumata oder OPs. Erkrankungen wie Leberfunktionsstörungen, Nierenfunktionsstörungen, exokrine Pankreasinsuffizienz und Diabetes können sich ebenfalls negativ auf den Vitamin-Haushalt auswirken. Ein erhöhtes Vitaminmangel-Risiko besteht außerdem während Schwangerschaft und Stillzeit.
Indirekt wird Vitaminmangel auch durch psychische Krankheiten und Suchterkrankungen befördert, weil die Ernährung dann oft unausgewogen ist oder vernachlässigt wird.
Vitaminmangelkrankheit (Avitaminose) – Symptome
Vitaminmangel äußert sich zunächst in allgemeinen Symptomen wie Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsproblemen oder einer höheren Infektionsanfälligkeit. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe an spezifischen Folgeerscheinungen, die bei anhaltendem Mangel oder Fehlen bestimmter Vitamine – zum Beispiel bei einem Vitamin D-Mangel – auftreten. Hier eine Übersicht:
Vitaminmangel | Symptome |
Vitamin A-Mangel |
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Vitamin B1-Mangel |
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Mangel an Vitamin B2, B6, B9, B12 |
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Vitamin C-Mangel |
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Vitamin D-Mangel |
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Mangel an Vitamin B9 |
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Vitamin K-Mangel |
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Vitaminmangelkrankheit (Avitaminose) – Was tun?
Um eine Vitaminmangelkrankheit zu behandeln gibt es mehrere Ansatzpunkte. Eine der wichtigsten und wirksamsten Maßnahmen ist oft die Umstellung auf eine ausgewogene, vitaminreiche Ernährung. Dazu gehören viel Obst und Gemüse, frisch gepresste Säfte sowie der Verzicht auf Fast Food. Nahrungsergänzungsmittel und Vitamin-Präparate können helfen, geleerte Vitaminspeicher im Körper relativ rasch wieder aufzufüllen. Sie müssen und sollten aber keine Dauerlösung sein, wenn der Mangel durch falsche Ernährung bedingt ist. Mit der richtigen Nahrung bekommt der Körper, was er braucht.
Bei Vitamin D-Mangel hilft bereits “mehr Licht” durch regelmäßige und verstärkte Außenaufenthalte sowie eine Vitamin D-reiche Ernährung. Dazu gehören fetter Seefisch, Innereien wie Leber und Nieren, Speisepilze und Eier oder Lebertran. Reicht das nicht aus, um den Vitamin D-Mangel zu beheben, kann man ebenfalls Präparate nutzen – meist zusätzlich mit Calcium angereichert.
Bei der Vitamin-Therapie ist allerdings auch darauf zu achten, dass es nicht zu einer Überdosierung kommt. Diese kann auf Dauer genauso schädlich sein wie eine Vitaminmangelkrankheit. Je früher oder schneller eine Vitaminmangelkrankheit erkannt und behandelt wird, umso besser stehen die Chancen, dass es nicht zu dauerhaften Schäden kommt. Die meisten Mangelerscheinungen verschwinden bei ausreichender Vitaminzufuhr wieder. Viele Vitaminmängel wie Vitamin D-Mangel lassen sich gut und recht einfach behandeln.
1. Herdegen, T.: Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie, Georg Thieme Verlag, 2008
2. P. M. Suter.: Checkliste Ernährung, 2. Aufl., 2005, Georg Thieme Verlag
3. What are vitamins, and how do they work?, www.medicalnewstoday.com (Abrufdatum: 22.02.2022)