Der Begriff „Behandlungsfehler“ beinhaltet verschiedene Formen ärztlichen Fehlverhaltens. So liegt beispielsweise ein Behandlungsfehler vor, wenn die Aufklärungspflicht seitens des Arztes verletzt wird.
Welche Rechte hat man als Patient in Österreich? Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit Schmerzensgeld im Rahmen der Arzthaftung verlangt werden darf?
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Behandlungsfehler?
Der Begriff „Behandlungsfehler“ beinhaltet verschiedene Formen ärztlichen Fehlverhaltens. So liegt beispielsweise ein Behandlungsfehler vor, wenn die Aufklärungspflicht seitens des Arztes verletzt wird.
In der Rechtswissenschaft wird ein Behandlungsfehler definiert als eine nicht angemessene Behandlung des Patienten durch einen Arzt; die nicht angemessene Behandlung kann hierbei nicht sorgfältig, nicht fachgerecht oder nicht zeitgerecht erfolgt sein. Es liegt demnach ein Verstoß des Arztes gegen anerkannte Regeln der medizinischen Wissenschaft vor. Ein Behandlungsfehler kann alle Bereiche ärztlicher Tätigkeiten betreffen, worunter sowohl das Tun als auch das Unterlassen fallen.
Behandlungsfehler in Österreich
Auch wenn im Hinblick auf die medizinische Versorgung in Österreich das Niveau hoch ist, treten immer wieder Fälle von Behandlungsfehlern auf. Aus einer Untersuchung der deutschen Krankenkassen hat sich ergeben, dass es bei 1% aller Behandlungen zu Fehlern kommt. In Österreich käme man in dem Fall auf 19.000 Behandlungsfehler jährlich – 1.900 Menschen sterben durch Behandlungsfehler; so die Schätzungen, da offizielle genaue Daten nicht vorliegen.
Anspruch auf Schadensersatz (Schmerzensgeld)
Folgende Voraussetzungen müssen zunächst vorliegen, um einen Schadensersatz, sprich Schmerzensgeld bezüglich der Arzthaftung, verlangen zu können:
- es muss ein Schaden vorliegen, das bedeutet: gesundheitliche Beeinträchtigungen oder sogar der Tod eines Patienten
- der Schaden muss durch eine Handlung oder durch eine Unterlassung entstanden sein; Beispiele hierfür: eine fehlerhafte Aufklärung oder eine fehlerhafte Behandlung
- der Schaden muss rechtswidrig verursacht sein, das bedeutet: es liegt ein Verstoß des Arztes gegen anerkannte Regeln der medizinischen Wissenschaft vor. Zwischen Arzt und Patient ist ein sogenannter Behandlungsvertrag abgeschlossen worden, in welchem sich der Arzt verpflichtet hat, eine sachgerechte – dem Stand der Medizin entsprechende – Behandlung zu gewährleisten.
- der Schaden muss schuldhaft sein, sprich dem Arzt ist vorzuwerfen, dass er den Schaden verschuldet hat; hier wird unterschieden zwischen Fahrlässigkeit oder Vorsatz.
Pflichten des Arztes bei der Aufklärung
Insbesondere im Hinblick auf Aufklärung und Behandlung sind Pflichten seitens des Arztes zu erfüllen und von großer Wichtigkeit. Jeder Arzt ist verpflichtet, nach den allgemeinen anerkannten Regeln der Medizin zu handeln und nach den üblichen Qualitätsstandards vorzugehen. Zu den wichtigsten Pflichten des Arztes zählen unter anderem:
- Untersuchung des Patienten
- Erhebung von Befunden
- Erstellung einer Diagnose unter Berücksichtigung der Befundserhebung
- Informationsmitteilung und Aufklärung des Patienten
- Behandlung des Patienten
- Gegebenenfalls Überweisung an (andere) Fachärzte
- Erfüllen der „Nebenpflichten“, wie: Dokumentation der Behandlung (Krankengeschichte) und die Pflicht, den Patienten in diese Dokumentation Einsicht zu gewähren
- Verschwiegenheitspflicht
- Informationspflicht gegenüber dem Patienten
- Anzeigepflicht und Meldepflicht (zum Beispiel gegenüber Behörden)
An dieser Stelle sei festzuhalten, dass der Arzt nicht für den Behandlungserfolg verantwortlich ist, sondern lediglich Sorge tragen muss, dass die Behandlung nach dem aktuellen Stand der Medizin durchzuführen ist. Denn: In der Medizin existiert leider keine 100%ige Erfolgsaussicht, trotz allem sind Erfolgsaussichten und Risiken in jeder Aufklärung mitzuteilen. Bei Nicht-Mitteilung und Auftreten eines Schadens haftet der Arzt insbesondere dann, wenn der Patient die Behandlung abgelehnt hätte, wenn die Aufklärung korrekt erfolgt wäre. Eine Aufklärung sollte zudem nicht nur korrekt durchgeführt werden, sondern auch weitere Kriterien erfüllen. Zu diesen gehören:
- den Patienten über die Art der Behandlung informieren
- den Patienten über Risiken und etwaige Folgen der Behandlung informieren
- den Patienten über alternative Behandlungen informieren
- den Patienten darüber informieren, was die Folgen einer Nichtbehandlung sind
- eine Aufklärung muss vom Patienten verstanden sein
- eine Aufklärung muss mündlich erfolgen und auch in schriftlicher Form zur Verfügung stehen
- der Arzt muss sicherstellen, dass der Patient die Aufklärung verstanden hat
- die Aufklärung muss vom Arzt dokumentiert werden
Von einer Aufklärung kann in Ausnahmefällen abgesehen werden. Wenn beispielsweise der Patient nach einem Unfall ohne Bewusstsein ist und eine notfallmäßige Behandlung durchzuführen ist, damit das Leben des Patienten gerettet wird, kann eine Aufklärung verständlicherweise nicht durchgeführt werden.
Arten der Behandlungsfehler im Medizinrecht
Der Arzt, der die Behandlung durchführt, muss nach dem Standard seiner Berufsgruppe über Kompetenz und Sorgfältigkeit verfügen. Es gibt einige Beispiele, zu denen Behandlungsfehler gezählt werden. Genannt werden können unter anderem:
- fehlerhafte Diagnosen
- fehlerhafte Durchführung einer Operation, beispielsweise Vergessen von Material im Körper des Patienten
- schlechte Organisation, beispielsweise Zeitmangel bei der Behandlung, fehlerhafte Ausstattung
Festlegung der Höhe des Schadenersatzes
Sofern die Voraussetzungen für einen Schadenersatz, sprich das Recht auf Schmerzensgeld, erfüllt sind, gilt es die Höhe des Schadenersatzes (Schmerzensgeld) festzulegen und gerichtlich durchzusetzen. Man kann Anspruch auf Schadensersatz haben:
- wenn Kosten für weitere Behandlungen notwendig werden oder Pflege erforderlich ist, die durch eine falsche Behandlung notwendig geworden ist
- wenn der Patient wegen der falschen Behandlung nicht mehr seinen beruflichen Tätigkeiten nachgehen kann (Verdienstentgang)
- wenn der Patient aufgrund einer falschen Behandlung verstorben ist und unterhaltberechtigte Kinder hinterlässt (Anspruch Unterhalt für Angehörige)
- wenn der Patient aufgrund einer falschen Behandlung nun rollstuhlpflichtig ist und das häusliche Umfeld umgebaut werden muss (Umbau einer Wohnung)
Zur Festlegung der Höhe eines Schadenersatzes berücksichtigen die Gerichte folgende Punkte:
- Art der Verletzung/ Schädigung
- Schwere des erlittenen Schadens
- Dauer und Stärke der Schmerzen
- leichte Schmerzen = der Patient kann sein Leben weiterführen und unter Umständen sogar weiter arbeiten, eine Ablenkung von den Schmerzen ist möglich: 24h durchgehende Schmerzen werden mit ca. 110 Euro bewertet
- mittlere Schmerzen = der Patient wird zur Hälfte von Schmerzen dominiert: 24h durchgehende Schmerzen werden hier mit ca. 220 Euro bewertet.
- schwere Schmerzen = der Patient wird dauerhaft von Schmerzen geplagt und kann sich nicht von diesen Schmerzen ablenken: 24h durchgehende Schmerzen werden mit ca. 330 Euro bewertet
- Wahrnehmungsfähigkeit
- Notwendigkeit von Folgeoperationen
- Schwere der Folgeoperationen
- Dauer des Krankenhausaufenthaltes
- Dauer einer ambulanten Behandlung
- Alter des Patienten und berufliche Situation bzw. Aussichten
- erwartete Dauer des Leidens
- psychische Dauerfolgen
Behandlungsfehler und Arzthaftung in Österreich zugunsten des Patienten
In der Vergangenheit konnten die österreichischen Gerichte Schadenersatz für Schmerzen und körperliche Schäden zuerkennen. Hier einige Beispiele:
- Schmerzen nach einem Rippenbruch: 1.502 Euro
- mangelhafte kieferorthopädische Behandlung (falsch eingestellte Zahnspange) bei einem Kind: 3.997 Euro
- Nervenschädigung nach einer fehlerhaften Entfernung der Weisheitszähne: 12.000 Euro
- Schwerwiegende Hirnschädigung durch Sauerstoffmangel bei der Geburt: 87.207 Euro
Sofern ein Patient Schadenersatz bei einem österreichischen Gericht einklagen möchte, sollte er einen Rechtsanwalt aufsuchen, der auf diesem Gebiet Erfahrung hat und sich auskennt, was den Umgang mit Ärzten und Sachverständigen betrifft. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann in diesem Fall abschätzen, welche Unterlagen hilfreich sind und was an Schadenersatz realistisch ist. Im Normalfall muss ein geschädigter Patient als Kläger zweifelsfrei beweisen, dass der Schaden, den er erlitten hat, durch den Beklagten zustande gekommen ist. Im Hinblick auf Prozessen mit Behandlungsfehlern kann dies eine sehr hohe Hürde darstellen.
In Österreich ist diese Hürde zugunsten der Patienten gesenkt worden: In Österreich ist es ausreichend, wenn der Patient als Kläger beweisen kann, dass der erlittene Schaden mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit durch den Behandlungsfehler des Arztes entstanden ist.