Der Digitalisierung im Gesundheitswesen gehört zweifelsohne die Zukunft. Von daher ist ein elektronisches Rezept – kurz e-Rezept – statt Verschreibung in Papierform für Österreich nur zu begrüßen. Allerdings ist der Weg dorthin bisher alles andere als eine Strecke ohne Hindernisse gewesen. Corona hat die Entwicklung beschleunigt. Aber die gefundene Lösung ist nur ein Provisorium.
Tatsächlich reichen Überlegungen zum elektronischen Rezept bis ins Jahr 2005 zurück. Damals wurde in Österreich die e-Card als personenbezogene Chipkarte in der Sozialversicherung eingeführt. Damit sollten viele Prozesse im Bereich der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung einfacher, schneller, effizienter und sicherer werden. Die ersten Erfahrungen mit der e-Card waren positiv, so dass man direkt an weitere Ausbaumöglichkeiten dachte. Das elektronische Rezept kam da schnell ins Spiel.
Jahrelang nur mäßige Fortschritte, dann eine Hauruck-Aktion
Vor Corona wurden bei uns jährlich rund 60 Millionen Rezepte in Papierform ausgestellt und verarbeitet. Schon da war klar, dass die Digitalisierung eine erhebliche Verbesserung darstellen würde. Deshalb wurde bereits 2005 im e-Card-Kontext das Vorhaben „e-Rezept“ in Angriff genommen. Gute Absichten reichen allerdings nicht, das zeigte sich auch in diesem Fall. Die Umsetzung schleppte sich über Jahre dahin, ohne dass es zu einer Lösung kam. Immerhin bestand die Absicht, im Frühjahr letzten Jahres eine einsatzfähige Version pilotweise in zwei Kärntner Bezirken zu erproben. Die Einführung des elektronischen Rezepts in ganz Österreich sollte dann bis Mai 2022 abgeschlossen sein.
Die Corona-Pandemie hat diese Planungen zunächst komplett über den Haufen geworfen. Am 13. März 2020 wurde der erste Lockdown angekündigt. Bereits im Februar, als die Infektionszahlen dramatisch anstiegen, hatte das Gesundheitsministerium in Wien die Order ausgegeben, das Rezeptwesen kurzfristig kontaktlos zu gestalten. Da war guter Rat teuer, denn zu diesem Zeitpunkt existierte noch keine einsetzbare Lösung – auch nicht für den Pilotbetrieb in Kärnten. In einer Hauruck-Aktion wurde daraufhin an einem Wochenende von einem Team der SV-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft ein provisorisches e-Rezept aus dem Boden gestampft. Es war das Wochenende des Lockdown-Beginns.
Warum das elektronische Rezept „á la Corona“ nicht die Lösung ist
So erfreulich die Ad-hoc-Lösung sein mag, sie kann kein Dauerzustand sein. Das elektronische Rezept „á la Corona“ nutzt eine technische Hilfskrücke: die Infrastruktur für die e-Medikation im Rahmen der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA. Da ELGA bereits seit Herbst 2019 läuft, konnte hier auf einer vorhandenen Lösung aufgebaut werden. Das ermöglichte den „Hauruck“. Eine Medikation ist allerdings kein Rezept. Zwar handelt es sich in beiden Fällen um medizinische Verordnungen von Arzneimitteln, aber mit unterschiedlichem Zweck. Bei der Medikation geht es um dokumentierte Anwendungsinformationen für Patienten und Behandlungsbeteiligte, Rezepte sind eine Abrechnungsgrundlage für die Krankenversicherung. Daher sollte das elektronische Rezept eigentlich auch nicht im Rahmen der ELGA-Struktur laufen, sondern im Rahmen der e-Card. Beide Systeme nutzen unterschiedliche technische Infrastrukturen.
Das erklärt auch, warum das ELGA-Provisorium keine Lösung für ein elektronisches Rezept sein kann. Es soll dem Zweck entsprechend im Rahmen der e-Card abgebildet werden. ELGA-Lösung und das Rezept sind zwei getrennte Entwicklungen. Hinzu kommt, dass das Provisorium Schwächen aufweist, was die Übersichtlichkeit, Prozessgeschwindigkeit und die technische Zuverlässigkeit betrifft. Angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Ad-hoc-Hilfskonstrukt handelt, ist das nicht weiter überraschend.
e-Rezept: Jetzt kommt die Erprobung
Corona hatte die Entwicklung des Provisoriums dann enorm beschleunigt, die ursprünglich angestrebte Dauerlösung wurde dagegen verzögert. Die bereits im letzten Jahr in Aussicht genommene Pilotierung musste verschoben werden. Was im Frühjahr 2020 beabsichtigt war soll nun in diesem Frühjahr beginnen. In ausgewählten Apotheken in den Kärntner Bezirken Völkermarkt und Wolfsberg wird das „finale“ e-Rezept als erstes erprobt. Dabei will man vor allem die Anbindung an die unterschiedlichen Apotheken-Software-Lösungen testen. In einem dreimonatigen Pilot-Rollout sollen daran anschließend alle Apotheken und Arztpraxen der Region folgen. Dann will man überprüfen, ob alle Services des elektronischen Rezeptes einwandfrei funktionieren – im Fokus vor allem die Rezept-Abrechnung, die tagesaktuelle Kontobefüllung zur Rezeptgebührenobergrenze und die Systemgeschwindigkeit.
Wenn alles wie vorgesehen läuft, soll die bundesweite Verfügbarkeit schnellstmöglich erfolgen. Die ursprünglich dafür vorgesehene Deadline „Mai 2022“ könnte auf diese Weise sogar gehalten werden. Das ELGA-Provisorium gehörte dann endgültig der Vergangenheit an und das elektronische Rezept wäre nicht länger Zukunft, sondern Gegenwart.