Noch vor dem Sommer möchte die Bundesregierung erste Maßnahmen für die geplante Gesundheitsreform vorstellen. Einige Details sind bereits bekannt. Unter anderem sollen neue Stellen für Kassenärzte/-innen geschaffen werden, weiterhin sind der Ausbau der Primärversorgung und der psychosozialen Versorgung geplant. Darüber hinaus sollen größere Vorräte an wichtigen Medikamenten angelegt werden.
Regierung will Reformpaket noch vor dem Sommer vorlegen
In Österreichs Kliniken herrscht Personalmangel. Im April mussten mehrere Spitäler Betten sperren, Oberärzte/-innen warnten vor einem Ausfall der Notaufnahmen. Auch im ambulanten Bereich fehlt es an Ärzten/-innen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) erkennen an, dass die Politik Probleme im Gesundheitssystem lange Zeit vernachlässigt hat. Strukturprobleme seien seit mindestens 15 Jahren verschleppt worden, so Nehammer. Um das Gesundheitssystem rasch zu stärken, möchte die Bundesregierung noch vor dem Sommer erste Schritte zu einer Gesundheitsreform setzen.
Als ein besonders dringendes Problem sehen die Regierungsmitglieder den Mangel an Kassenärzten/-innen in allen Bereichen an. Während die Zahl der Kassenärzten/-innen stagniert, steigt die Zahl der Wahlärzte/-innen, was ein Zweiklassen-System in der Gesundheitsversorgung zur Folge haben könnte. In bestimmten Regionen fehlt es zudem an Hausärzten/-innen. Aber auch in manchen Fachbereichen bekommen Patienten/-innen nur schwer Termine. Medizinischer Nachwuchs verlässt oft nach der Ausbildung das Land. In Folge ist das Personal im Gesundheitswesen überlastet. Nach der Corona-Pandemie bestehen zudem teilweise Engpässe bei der Medikamentenversorgung.
Gesundheitsreform: Diese Maßnahmen sind geplant
Diese Probleme sollen mit dem geplanten Reformpaket angegangen werden. Unter anderem soll bis 2028 eine Finanzspritze von 10 Milliarden Euro ins Gesundheitssystem fließen. Das entspricht zwei Milliarden pro Jahr. Im Zentrum steht weiterhin der Ausbau der Kassenstellen. Noch in diesem Jahr sollen 100 neue Kassenstellen geschaffen werden, weitere 800 im Verlauf der kommenden fünf Jahre. Zusätzliche 100 Millionen Euro sollen in den Ausbau von Primärversorgungseinheiten (PVE) fließen. Darüber hinaus sollen PVE auch für Fachärzte/-innen geöffnet werden, insbesondere in Fachbereichen mit hohem Ärztemangel, etwa in der Kinder- und Jugendheilkunde.
Um das medizinische Personal in den Spitälern zu entlasten, ist zudem die Aufwertung der Pflege geplant. Diplomiertes Gesundheits- und Krankenpersonal soll unter anderem die Kompetenz erhalten, Pflegegutachten auszustellen und die Erstverordnung von Medizinprodukten für Pflegefälle vorzunehmen.
Die weiteren Pläne:
- Verbesserung der psychosozialen Versorgung
- Ausbildungsreform mit Facharzt/-ärztin für Allgemeinmedizin
- bessere Förderung von Praxisgründungen
- Ausbau digitaler Angebote
- Vorratungshaltung wichtiger Medikamente, um Engpässen vorzubeugen
- Ausbau des Medikamentenversands durch die Einrichtung von Abholfächern und Abholstationen für rezeptfreie Arzneimittel
Bis 2030 sollen zudem 350 Millionen Euro in eine sogenannte Klimaförderung für Arztpraxen, Apotheken, Spitäler, Ambulatorien und Pflegeeinrichtungen fließen.
Ärztekammer zeigt sich skeptisch
Um konkrete Maßnahmen zu schaffen, möchte sich die Bundesregierung in den kommenden Wochen intensiv mit Experten/-innen beraten. Vollkommen allein kann die Regierung nicht über ihre Reformpläne entscheiden. Für den Spitalbereich sind die Bundesländer zuständig, Mitspracherecht haben zudem die selbstverwalteten Krankenkassen und Stakeholder wie die Ärztekammer, die Apothekerkammer und die Industrie. Über den Finanzausgleich und die Gesetzgebung, die für einige Reformen notwendig ist, kann die Regierung allerdings den Rahmen setzen. Erste Schritte sollen daher noch während der laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich gesetzt werden.
Die Österreichische Ärztekammer begrüßt die bisherigen Pläne zur Gesundheitsreform, kritisiert aber, dass Ärzte/-innen bislang nicht in die Planung einbezogen wurden. Einigen Plänen der Bundesregierung steht die Ärztekammer skeptisch gegenüber. So sei zwar der Ausbau der PVE an einigen Standorten durchaus sinnvoll, diese könnten allerdings nicht das Grundproblem für den Mangel an Kassenärzten/-innen lösen: Starre Strukturen und der Honorarkatalog halten viele Ärzte/-innen von der Annahme einer Kassenstelle ab. Zweckdienlicher sei es, flexiblere Rahmenbedingungen zu schaffen und den Leistungskatalog an die Bedürfnislage der Patientenversorgung anzupassen. Die geplanten Öffnungszeiten der PVE könnten zudem nicht dazu beitragen, die Spitäler zu entlasten. Insgesamt fehlt der Ärztekammer bei den Reformplänen der Blick aufs Ganze.