Raus aus der Klinik, rein in die eigene Arztpraxis! Die Möglichkeit der selbstständigen Berufsausübung in Form einer eigenen medizinischen Praxis will hierbei gut geplant sein. Praxisgründung leicht gemacht: Wissenswertes zu den wichtigsten Schritten rund um die Gründung im folgenden Beitrag zum Nachlesen.
Inhaltsverzeichnis
Der Weg zur eigenen Praxis
Den Entschluss, eine eigene Praxis zu gründen und sich als Ärztin oder Arzt niederzulassen, wird nicht selten schon in den ersten Ausbildungsjahren gefasst. Zahlreiche Stolpersteine können den Weg zur eigenen Praxis aber durchaus erschweren, weshalb eine gute Planung und Vorbereitung unabdingbar ist und zeitnah erfolgen sollte.
Empfohlen wird mit der Vorbereitung des Eröffnens der eigenen Praxis spätestens ein Jahr vor Eröffnungstermin zu beginnen. Die Planung zur Praxisgründung umfasst zum Beispiel Themen, wie Standort, Finanzierung, Versicherung, Steuer, Personal, Ordinationsbedarf, Marketing, Qualitätssichererung und EDV – eine fachlich fundierte Niederlassungsberatung ist in jedem Fall unbedingt in Anspruch zu nehmen. Für Ärztinnen und Ärzte werden kostenlose Erstgespräche von Expertinnen und Experten auf dem Gebiet angeboten.
Praxisgründung – Der richtige Standort
Der Standort für die eigene Praxis will gut gewählt sein und sollte nicht unbedingt von emotionalen Gründen, wie Kindheitserinnerungen an der Gegend, den Lieblingsitaliener um die Ecke oder der schnell zu erreichende Weg zum Fitnessstudio abhängig gemacht werden. Denn der „richtige“ Standort entscheidet darüber, ob die eigene Praxis Erfolg haben kann und tatsächlich kann die Wahl des Standorts nur erschwert rückgängig gemacht werden ohne hierbei zusätzliche weitere Mühen und Kosten zu investieren.
Der „richtige“ Standort muss aus betriebswirtschaftlicher Sicht stimmen. An dieser Stelle sei zu empfehlen sich Expertinnen und Experten zu wenden, die eine sogenannte Standortanalyse in Österreich nach wirtschaftlichen und soziodemografischen Kriterien durchzuführen. Durch eine Standortanalyse lassen sich finanzielle Risiken minimieren und optimale örtliche Rahmenbedingungen sicherstellen.
Praxisgründung – Welche Fähigkeiten sollte man mitbringen?
Die Stoffmenge im Medizinstudium ist immens. Doch eines wird im Lehrplan des Medizinstudiums nicht berücksichtigt, nämlich: wie man eine Praxis gründet, wie man Mitarbeiter/innen führt, wie man sich wirtschaftlichen Erfolg sichert oder eine Marketingstrategie entwickelt, damit die Entwicklung der eigenen Praxis einen guten Lauf annimmt. Um all diese Dinge geht es tatsächlich, wenn man als Ärztin oder Arzt den Entschluss fasst, sich niederzulassen und eine eigene Praxis zu gründen.
Wer sich in die Selbstständigkeit „stürzt“ ist nicht nur Ärztin oder Arzt, sondern gleichzeitig auch noch Finanzchef, Personalchef, Marketingleiter und für die gesamte Verwaltung zuständig. Welche Fähigkeiten sollte man demnach mitbringen, wenn man den Wunsch nach einer Praxisgründung hegt?
Unternehmensgeist und Durchhaltevermögen
Sicherlich ist eine fundierte medizinische Ausbildung von enormer Wichtigkeit, aber nicht ausschließliches Erfolgsrezept. Eigenschaften, wie Unternehmergeist sowie Durchhaltevermögen, sind entscheidend, um neben der medizinischen Versorgung auch noch das eigene Unternehmen zu führen.
Die Leiterin der Abteilung Finanzservice Ärzte und Freie Berufe in der Hypo Oberösterreich, Marietta Kratochwill, äußert sich in diesem Zusammenhang: „Die Lebenssituation ändert sich maßgeblich, wenn man vom Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit wechselt. Der Arzt hat dann in einer Person mehrere Rollen über – vom Mediziner über den Betriebswirt bis hin zum Techniker. Zuvor kümmert man sich fast ausschließlich um den medizinischen Bereich – natürlich kommen auch administrative Tätigkeiten und teilweise Führungsverantwortung dazu, aber man hat als Arzt im Krankenhaus ein System, welches einem die Infrastruktur zur Verfügung stellt. Als Einzelunternehmer muss man sich um alles selbst kümmern“.
Auch für Frau Sylvia Hummelbrunner, der Leiterin des Bereiches Wirtschaftsrecht von der Ärztekammer Oberösterreich, ist Unternehmergeist von großer Wichtigkeit: „Es braucht unternehmerische Fähigkeiten, die man sich zu einem großen Teil aneignen kann. Wer allerdings ein Problem damit hat, für erbrachte Leistungen Honorare zu fordern und diese notfalls auch einzumahnen sowie sich den bürokratischen Anforderungen der Selbständigkeit zu stellen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dafür geeignet“.
Betriebswirtschaftliches Wissen
Nicht nur das unternehmerische Geschick und Durchhaltevermögen sind gefragt, sondern vor allem eine gute Planung des Unternehmens in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, die wohl den schwierigsten Bereich darstellt. Die Planungen umfassen unter anderem:
- Einschätzung der ungefähren Praxiskosten
- Erstellung des Leistungsspektrums
- Investitions- und Finanzplanung
In dieser Hinsicht wird geraten, Beratungsangebote der Ärztekammer zur Praxisgründung wahrzunehmen: regelmäßige sogenannte Wahlberatungs-Nachmittage für niederlassungsinteressierte Wahlärzte in Österreich finden statt, in denen wirtschaftliche Themen, werberechtliche Themen, wettbewerbsrechtliche Themen und arbeitsrechtliche Fragestellungen behandelt werden.
Persönlichkeit und Praxiserfolg
Nachfolgend können der Übersichtshalber folgende Eigenschaften genannt werden, die den Praxiserfolg steigern lassen:
- fundierte medizinische Ausbildung und kompetente ärztliche Versorgung
- unternehmerisches Geschick
- betriebswirtschaftliches Denken
- Durchhaltevermögen
- Durchsetzungsvermögen
- Problemlösungsorientierung
- Marketingstratergie: optimale Eigenwerbung
- vorbildlicher Umgang mit Patientinnen und Patienten
- Personalmanagement: vorbildlicher Umgang mit dem Personal, um Mitarbeiterzufriedenheit sicherzustellen und ein gutes Arbeitsklima zu schaffen
Praxisgründung – Vor- und Nachteile
Hat man das Zeug für eine eigene Praxis? Mit dieser Frage sollte man sich intensiv beschäftigen, da der Klinikalltag im Angestelltenverhältnis sicherlich nicht mit dem Dasein als eigene Chefin/ eigener Chef vergleichbar ist. Ärztinnen und Ärzte mit Unternehmergeist können im Hinblick auf die Praxisgründung durchaus im Vorteil sein. Eine Praxisgründung beinhaltet sowohl Vorteile als auch Nachteile und sollten berücksichtigt werden.
Folgende Vor- sowie Nachteile können im Hinblick auf eine Praxisgründung beispielhaft genannt werden:
Vorteile
- eigenes Praxiskonzept
- Planung und Einrichtung der Praxis nach eigenen Vorstellungen
- Behandlungsweise und Umgang mit Patienten nach eigenen Vorstellungen
- Praxisstandort frei wählbar
- Aufbau eines eigenen Praxisteams
- Arbeitszeiten flexibel und frei einteilen
Nachteile
- höhere Investitionskosten als bei einer Praxisübernahme
- Start bei „Null“, dadurch: längere Anlaufzeit (Planung und Eröffnung) als bei einer Praxisübernahme
- anfangs keine festen Strukturen (Patienten, Praxisteam)
Praxisgründung – Finanzierung und Kosten
Was kostet eine Praxis? Diese Frage scheint mit Abstand eine der wichtigsten Fragen zu sein, die sich angehende Existenzgründer/innen stellen. Und die Antwort darauf: Es sollte mit hohen Kosten gerechnet werden. Eine individuelle und fachlich fundierte Beratung ist hier das A und O. Bei Start in die Selbstständigkeit steht zum Beispiel die Österreichische Ärzte- und Apothekerbank AG (Apobank) für eine umfassende Gründungsberatung zur Verfügung und bietet folgende zwei Finanzierungen an:
- Praxisgründungskredit (Finanzierungsbetrag bis zu EUR 75.000,-)
- Start Plus Finanzierung (Finanzierungsbetrag bis zu EUR 350.000,-)
Dem Flyer zur “Starthilfe für Ihre Gründung” können weitere Informationen zur Finanzierung einer Arztpraxis entnommen werden.
Praxisgründung – Rechtsformen
Auf dem Weg zur Niederlassung wird man mit zahlreichen rechtlichen und wirtschaftlichen Themen konfrontiert. Es wird empfohlen, sich bei einer Steuerberatung ausführlich beraten zu lassen. Folgende Rechtsformen stehen zur Wahl:
- Miteigentumsgemeinschaften
- Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesBR)
- offene Gesellschaft (OG)
- Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder
- Aktiengesellschaft (AG)
Bei einer in der Praxis vorkommenden GesBR, OG oder KG ist lediglich das Führen einer einfachen Gewinnermittlung in Form einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erforderlich. Für Ärzte GmbHs gilt es, den Gewinn mittels doppelter Buchführung (Bilanz) zu ermitteln.
Gehaltsunterschiede – Der Verdienst einer Praxis
Das Durchschnittseinkommen für Ärzte in Österreich beträgt ungefähr € 70.750 brutto pro Jahr und entspricht ca. € 5.050 brutto pro Monat. Berufseinsteiger wie Ärztinnen und Ärzte in der Basisausbildung, Turnusausbildung oder Assistenzärztinnen und Assistenzärzte erhalten zunächst niedrige Gehälter im Vergleich zu erfahrenen Ärztinnen und Ärzten in leitender Position. Auch der Verdienst von niedergelassenen Fachärzten mit eigener Praxis ist monatlich höher und liegt bei € 6.100. Zum Vergleich das Gehalt in Chefarztposition: € 9.000.
Mehr Informationen zum Arzt Gehalt in Österreich gibt es im Artikel: Arzt Lohn – wie viel verdienen Ärzte in Österreich?
Kongress rund um die Gründung der eigenen Praxis
Die „Praxisgründungstage“ in Österreich bieten die Möglichkeit, sich gezielt auf die Niederlassung in Form einer eigenen Praxis vorzubereiten und zu informieren. Ausgewählte Vorträge und Messebereiche mit zahlreichen Ausstellern von Expertinnen und Experten werden angeboten und bieten die Gelegenheit, sich vor Ort erstmalig beraten zu lassen.
Österreichs größter Kongress für die Praxisgründung ist für den 16.Oktober 2020 in Salzburg geplant gewesen. Aufgrund der derzeitigen Lage rund um die Pandemie ist die Veranstaltung abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Ob die Kongresse zur Praxisgründung 2021 in Graz und Wien stattfinden, ist fraglich und bleibt abzuwarten. Informationen zu den Praxisgründungstagen in Österreich können auf folgender Internetseite entnommen werden: praxisgruendungstage.at.
Praxisgründung in Krisenzeiten
Sofern der Entschluss gefasst ist, eine Arztpraxis zu gründen oder gegebenenfalls eine bestehende Praxis zu übernehmen, können vor allem in Krisenzeiten Zweifel aufkommen und die Frage stellen, ob es sich um den richtigen Zeitpunkt handelt oder womöglich besser abzuwarten und den Wunsch der Niederlassung auf später zu verschieben.
Sicherlich ist von einer vermehrten Unsicherheit im Hinblick auf das finanzielle Risiko auszugehen. Wie sich das Niederlassungsgeschehen in der Corona-Zeit entwickelt und ob weniger Anträge beim Zulassungsausschuss für eine Niederlassung eingehen, konnte bislang noch nicht festgestellt werden und bleibt abzuwarten.