Wer unter dem sogenannten Hochstapler-Syndrom leitet, glaubt nicht an die eigenen Leistungen, hält den eigenen Erfolg für unverdient und fühlt sich kurz gesagt wie ein Schwindler. Ärztinnen und Ärzte sind besonders häufig betroffen. Der hohe Erwartungsdruck, dem sie im Berufsalltag ausgesetzt sind, führt dazu, dass sie sich überfordern – und dann an ihrem eigenen Können zweifeln. Was lässt sich dagegen tun?
Die Angst, als Betrüger entlarvt zu werden
Ärzte sind im Berufsalltag hohen Erwartungen ausgesetzt. In Folge überfordern sich viele Mediziner und vernachlässigen ihre persönliche Gesundheit für ihre Arbeit. Manche entwickeln dabei das Gefühl, ihren Patienten trotz aller Fachkompetenz nicht richtig helfen zu können, und entwickeln persönliche wie intellektuelle Selbstzweifel.
Wer unter dem Hochstapler- oder Impostor-Syndrom leidet, lebt in ständiger Angst, als Betrüger entlarvt zu werden. Betroffen sind vor allem Personen, die eigentlich berufliche Erfolge erbringen. Diese Erfolge schreiben sie jedoch nicht den eigenen Fähigkeiten zu, sondern Glück oder zwischenmenschlichen Beziehungen.
Bereits viele Medizinstudierende fühlen sich als Hochstapler. Im späteren Berufsleben tragen häufig wechselnde Aufgabenbereiche, negative berufliche Erfahrungen, abgelehnte Bewerbungen und Manuskripte sowie schlechte Patientenbewertungen zu dem Gefühl bei, sich die eigene Position unredlich erschlichen zu haben.
Fünf Persönlichkeitstypen
Ein Artikel in der US-amerikanischen Fachzeitschrift Mayo Clinic Proceedings unterscheidet fünf Typen, in denen sich das Impostor-Syndrom zeigt:
- Perfektionisten setzen sich selbst unerreichbare Ziele und fühlen sich als Betrüger, wenn sie den eigenen Ansprüchen nicht genügen.
- Experten leiden, weil sie glauben, zu wenige Kenntnisse über den eigenen Beruf zu haben.
- Superhelden halsen sich selbst zu viel Arbeit auf, um das Gefühl zu haben, mit den Kollegen mithalten zu können.
- Naturgenies schämen sich, wenn sie sich beim Erlernen einer Tätigkeit anstrengen müssen.
- Solisten oder Einzelkämpfer halten es für ein Zeichen persönlicher Schwäche, wenn sie um Hilfe bitten müssen.
Ärztinnen sind häufiger betroffen als Ärzte
Eine von 2020 bis 2021 in den USA durchgeführte Analyse wertete Daten von mehr als 3.000 Ärztinnen und Ärzten zu diesem Phänomen aus. Das Ergebnis: Ärztinnen sind häufiger vom Impostor-Syndrom betroffen als ihre männlichen Kollegen. Vor allem jüngere Personen und Unverheiratete leiden darunter. An Universitätsspitälern ist das Phänomen weiter verbreitet als an anderen Kliniken. Zu den am häufigsten betroffenen Fachrichtungen gehören Kinder- und Notärzte, während das Phänomen in der Ophthalmologie, Radiologie und orthopädischen Chirurgie vergleichsweise selten auftritt.
So gehen Ärzte mit dem Impostor-Syndrom um
Die Wissenschaftler geben Betroffenen auch Tipps, wie sie mit dem Hochstapler-Syndrom umgehen können:
- Vergangene Leistungen würdigen: Wer sich wie ein Betrüger vorkommt oder sich unzulänglich fühlt, sollte sich an vergangene Leistungen erinnern, die zur aktuellen beruflichen Position geführt haben.
- Gespräche mit Unbeteiligten suchen: Oft hilft es auch, mit Freunden oder Kollegen über das Gefühl der Unzulänglichkeit zu sprechen, um dieses besser einordnen zu können.
- Perfektionismus bekämpfen: Ärzte sollten den Drang bekämpfen, in jeder Situation perfekt sein zu müssen. Es gilt, zu akzeptieren, dass gute Leistungen im herausfordernden Beruf vollkommen ausreichend sind.
- Mitgefühlt mit sich selbst haben: Betroffene sollten sich selbst gegenüber mitfühlend und empathisch bleiben.
- Bewusstsein schaffen: Betroffenen kann es auch helfen, sich ins Bewusstsein zu rufen, dass das Hochstapler-Syndrom ein sehr häufiges Phänomen ist und sie mit ihren Unzulänglichkeitsgefühlen nicht allein dastehen.