Kinderheilkunde bzw. Pädiatrie ist ein eigenständiges medizinisches Fachgebiet. Als altersbegrenzter Teil der Allgemeinmedizin will sie Kinder und Jugendliche in ihrer Lebenswelt ganzheitlich und umfassend medizinisch betreuen. Das reicht weit über die Behandlung typischer „Kinderkrankheiten“ hinaus und erfordert eine entsprechende Ausbildung. Für eine gute Versorgung bedarf es außerdem einer ausreichenden Zahl an Kinderärztinnen und Kinderärzten im Land. In Österreich droht ein dramatischer Kinderärzte-Mangel. Darauf machte kürzlich der Verein KiB children care aufmerksam und startete eine Initiative für eine Online-Petition, um gegensteuernde Maßnahmen von der Politik einzufordern.
600 Kinderärzte für 1,3 Millionen Jungösterreicher
In Österreich lebten zum 1. Januar 2021 rund 1,7 Millionen Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren, nimmt man nur die unter-15-jährigen – die potenzielle Zielgruppe von Kinderärztinnen und Kinderärzten –, sind es immer noch knapp 1,3 Millionen. Das ist etwa ein Siebtel der österreichischen Bevölkerung. Dieser Zahl an möglichen Patientinnen und Patienten stehen landesweit gut 600 Kinderärztinnen und Kinderärzte mit eigener Praxis gegenüber. Rein rechnerisch kommt damit auf rund 2.200 Jungösterreicher unter 15 Jahren eine Kinderärztin bzw. ein Kinderarzt. Von den 600 Kinderärzten haben etwa 250 (ca. 42 Prozent) einen allgemeinen Kassenvertrag (ÖKG), 30 (5 Prozent) einen Kassenvertrag der sog. „kleinen Kassen“ (BVA, SVA der Gewerblichen Wirtschaft, VAEB, SVA der Bauern). Über 320 Kinderärztinnen und Kinderärzte (ca. 53 Prozent) sind als Wahl- oder (seltener) reine Privatärzte tätig.
Jeder dritte Kinderarzt in Österreich hat den Ruhestand im Blick
Gerade im Bereich der Kassenärztinnen und Kassenärzte macht sich der Mangel besonders stark bemerkbar. Darauf weist KiB children care mit seiner Initiative hin. Schon jetzt seien 40 kinderärztliche Praxen mit Kassenvertrag unbesetzt. Aufgrund der Altersstruktur der Kinderärztinnen und Kinderärzte in Österreich müsse überdies in den nächsten fünf bis zehn Jahren mit einer deutlichen Verschärfung der Besetzungssituation gerechnet. Viele Kinderärzte überschreiten in naher Zukunft die Altersgrenze von 65 Jahren und werden in den Ruhestand gehen. Folgt man der österreichischen Ärztestatistik, liegt das Durchschnittsalter bei Ärztinnen und Ärzten für Kinder- und Jugendheilkunde heute bei 50,9 Jahren. Ein gutes Drittel der Kinderärzte ist älter als 55 Jahre, jeder zwölfte ist bereits älter als 65 Jahre.
Nicht jeder kann sich den Privatarzt leisten
Angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Kinderärzte Privatärzte sind und Kassenarztpraxen zunehmend unbesetzt bleiben, sieht KiB children care dringenden politischen Handlungsbedarf. Gerade in der ländlichen Versorgung drohten „Leerstellen“ bei der kassenärztlichen Versorgung. Dort wo kein Kinderarzt mit Kassenvertrag in der Nähe sei, bleibe oft nur der – suboptimale – Gang zum praktischen Arzt oder die ärztliche Behandlung werde erst einmal aufgeschoben. Dort wo ein Privat(wahl-)arzt im Bereich Kinder- und Jugendheilkunde „vor Ort“ sein, übernehme die Krankenkasse zwar Kostenanteile, aber längst nicht alle Kosten. Diese müssten die Familien dann aus eigener Tasche bezahlen. Bei nicht selten anfallenden Beträgen von mehreren hundert Euro sei das eine erhebliche finanzielle Belastung. Die Initiative fordert daher für Fälle, wo eine kassenärztliche Basisversorgung derzeit nicht existiert, eine volle Kostenerstattung im Rahmen der ÖGK.
KiB children care – seit über 35 Jahren für Kinder aktiv
Der Verein KiB children care versteht sich als Sprachrohr für Familien mit kranken Kindern und setzt sich mit Aktivitäten wie der dargestellten Initiative für deren Anliegen ein. Der Verein wurde 1986 als „Familien-Selbsthilfeverein Kinderbegleitung“ in Vöcklabruck gegründet und besteht somit seit mehr als 35 Jahren. 2004 erfolgte die Umbenennung in KiB children care. Eine wichtige Initiative seither war notfallmama – ein Österreich-weites Netzwerk für Familien, bei denen ein Elternteil krankheitsbedingt vorübergehend ausfällt. Die Online-Petition reiht sich in diese Aktivitäten des Vereins nahtlos ein.