Im bisher heißesten Sommer 2019 hatte Österreich 198 Hitzetote zu verzeichnen. In den insgesamt überdurchschnittlich “hitzigen” Sommermonaten der Jahre 2013 bis 2019 waren es über 3.700 Todesfälle. Diese Zahlen zeigen eindrucksvoll, wie der Klimawandel die menschliche Gesundheit in hohem Maße gefährden kann. Das höhere Hitzetod-Risiko ist keineswegs die einzige Auswirkung der Erderwärmung im medizinischen Bereich. Die Klimaveränderung hat für Ärzte mehr Bedeutung als vielen bewusst ist.
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Klimawandel – Schon zwei Grad mehr in Österreich
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich die Durchschnittstemperatur in Österreich um rund zwei Grad erhöht. Dabei ist seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre ein signifikanter Temperatursprung auf ein höheres Niveau zu beobachten – das was gemeinhin als Klimawandel oder pointierter als Klimakrise bzw. Klimakatastrophe bezeichnet wird. Empfunden wird dies vor allem bei Extremwetterperioden wie den Hitzesommern der vergangenen Jahre. Auch wenn es zwischendurch immer wieder kühlere Jahre gab und gibt, ist der Temperaturtrend nach oben unbestreitbar. Für die Medizin bedeutet das zwangsläufig, dass Ärztinnen und Ärzte im beruflichen Alltag mit dem Faktor Klimawandel vermehrt rechnen muss.
Mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch anhaltende Hitze
Dass extreme Hitze ein Gesundheitsrisiko darstellt, leuchtet unmittelbar ein. Sie führt häufiger zu Blutdruckabfall und der Flüssigkeitshaushalt gerät schneller durcheinander. Insbesondere bei längerer Dauer wird das Herz-Kreislauf-System nachhaltig belastet. Besonders betroffen sind ältere Menschen, Kinder, Schwangere und chronisch Kranke. Da sich mit der allgemeinen Erwärmung Hitzeereignisse häufen, sind auch mehr Krankheitsfälle in diesem Bereich zu erwarten. Das Sterblichkeitsrisiko von Herzkranken steigt bei längerdauernder Hitze um bis zu 15 Prozent. Besondere Hitzeanfälligkeit weisen städtische Räume auf, da das dort herrschende Mikroklima per se mit überdurchschnittlichen Temperaturen einhergeht.
Klimawandel bringt Tropenkrankheiten nach Österreich
Typische “Tropenkrankheiten” wie Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber, Zika oder Chikungunya waren früher ein unfreiwilliges “Reisemitbringsel”. Der Klimawandel trägt solche Erkrankungen jetzt auch in unsere Breiten, weil bestimmte tropische Stechmückenarten, die die Krankheiten übertragen, sich mehr und mehr bei uns heimisch fühlen. Aber auch für die warme Jahreszeit typische Erkrankungen wie Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) werden häufiger auftreten, je länger Wärmeperioden dauern, weil Zecken als Krankheitsüberträger sich entsprechend länger halten und “wirken” können. Österreich zählt schon heute zu den am meisten von FSME betroffenen Ländern Europas. 2020 wurden 215 Infektionen gezählt – ein Rekordwert, der mit dem Klimawandel in den kommenden Jahren übertroffen werden könnte.
Allergien durch längeres Blühen verstärkt
Auch Allergien werden noch stärker zunehmen, wenn es wärmer wird. Die Vegetationsperiode vieler Pflanzen wird sich verlängern. Die Konsequenz: Die Produktion von mehr Pollen und der Pollenflug intensiviert sich. Bleibt es in der warmen Jahreszeit außerdem trocken, fehlt die pollenreinigende Wirkung des Regens. Allergiker müssen daher mit verstärkten Überempfindlichkeitsreaktionen rechnen. Sie reichen vom klassischen “Heuschnupfen” über Hautreaktionen bis zum Asthma. Die Zahl der Allergieerkrankungen mit entsprechendem Behandlungsbedarf dürfte zunehmen.
Psychische Belastungen durch Klimakrise
Auch negative Effekte auf die Psyche sind in Folge des Klimawandels nicht ausgeschlossen. Krankheit an sich bedeutet eine psychische Belastung. Kommt es durch den Klimawandel vermehrt zu schweren Erkrankungen, dürfte die Zahl der dadurch ausgelösten Belastungsstörungen steigen. Menschen mit ohnehin schon anfälliger Psyche können sich außerdem durch “schlechte Nachrichten” über Klimaveränderungen und ihre Auswirkungen überdurchschnittlich stark beeindrucken lassen. Überschwemmungen, Dürren, Stürme, das Schmelzen des Eises und der Anstieg des Meeresspiegels befeuern Phantasien eines bevorstehenden Weltuntergangs und einer akuten Bedrohung des persönlichen Lebens. Angst und Depression können die Folge sein.
Die Klimabilanz des österreichischen Gesundheitswesens
Neben diesen Krankheitseffekten ist der Klimawandel aber noch in anderer Hinsicht von Bedeutung. Das Gesundheitswesen ist selbst Verursacher von klimaschädlichen Emissionen. Das Forschungsprojekt “HealthFootprint – Carbon Footprint des österreichischen Gesundheitssektors” hat in einer zweijährigen Studie den CO2-Fußabdruck des Gesundheitswesens in Österreich untersucht. Beteiligt waren die Universität für Bodenkultur Wien (Boku), das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und das nationale Forschungsinstitut Gesundheit Österreich.
Gesundheitswesen für 7 % des CO2-Fußabdrucks in Österreich verantwortlich
Die Ergebnisse wurden Mitte 2020 vorgestellt. Danach steht der Gesundheitssektor für rund 7 Prozent des CO2-Fußabdrucks in Österreich. Das mag auf den ersten Blick überraschen, gilt doch die Gesundheitsbranche gemeinhin als “sauber”. Schaut man genauer hin, relativiert sich dieser Eindruck. Die vom Gesundheitswesen ausgehenden Klimabelastungen sind vielfältig. Sie reichen von den Effekten der Energieversorgung in Krankenhäusern, Arztpraxen und sonstigen Gesundheitseinrichtungen über klimaschädliche Arzneimittelherstellung bis zu klimaabträglichem Patientenverhalten.
Der Krankenhausbereich ist für rund ein Drittel der CO2-Emissionen des Gesundheitssektors verantwortlich. Auf Arzneimittel und medizinische Verbrauchsmaterialien entfällt ca. ein Fünftel. Nicht zu unterschätzen ist der Beitrag der Patienten zur negativen Klimabilanz. Hier sind vor allem Fahrten mit dem eigenen Auto oder Taxi vom oder zum Arzt für CO2-Ausstoß verantwortlich. Während im Untersuchungszeitraum die Negativeffekte durch Energieverbrauch rückläufig waren, stieg der Beitrag des Privatverkehrs an – unter anderem eine Folge häufigerer Patientenbesuche.
Klimaschutz im Gesundheitswesen
Das Gesundheitswesen könne sehr wohl einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz leisten, stellen die Forscher fest. Die Versorgung müsse darunter nicht leiden. Ein Ansatz sei zum Beispiel mehr Gesundheitsförderung und bessere Vorbeugung. Dadurch erübrige sich mancher Arztbesuch von vornherein. Hinzu kämen weitere Energieeinsparungen durch mehr Energieeffizienz, Abbau von unnötigem Medikamentenkonsum und Verzicht auf überflüssige Leistungen wie Mehrfachuntersuchungen. Auch der Ausbau der ärztlichen Primärversorgung könne dazu beitragen, weite Wege zu reduzieren. In der Studie nicht explizit genannt, aber auch ein Beitrag dürfte der Ausbau von digitalen Behandlungsangeboten sein.
Dieser Überblick macht deutlich, wie vielfältig der Klimawandel die Tätigkeit von Ärzten berührt. Jeder Mediziner kann in seinem Bereich einen Beitrag dazu leisten, Klimaschädigungen zu reduzieren und die Folgen des Klimawandels für Patienten erträglicher zu machen.