Dass Frauen statistisch nachweislich im Durchschnitt ein höheres Lebensalter erreichen, ist seit Jahren bekannt. Aber wieso erscheinen Frauen häufiger als Männer von Krankheiten geplagt? Der Frage nach den Gründen für die höhere Lebenserwartung und den augenscheinlich häufigeren Erkrankungen von Frauen geht dieser Beitrag nach.
Durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen höher
Geriatrie- und Pflegepatienten sind überwiegend weiblich. Seit dem Jahr 1984 ist nachgewiesen, dass Männer in jedem Lebensalter ein höheres Sterblichkeitsrisiko besitzen als Frauen. Sie werden häufiger Opfer von Verkehrsunfällen, begehen Suizid oder erkranken an Lungenkrebs. Auffällig bei Frauen hingegen ist deren erhöhte Morbidität. Frauen leiden dafür häufiger unter Erkrankungen, die nicht unmittelbar zum Tod führen.
Morbidität ist eine Genderfrage
Viele Hypothesen versuchen, den Unterschied zwischen dem Erkranken von Frauen und Männern zu erklären. Biologische, aber auch soziale Faktoren sowie der Zugang zu Gesundheitsleistungen und Behandlungen spielen dabei eine Rolle. Denn hier liegen gravierende Unterschiede zwischen den Geschlechtern verborgen. Während Männer bei Studien häufiger angeben, unter lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs oder Herzinsuffizienz zu leiden, nehmen muskuloskelletale Erkrankungen, Migräne und Autoimmunerkrankungen bei Frauen Spitzenplätze ein. Für Frauen bedeutet dies, krank ohne akut lebensbedrohliche Erscheinungen zu sein.
Geschlechtsspezifische Morbidität – ein multifaktorielles Geschehen
Biologische Faktoren stehen auf den ersten Blick an oberster Stelle, um diese geschlechtsspezifischen Unterschiede zu erklären. Tatsächlich ist bekannt, dass Frauen über ein reagibleres Immunsystem besitzen als Männer. Daraus resultiert eine höhere Wahrscheinlichkeit für Autoimmunerkrankungen, aber auch eine verbesserte Infektabwehr. Männer ziehen sich wegen der immunsuppressiven Wirkung des Testosterons häufiger Infekte zu. Zudem profitieren Frauen von den positiven, schützenden Effekten des Östrogens, das Herzerkrankungen vor der Menopause sehr selten werden lässt. Aber auch nach den Wechseljahren, die mit wesentlich niedrigerem Östrogenspiegel einhergehen, leiden Frauen seltener an kardiovaskulären Erkrankungen. Ein rein biologisch begründeter Erklärungsversuch reicht also offensichtlich viel zu kurz.
Verhalten und Lebensstil sehr verschieden
Statistische Untersuchungen fördern große Unterschiede im Lebensstil von Frauen und Männern zutage. Bei Männern häufiger anzutreffen sind Lebensstilfaktoren, wie Rauchen, Alkoholkonsum und Konsum psychoaktiver Drogen. Aber auch risikoreiches Autofahren und Sportarten mit erheblicher Verletzungsgefahr sind bei Männern weiter verbreitet als bei Frauen.
Auf der anderen Seite zeigt sich bei Frauen statistisch häufiger ein gesundheitsbewusstes Ernährungsverhalten. Fettreduzierte Nahrung, weniger Fleisch, Ballaststoffe aus frischem Obst und Gemüse helfen dem Körper, optimal zu arbeiten. Zudem verhindert eine gesundheitsbewusste Ernährung den Aufbau von übermäßigem viszeralen Fett, dass als starker Risikofaktor für gleich mehrere Erkrankungen gilt.
Soziale Akzeptanz von Krankheit
Nicht wenige Männer scheuen sich schon davor, sich selbst eine Erkrankung einzugestehen, da sie dahinter ein Eingeständnis von Schwäche fürchten. Dementsprechend seltener und später in der Erkrankung suchen sie einen Arzt auf. Dabei wäre die rechtzeitige Behandlung ein wichtiger Faktor für eine langfristige Gesundheit und mehr Wohlbefinden. Für Frauen hingegen ist das Kranksein sozial stärker akzeptiert. Sie fürchten keinen Gesichtsverlust, wenn sie sich Hilfe bei Ärzten suchen und gestehen sich selbst das Kranksein eher zu.
Während Frauen in Befragungen meist offen über ihre Beschwerden und Erkrankungen berichten, neigen Männer dazu, diese herunterzuspielen. Als Resultat werden Frauen öfter vom Arzt krankgeschrieben, kurieren sich besser aus und zeigen generell mehr Interesse an ihrer eigenen Gesundheit.
Ab 50 größere Unterschiede
Erst ab dem 50. Lebensjahr zeigen sich die geschlechtsspezifischen Unterschiede deutlich: Männer ab diesem Lebensalter müssen nicht nur häufiger im Krankenhaus behandelt werden als Frauen, sondern haben eine höhere Verweildauer. Da Männer meist erst in späteren Krankheitsstadien zum Arzt gehen, sind dafür im Nachgang aufwändigere und längere Behandlungen notwendig. Weil Frauen häufiger den Arzt bei Beschwerden konsultieren, werden bei ihnen allein schon durch die häufigeren Untersuchungen, mehr Erkrankungen diagnostiziert.
Therapiemöglichkeiten besser an das Geschlecht anpassen
Sowohl biologische, aber in hohem Maß auch sozialpsychologische und verhaltensbasierte Faktoren sind dafür verantwortlich, dass Frauen zwar häufiger krank sind, aber trotzdem länger leben. Biologische und genetische Ursachen sind kaum beeinflussbar, soziale und psychologische Faktoren jedoch sehr wohl. Hier muss ein Wandel im Bewusstsein stattfinden. Denn die Beschwerden von Frauen werden auch heute noch viel zu oft mit einer psychosomatischen Komponente abgetan, anstatt objektive Diagnostik folgen zu lassen.
Auf der anderen Seite müssen Männer die Sicherheit erhalten, offen über Erkrankungen sprechen zu können, um ihre Gesundheit länger zu schützen.