Das Medizinstudium ist begehrt, aber dennoch ist der Ärztemangel in Österreich seit Jahren ein Thema. Vor allem setzen immer mehr Ärzte/-innen auf Teilzeit, aber spätestens seit den Studienabschlüssen 2018/19 ist auffallend, dass immer mehr Studenten/-innen aus der Medizin nie als Ärzte/-innen in Österreich tätig werden. Wie erschreckend die Zahlen zuletzt 2021/22 sind, zeigt der Blick auf die Eintragungen in die Ärzteliste der Österreichischen Ärztekammer. Für das Abschlussjahr 2022/23 werden erneut ernüchternde Zahlen erwartet. Deshalb schaltet sich nun die Politik ein und Ärztekammer sowie Bundesländer haben eigene Ideen.
Nach dem Medizinstudium: Fakten
Seit 2008 wird beobachtet, dass über 30 Prozent aller Medizin-Absolventen/-innen nicht in den Arztberuf einsteigen. Das geht aus der Ärzteliste der Österreichischen Ärztekammer hervor, in die sich die Absolventen/-innen einzutragen haben, um als Arzt/Ärztin in Österreich tätig sein zu können. Ein Großteil wandert in das benachbarte oder entfernte Ausland ab und stellt dort ihre medizinische Tätigkeit zur Verfügung. Die restlichen Medizin-Absolventen/-innen entscheiden sich für einen anderen Berufsweg.
Der Rechnungshof: ruhende Arzttätigkeit
2022 nahm der Rechnungshof Stellung zur Situation der Medizin-Absolventen/-innen und ihre Abwanderung ins Ausland oder in andere Branchen. Nicht zu vergessen sind die Nachwuchsmediziner/innen, die sich zwar in die Ärzteliste eintragen lassen, aber die Berufstätigkeit „ruhen“ lassen. Das bedeutet, sie nehmen für unbestimmte Zeit keine ärztliche Tätigkeit auf. Der Rechnungshof gibt an, dass dies durchschnittlich jeden achten/-e Arzt/Ärztin mit neu getätigter Eintragung in die Ärzteliste betrifft.
In Anbetracht der zunehmend in Rente gehenden Ärzte/-innen, zahlreichen Teilzeit-Ärzte/-innen und nun der Medizin-Absolventen/-innen, die nicht ihren Beruf in Österreich nach dem Studium ausüben, errechnet sich laut Rechnungshof ein Defizit an Ärzten/-innen von rund 20 Prozent. Dies steht den 30 Prozent der Absolventen/-innen gegenüber, die dem österreichischen Ärztebedarf nicht zur Verfügung stehen. Medizinstudenten/-innen gibt es an österreichischen Universitäten demnach ausreichend, die das Defizit durchaus ausgleichen könnten.
Medizinstudium 2023
Wie viele Medizinstudenten/-innen 2023 ihr Studium erfolgreich an einer österreichischen Uni abgeschlossen haben, ist öffentlich noch nicht bekannt gegeben. Allerdings stehen die Zahlen für die Aufnahmetests zum Studium 2023/24 fest. Es haben sich 11.700 Bewerber für die insgesamt 1.850 Studienplätze in Wien, Graz, Innsbruck sowie Linz qualifiziert. Die verfügbaren Studienplätze werden vergeben, aber in den letzten Jahren hat sich die Zahl der Studienabbrecher auf 50 bis 60 Prozent eingependelt. Wie viele Medizinstudenten/-innen mit Studienbeginn 2023 dann tatsächlich das medizinische Studium erfolgreich absolvieren werden, ist nicht vorauszusehen.
Die Politik zur Situation
Der Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) steht der Situation kritisch gegenüber. Aktuell gab er zu, auf Regierungsebene in den letzten 15 Jahren einiges im Bereich Medizinstudium und Ärzte/-innen-Nachwuchs verpasst zu haben. Nun spricht er in einer Ansprache von „Österreich 2030“ und einer Berufspflicht für Medizin-Absolventen/-innen. Er fordert darin, dass diese nach dem österreichischen Uni-Abschluss auch im Land als Arzt zu arbeiten haben. Dabei geht es ihm unter anderem auch um ausländische Medizinstudenten an österreichischen Universitäten.
Ausländische Studenten
In Österreich sind 75 Prozent der verfügbaren Medizin-Studienplätze für österreichische Studienbewerber/-innen reserviert. 20 Prozent stehen für Bewerber/-innen mit EU-Schulabschluss zur Verfügung, wobei hier vor allem Deutsche in Österreich Medizin studieren. Um die verbleibenden Studienplätze konkurrieren Bewerber/-innen aus Österreich, der EU und Drittstaaten. Von den ausländischen Ärzten/-innen haben 2017 rund 70 Prozent in den ersten drei Jahren nach ihrem Studienabschluss Österreich verlassen.
Nehammer und die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wollen hier ansetzen und den Zugang zum Medizinstudium für ausländische Bewerber/innen einschränken. Laut Johanna Mikl-Leitner könne es nicht sein, dass deutsche Abiturienten/-innen aufgrund schlechter Notendurchschnitte in Deutschland nicht studieren dürfen und in österreichischen Unis ihre Alternative sehen. Allerdings äußerte das Bildungsministerium im Hinblick auf EU-Rechte Zweifel an der juristisch möglichen Umsetzung und prüft die Optionen.
Alternativen der Ärztekammer
Die Österreichische Ärztekammer hat den Medizinrechtler Karl Stöger mit einem Gutachten zur Rechtmäßigkeit einer Berufspflicht von Medizin-Absolventen/-innen beauftragte. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese rechtlich nicht durchzusetzen sei. Vielmehr sieht er ein hohes Potenzial im Halten von Medizin-Absolventen/-innen im österreichischen Gesundheitssystem durch verbesserte Arbeitsbedingungen und attraktivere Gehälter für Ärzte/-innen in den Spitälern. Damit entspricht Medizinrechtler Karl Stöger den Forderungen der österreichischen Ärztekammer, die diese bereits seit Jahren als Lösung ansieht.
Bundesländer mit eigenen Wegen
Während die Politik mit Zwang den Ärztenachwuchs in Österreich halten möchte, setzen die Bundesländer auf Stipendien mit Bedingungen. Sie fördern Medizinstudenten/-innen finanziell und erhalten im Gegenzug die Verpflichtung dieser, nach dem erfolgreich abgeschlossenem Medizinstudium in einem österreichischen öffentlichen Spital oder in einer kassenärztlichen Arztpraxis für eine Dauer von mindestens fünf Jahren als Arzt/Ärztin tätig zu sein.
Das Burgenland bietet dies für die Donau-Uni Krems bereits an. Tirol plant das „Landarzt-Stipendium“ mit gleichen Bedingungen, um Ärzte-Nachwuchs für die ländlichen Regionen gewinnen zu können. In der Steiermark steht das verpflichtende Stipendium aktuell zur Verfügung, welches an die Berufsausübung in einem österreichischen Landeskrankenhaus geknüpft ist.