Zum Internationalen Tag der Pflege am 12. Mai hat die österreichische Bundesregierung die größte Pflegereform der vergangenen Jahrzehnte vorgestellt. Das insgesamt 20 Maßnahmen umfassende Paket soll Arbeitsbedingungen und Entlohnung im Pflegebereich sowie die Ausbildung verbessern und Erleichterungen für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen schaffen. Zur Umsetzung stellt die Regierung eine Milliarde Euro zur Verfügung.
Pflegereform: Verbesserte Rahmenbedingungen für Pflegende und pflegebedürftige Menschen
Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, welche Bedeutung Pflegekräfte für ein funktionierendes Gesundheitssystem haben. Es fehlt allerdings an Fachkräften, Beschäftigte im Pflegebereich fühlen sich zudem zu wenig wertgeschätzt. Die nun beschlossene Pflegereform soll die Rahmenbedingungen für Pflegende verbessern und das Berufsbild attraktiver machen. Zugleich möchte die Regierung pflegende Angehörige entlasten. Das Maßnahmenpaket umfasst unter anderem Gehaltsboni, Kompetenzerweiterungen für Pflegeassistenten und Pflegeassistentinnen und einen erweiterten Rechtsanspruch auf Pflegekarenz.
Die Eckpunkte der Reform im Überblick:
Gehaltsbonus für Pflegende
Beschäftigte in der Pflege sollen mehr Geld erhalten. Der Bund stellt insgesamt 520 Millionen Euro zur Verfügung, die voraussichtlich in Form monatlicher Gehaltsboni ausgezahlt werden. Die Auszahlung ist zunächst auf zwei Jahre befristet. Anschließend sollen weitere Entlastungsmaßnahmen greifen. Die Verteilung der Mittel will der Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern und Sozialpartnern sicherstellen.
Entlastungswoche für mehr Erholung
Neben mehr Gehalt sollen Beschäftigte in der Pflege auch von mehr Zeit für Erholung profitieren. Künftig haben alle Pflegekräfte ab ihrem 43. Geburtstag Anspruch auf eine zusätzliche Entlastungswoche im Jahr. Dieser Anspruch ist unabhängig davon, ob die Pflegenden beim Bund oder in privaten Einrichtungen beschäftigt sind und wie lange sie schon in ihrem Beruf arbeiten. Beschäftigte in der stationären Langzeitpflege sollen zudem pro Nachtdienst zwei Stunden Zeitguthaben erhalten.
Pflegereform: Erleichterungen für zugewanderte Pflegekräfte
Erleichterungen hat der Bund auch für zugewanderte Pflegefachkräfte beschlossen. Die Anerkennung einer ausländischen Ausbildung soll vereinfacht werden, zudem sollen zugewanderte Fachkräfte schneller ihre Arbeitserlaubnis, die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Card, bekommen.
Größerer Kompetenzspielraum für Pflegeassistenten/-innen
Der Kompetenzspielraum für Pflegeassistenten/-innen und Pflegefachassistenten/-innen erweitert sich. Anders als bisher dürfen sie in Zukunft Spritzen geben und, mit wenigen Ausnahmen, Infusionen anschließen. Pflegefachassistenten/-innen dürfen zudem subkutane und periphervenöse Verweilkanülen legen, wechseln und entfernen sowie subkutane Infusionen und Injektionen verabreichen.
Ursprünglich sollte die Tätigkeit von Pflegeassistenten/-innen in Krankenanstalten zum Jahr 2025 auslaufen. Von diesen Plänen sieht die Bundesregierung nun ab.
Verbesserungen in der Pflegeausbildung
Um Pflegeberufe attraktiver zu machen, beinhaltet die Pflegereform auch mehrere Maßnahmen für die Ausbildung. Insgesamt stellt der Bund dafür 225 Millionen Euro für drei Jahre zur Verfügung.
Die Maßnahmen im Einzelnen:
- Ausbildungszuschuss: Wer seiner Erstausbildung in einem Pflegeberuf an einer Gesundheits- und Krankenpflegeschule oder Fachhochschule absolviert, erhält pro Ausbildungsmonat einen Zuschuss in Höhe von 600 Euro. Auszubildende in Sozialbetreuungsberufen und an berufsbildenden Schulen erhalten den Zuschuss für jeden Praktikumsmonat.
- Pflegestipendium: Wer aus einem anderen Beruf in die Pflege wechselt oder wieder in einen Pflegeberuf einsteigt und eine vom AMS geförderte Ausbildung belegt, erhält ein Pflegestipendium in Höhe von mindestens 1.400 Euro im Monat.
- Pflegelehre für Jugendliche: In einem bundesweiten Modellversuch können Jugendliche eine Pflegelehre absolvieren. Die Lehre dauert drei oder vier Jahre und endet mit einem Abschluss als Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz.
- Schulversuche ins Regelschulwesen übernehmen: Bestehende Schulversuche an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen werden ab dem Schuljahr 2023/24 ins Regelschulwesen übernommen. Ein nahtloser Übergang soll sichergestellt werden.
Pflegereform: Bedingter Rechtsanspruch auf Weiterbildung
Die Reform sieht weiterhin vor, einen bedingten Rechtsanspruch auf Weiterbildung im Berufsleben zu schaffen. Das bedeutet, dass Beschäftigte in Pflegeberufen während der Arbeitszeit eine kompetenzerweiternde oder weiterführende Ausbildung absolvieren können.
Finanzielle Verbesserungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige
Mit der Reform schafft der Bund weiterhin Erleichterungen für pflegebedürftige Menschen und pflegende Angehörige:
- Anrechnung des Pflegegelds auf Familienbeihilfe entfällt: Die erhöhte Familienbeihilfe wird nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet. Rund 45.000 Personen haben damit im Monat 60 Euro mehr zur Verfügung.
- Angehörigenbonus: Personen, die den größten Teil der Pflege zuhause leisten und selbst- oder weiterversichert sind, erhalten ab dem Jahr 2023 einen Angehörigenbonus in Höhe von 1.500 Euro. Laut Schätzungen des Bundes profitieren davon rund 30.000 Personen in Österreich.
- Zuwendungen für Ersatzpflege: Anspruch auf finanzielle Unterstützung zur Ersatzpflege besteht künftig bereits nach drei statt wie bisher erst nach sieben Tagen. Pflegende Angehörige erhalten diese Unterstützung, wenn sie der Pflege aufgrund von Krankheit, Kur, Urlaub oder anderen Gründen zeitweise nicht nachkommen können.
- Pflegekurse: Pflegende Angehörige, die Pflegekurse belegen, sollen finanzielle Zuwendungen aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderungen erhalten.
- Erschwerniszuschlag: Für Menschen mit schweren psychischen Behinderungen oder Demenz erhöht sich der Wert des Erschwerniszuschlags von 25 auf 45 Stunden Pflege und Betreuung im Monat. Diese Maßnahme kommt laut Bundesregierung rund 8.500 Betroffene zugute.
- Angehörigengespräche: Pflegende Angehörige können künftig fünf Termine für Angehörigengespräche in Anspruch nehmen.
Längerer Rechtsanspruch auf Pflegekarenz
Der Bund erhöht zudem den Rechtsanspruch auf Pflegekarenz von bislang einem auf drei Monate, sofern ein solcher Anspruch in einer Betriebsvereinbarung oder einem Kollektivvertrag vorgesehen ist. Die Antragsfrist auf Pflegekarenzgeld verlängert sich auf einen Monat, bei noch laufender Pflegekarenz auf zwei Monate.
Maßnahmen für die 24-Stunden-Betreuung
Weitere Maßnahmen sieht die Pflegereform für die 24-Stunden-Betreuung vor. Verbesserungen in diesem Bereich sollen die unselbständige Beschäftigung in der 24-Stunden-Pflege attraktiver machen. Ein konkretes Modell möchte die Regierung gemeinsam mit Sozialpartnern und weiteren Stakeholdern erarbeiten und im Herbst 2022 umsetzen.