Übermüdete und gestresste Ärzte können für den Patienten gefährlich sein. Die Überbelastung in Krankenhäusern ist kein Geheimnis und kann auf die Qualität der Arbeit einen erheblichen Einfluss haben. Ärzte kommen in ihrem Berufsalltag immer öfter an ihre Grenzen, sind psychosozialem Stress und einem enormen Druck ausgesetzt. In vielen Arbeitsverträgen findet sich die Opt-out Regel – eine Mehrarbeitsklausel, ohne die der Klinikalltag aufgrund Personalmangels, oft gar nicht zu bestreiten ist. Wenn man diese vorgelegt bekommt und den Job unbedingt haben will, ist man fast schon gezwungen, die Vereinbarung einzugehen. Was sie genau besagt und für Ärzte bedeutet, wird im folgenden Artikel beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
Was bedeutet Opt-out?
Bei der Opt-out Regelung unterschreiben Ärzte freiwillig, dass sie auf den Schutz der Arbeitszeiten verzichten und sich so nicht mehr an die 40 oder 48-Stunden-Woche halten müssen. Sie sind stattdessen bereit, 72 Stunden und mehr pro Woche zu arbeiten und können demnach zu mehr Bereitschaftsdiensten herangezogen werden – auf eigenes Risiko. Die Einwilligung kann aber jederzeit widerrufen werden und der Arbeitgeber muss dieser auch zustimmen.
Ängste und Sorgen, dass man bei Nicht-Unterschreibung oder Widerrufen der Opt-out Regel keine Job-Chancen oder als Ärzte zweiter Klasse behandelt wird, sollten nicht existieren – leider herrschen sie dennoch viel zu oft im Klinikalltag vor. Besonders junge Assistenzärzte, die sich in der Weiterbildung befinden, befürchten Nachteile bei einer solchen Ablehnung.
Was gilt nach dem EU-Arbeitszeitgesetz?
Im europäischen Arbeitszeitgesetz ist geregelt, dass die tägliche Höchstarbeitszeit bei acht Stunden liegt, wobei es da auch Ausnahmen gibt – bei Vollarbeit ist demnach eine Verlängerung bis zu zehn Stunden möglich, bei Schichtarbeit sogar bis zu 13 Stunden. In Kombination mit Bereitschaftsdiensten oder Rufbereitschaft ist außerdem eine Höchstarbeitszeit von bis zu 24 Stunden möglich (inklusive Pausen). Die wöchentliche Höchstarbeitszeit ist mit 48 Stunden festgesetzt. Dabei handelt es sich aber um eine Durchschnittsbetrachtung – d.h. die Arbeitszeit kann in einer Woche auch mal über 48 Stunden liegen und in einer anderen Woche mal darunter. Dazu zählt jede Form von Arbeitszeit wie Vollarbeit oder Überstunden, Bereitschaftsdienst, aber auch die tatsächliche Inanspruchnahme von Rufbereitschaft.
Im Zusammenhang mit Bereitschaftsdiensten sind Ausnahmen möglich – das Arbeitszeitgesetz sieht in Verbindung mit einem Tarifvertrag vor, dass die Höchstarbeitszeiten in der Regel bis zu 58 Stunden verlängert werden können. Dies setzt aber eine individuelle Einwilligung voraus – die Opt-out-Einwilligung.
Auch für die Ruhezeiten und Pausen gibt es Regelungen. Demnach muss die Zeit zwischen dem Ende einer Schicht und dem Beginn der neuen mindestens 11 Stunden betragen. Arbeitszeiten und Pausen müssen in einem guten Verhältnis zueinander stehen, auch hier ist das Minimalgesetz im Arbeitszeitgesetz definiert, bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden muss eine Pause von 30 Minuten erfolgen, bei neun Stunden insgesamt 45 Minuten.
Das Arbeitszeitgesetz hat aber auch Öffnungsklauseln für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Da können gegebenenfalls, soweit es das Gesetz zulässt, andere Regelungen getroffen werden. Außerdem hält das Gesetz auch Regelungen für Notfälle parat – ein Notfall ist dann gegeben, wenn er nicht vom Willen des Arbeitgebers abhängt, sondern wirklich plötzlich eintritt und nicht anders als durch Mehrarbeit in den Griff zu bekommen ist.
KA-AZG Österreich
Während für jeden Dienstnehmer in Österreich das EU-Arbeitszeitgesetz gilt, gelten für Mitarbeiter im Gesundheitswesen die Vereinbarungen des KA-AZG (Krankenanstalt-Arbeitszeitgesetz). Dieses Gesetz ist aufgeteilt in Wochenarbeitszeit, verlängerte Dienste und Ruhezeiten. Für die Wochenarbeitszeit und die verlängerten Dienste kommt die Sonderregelung der Opt-out-Einwilligung zum Einsatz. Diese trat mit dem neuen KA-AZG zum 1. Januar 2015 in Kraft und wirkt noch bis 1. Juli 2021. Mit dieser Vereinbarung war es möglich, dass die wöchentliche Arbeitszeit maximal auf 60 Stunden erhöht werden durfte. Zum 1. Januar 2018 wurde diese Höchstgrenze allerdings wieder auf maximal 55 Stunden reduziert. Zum 1. Juli 2021 endet die Opt-out Periode und die Höchstarbeitszeit für Ärzte in Krankenanstalten wird auf 48 Stunden begrenzt.
Aus einer Salzburger Spitalärzte-Befragung aus dem Jahre 2017 wurde ersichtlich, dass 50 Prozent der Ärzte der Opt-out Regel eingewilligt haben – vorrangig wegen organisatorischer, gefolgt von finanziellen und weiterbildenden Gründen.
Laut KA-AZG sind verlängerte Dienste durch individuelle Betriebsvereinbarungen zulässig, wenn diese aus organisatorischen Gründen notwendig sind. Dabei gilt eine maximale wöchentliche Arbeitszeit von 72 Stunden. Mit freiwilliger Opt-out Zustimmung dürfen 29 Stunden (je nach Tag und Zeit des Anfangsdienstes) pro Nachtdienst bis 31.12.2020 gearbeitet werden. Ab 2021 werden diese dann auf 25 Stunden reduziert.
Die Ruhezeiten sind wie folgt geregelt: Bei einer Dienstzeit zwischen 8 und 13 Stunden beträgt die Ausgleichszeit oder Ruhezeit 15 Stunden, 22 Stunden Ruhezeit gilt für eine Arbeitszeit zwischen 14 und 23 Stunden, und bei einem Dienst von mehr als 24 Stunden muss danach die gesamte Dienstzeit abzüglich zwei Stunden geruht werden.
Work-Life-Balance muss auch für Ärzte gelten
Die Arbeitszeiten sind ein sehr häufiger Streitpunkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, doch der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern und sollte diese auch wahrnehmen. Durch die eh schon vorhandene hohe Verantwortung im Job sollten die Arbeitsbedingungen dahingehend angepasst werden, dass sie gesundheitlich belastbar sind – ein Zustand, der in so vielen anderen Berufen ja auch gelingt.
Viele Ärzte können ihrer Rolle als Arzt nicht so nachkommen, wie sie es gerne möchten. Dem Patienten seine gesundheitlichen Probleme zu erklären, ausreichend und empathisch auf seine Bedürfnisse und Ängste eingehen, ist oft nicht möglich und die Qualität der Arbeit bleibt auf der Strecke.
Wenn die Höchstarbeitszeit ständig überschritten wird und die eigene Verfassung darunter leidet, sollte man unbedingt mit dem Arbeitgeber sprechen. Das Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz für den Arbeitnehmer. Die Opt-out Einwilligung ist eine Bereitschaft zur Mehrarbeit des Arbeitnehmers, doch sie sollte nicht auf die Kosten der eigenen Gesundheit gehen und zur Dauerbelastung werden. Ärzte sollen anderen kranken Menschen helfen, doch laufen sie Gefahr, selber krank zu werden. Burnout und Depressionen sind keine Seltenheit. Studien zeigen, dass Stress und Zeitnot Eigenschaften wie Empathie und Hilfsbereitschaft mindern. Besonders für Ärzte ist das ein großes Problem. Familie, Hobbies, Erholung und soziale Kontakte müssen daher auch in diesem Berufszweig gut integrierbar sein.
Tipp: Bevor du den Arbeitsvertrag und die Opt-out-Vereinbarung unterschreibst, schau dir die Klinik in Ruhe an und tausche dich auch mal mit anderen Ärzten aus, die dort arbeiten. So bekommst du schon mal einen kleinen Einblick darin, wie sich die Einwilligung bemerkbar machen könnte.