Rassismus in der Medizin äußert sich auf vielfältige Weise, mal durch unbedachte Kommentare, mal durch falsche Stereotype. Verschiedene internationale Studien haben festgestellt, welche schwerwiegenden Folgen die Ungleichbehandlungvon Menschen mit Migrationshintergrund und Angehörigen ethnischer Minderheiten auf die Gesundheit haben kann. Wie äußert sich die Diskriminierung in der Praxis? Und wie können Ärzte und Ärztinnen dem Alltagsrassismus entgegentreten? Dieser Artikel gibt Antworten und wissenswerte Informationen zum Thema Rassismus in der Medizin.
Inhaltsverzeichnis
Rassistische Diskriminierung: Wie äußert sich Rassismus in der Medizin?
Im Jahr 2019 lebten in Österreich rund 2,07 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Das entspricht 24 Prozent der Bevölkerung. Eine wissenschaftliche Forschungsarbeit aus demselben Jahr hat untersucht, wie Menschen mit Migrationshintergrund die österreichischen Gesundheitsleistungen nutzen. Das Ergebnis: In den Jahren zwischen 2014 und 2019 hat sich der subjektiv wahrgenommene Gesundheitszustand von Menschen mit Migrationshintergrund stärker verschlechtert als der von Menschen ohne Migrationshintergrund. Zudem nehmen Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Durchschnitt seltener Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch als Österreicher, die im Land geboren sind. Das trifft vor allem auf Vorsorgeuntersuchungen zu. Eine mögliche Ursache: Rassismus im Gesundheitswesen.
Insbesondere BIPOC (Black, Indigenous, People of Color) berichten über Ungleichheiten und Rassismus im Gesundheitswesen. Die Ungleichbehandlung von Patienten und Patientinnen ist aber nur eine Ebene des Rassismus in der Medizin. Auch medizinisches Personal macht immer wieder Diskriminierungserfahrungen, von Seiten der Patienten als auch von Seiten der Kollegen.
Diskriminierung und Rassismus im Spital
Die Beratungsstelle Zara (Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit) unterstützt unter anderem Personen, die sich Rassismus im Krankenhaus ausgesetzt sehen. Patienten berichten zum Beispiel, dass Ärzte die Gesundheitsversorgung verweigern oder sie mit rassistischen Aussagen aufgrund der Hautfarbe beleidigen. Wie häufig derartige Fälle vorkommen, lässt sich jedoch nicht eindeutig feststellen. Viele Betroffene würden erst gar keine Beratungsstelle aufsuchen, um die Diskriminierung zu melden. Eine übergreifende Stelle für die koordinierte Dokumentation fehlt bislang.
Ungleichbehandlung mit schwerwiegenden Folgen
Rassismus kann für die Betroffenen schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Wie Christoph Reinprecht von der Universität Wien herausgefunden hat, sind zwei Drittel der Österreicher, aber nur ein Drittel der Menschen mit Migrationshintergrund mit ihrer Gesundheit zufrieden. Patienten mit Migrationshintergrund leiden überdurchschnittlich häufig an Kopf- und Magenschmerzen, Schlaflosigkeit und Einsamkeit.
Wie genau sich die Ungleichbehandlung von rassischen und ethnischen Minderheiten auf die Gesundheit auswirken kann, zeigen Studien aus anderen Ländern. Eine US-amerikanische Meta-Studie hat rund 100 medizinische Untersuchungen aus den Vereinigten Staaten auf die Diskriminierung von Minderheiten hin analysiert. Alltagsrassismus im Spital und Ungleichbehandlung äußern sich unter anderem auf folgende Weise:
- Für Angehörige von Minderheiten kommen bei derselben Grunderkrankung mit geringerer Wahrscheinlichkeit aufwendige Behandlungsmethoden zum Einsatz.
- Angehörige ethnischer Minderheiten erhalten weniger häufig eine genau abgestimmte medikamentöse Behandlung als weiße Patienten.
In Folge besteht vor allem für people of color ein höheres Risiko, an Herzerkrankungen, Krebs, Diabetes oder einer Aids-Infektion zu sterben. Die Autoren führen die Ungleichbehandlung auf Rassismus im Alltag, basierend auf negativen Stereotypen, zurück.
Gegen die Diskriminierung: Wie lässt sich dem entgegentreten?
Wie lässt sich nun dem Alltagsrassismus in der Medizin entgegentreten? BIPOC, die selbst im Gesundheitswesen arbeiten, sowie Anti-Diskriminierungs-Verbände schlagen verschiedene Maßnahmen gegen die Ungleichbehandlungethnischer Minderheiten vor:
Rassismus beginnt bereits in der Ausbildung
Der Rassismus in der Medizin beginnt bereits in der medizinischen Lehre. Das Studium der Humanmedizin ist auf den weißen, cissexuellen, männlichen Körper abgestimmt. Diese Standards führen zu Problemen bei der Diagnose bestimmter Krankheitsbilder. So äußern sich beispielsweise bestimmte Hauterkrankungen bei Schwarzen Menschen anders als bei weißen. Die mangelhafte Lehre führt unter anderem zu Rassismus im Krankenhaus.
Rassismus im Gesundheitswesen begegnen: mehr Ärzte mit Migrationshintergrund
Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung gibt es in der Ärzteschaft unterdurchschnittlich wenige Menschen mit Migrationshintergrund. Eine bessere ethnische Durchmischung des medizinischen Personals könnte positive Rollenmodelle fördern und helfen, dem Rassismus in der Medizin entgegenzuwirken.
Gegen den Rassismus im Spital: interkulturelles Training
Um Rassismus aktiv zu begegnen, werden zudem Präventionsmaßnahmen wie interkulturelle Trainings benötigt. Das Personal muss gezielt für den Umgang mit ethnischen Minderheiten geschult werden. Trainingsmaßnahmen wie Rollenspiele helfen Ärzten und Pflegekräften, typische Stereotype zu erkennen und besser zu reagieren, wenn sie Zeuge von rassistischer Diskriminierung werden.
Dolmetscher einsetzen
Eine weitere Maßnahme ist der verstärkte Einsatz von professionellen Dolmetschern in Arztpraxen und Spitälern. Übersetzen Familienangehörige medizinische Fachbegriffe, kann es zu Fehlern kommen. Professionelle Dolmetscher reduzieren das Risiko von Diskriminierung und Rassismus im Spital und in der Praxis.
Was können Ärzte tun, um Diskriminierung und Rassismus im Gesundheitswesen zu vermeiden?
Auch Ärzte und Ärztinnen selbst sind gefragt, sich dem Rassismus in der Medizin und dem Rassismus im Spital bewusst entgegenzustellen. Der erste Schritt besteht darin, sich über den Rassismus bewusst zu werden. Der folgende Leitfaden zeigt Schritte, mit denen sich die Ungleichbehandlung in der Medizin reduzieren lässt.
Rassismus bekämpfen – Vorurteile hinterfragen
Wer gegen den Rassismus in der Medizin eintreten möchte, muss seine eigenen Vorurteile hinterfragen. Kommen einem beim Lesen eines Patientennamen oder beim ersten Zusammentreffen mit einem Patienten bestimmte Stereotype in den Kopf, gilt es, diese bewusst zu reflektieren. Woher kommen diese Gedanken? Wie würde man sich selbst in der Situation des Patienten fühlen?
Weiterbildungen gegen Rassismus
Da der Rassismus im Gesundheitswesen im Medizinstudium kaum thematisiert wird, müssen sich Ärzte und Ärztinnen selbst um rassismuskritische Weiterbildungen bemühen. Das Angebot im deutschsprachigen Raum fällt derzeit noch knapp aus, feste Strukturen fehlen. Viele Mediziner nehmen daher Weiterbildungsangebote im Ausland in Anspruch, die sich mit Diskriminierung und Ungleichbehandlung ethnischer Minderheiten befassen.
Informationen über Migroaggressionen sammeln
Rassismus in der Medizin äußert sich nicht nur durch eine mangelhafte Behandlung. Auch ganz unbedachte Äußerungen gehören zu Rassismus und führen dazu, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund und Angehörige ethnischer Minderheiten zurückgesetzt und nicht ernst genommen fühlen. Solche als übergriffig wahrgenommenen Äußerungen und Verhaltensmuster werden als Mikroaggressionen bezeichnet. Ärzte und Ärztinnen sollten sich gezielt über Migroaggressionen informieren, um die Ungleichbehandlung von Patienten zu vermeiden.
Individuelle Lebensumstände der Patienten berücksichtigen
Sprache, Bildung, Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft und Religionszugehörigkeit werden bei der Gesundheitsversorgung von Patienten kaum berücksichtigt. Mediziner sollten beim Umgang mit Patienten und Patientinnen deren gesamte Lebensumstände einbeziehen und so auf eine möglichst ganzheitliche Behandlung setzen – nicht nur bei Menschen mit Migrationshintergrund.