Das Überbringen schlechter Nachrichten ist eine anspruchsvolle Aufgabe im Arztberuf und erfordert Empathie und Sensibilität. Negatives einfühlsam zu vermitteln, lässt sich lernen. Darüber hinaus kann eine sensible Gesprächsführung Ärzte/-innen helfen, besser mit der Übermittlung schlechter Nachrichten umzugehen. Mehr dazu im folgenden Beitrag.
Gesprächsführungstrainings zum Erlernen kommunikativer Kompetenzen
Durch Gesprächsführungstrainings können kommunikative Kompetenzen (angehender) Ärzte/-innen erlernt und verbessert werden. Zu den etablierten Modellen zählt unter anderem das 6-Stufen Modell SPIKES, welches im Jahr 2000 in „The Oncologist“ von Baile et al. publiziert worden ist und bis heute Teil der Ausbildung in vielen Studiengängen ist.
Das Akronym steht für die Anfangsbuchstaben der folgenden sechs englischen Begriffe:
1. Setting:
- Mentale Vorbereitung
- einen passenden Rahmen für ein Gespräch finden (ausreichend Zeit nehmen, ruhige Umgebungsatmosphäre schaffen)
- relevante Angehörige/Unterstützungspersonen einbeziehen (nach Rücksprache mit dem/der Patienten/-in)
- Gespräche in Ruhe führen und Störquellen (Piepser, Telefon, Handy) ruhigstellen
2. Perception (engl. für „Verständnis“, „Auffassung“)
- „Before you tell – ask!“ – Kenntnisstand des/der Patienten/-in erfragen, offenen Fragenstil verwenden, den/die Patienten/-in in eigenen Worten die Krankheit/Therapie/Prognose erklären lassen
- Welche Erwartungen hat der/die Patient/-in (und ggf. die Angehörigen/Unterstützungspersonen) an das Gespräch?
3. Invitation
- den/die Patienten/-in im Gespräch zu bestimmten Themen einladen und abschätzen, ob eine Gesprächsbereitschaft vorliegt, da es je nach Patient/in unterschiedlich ist, wie detailliert über eine Krankheit informiert werden soll
- es empfiehlt sich, offene Fragen zu stellen, beispielsweise „Sollen wir die Befunde im Detail besprechen oder wollen wir uns auf die Therapieoptionen konzentrieren?“
4. Knowledge (Vermittlung von Wissen)
- das Faktenwissen über den aktuellen klinischen Zustand des/der Patienten/-in wird – unter Vorwarnung – übermittelt
- einleitender Satz als Vorwarnung: „Ich habe leider keine gute Nachricht für Sie“
- Vermeidung von medizinischen Fachbegriffen, die den/die Patienten/-in verwirren könnten
- Verwendung kurzer, präzisier, klarer und verständlicher Sätze, um die Diagnose und den Zustand zu erklären
- Vermeidung von Extremaussagen
5. Emotions/Empathie
- Ansprechen und Erfassen von Emotionen
- Empathie-orientiertes Antworten (nonverbale Kommunikation), beispielsweise durch kleine Gesten, wie das Reichen eines Taschentuchs, wenn der/die Patient/-in weint
- Ärger oder Trauer als normale Reaktionen akzeptieren und den/die Patienten/-in unterstützen
- auf die Situation des/der Patienten/-in emphatisch eingehen und dem/der Patienten/-in Zeit geben, die Information zu verarbeiten, indem man schweigt und das Schweigen aushält
- Vermeidung von Floskeln, wie beispielsweise „Ich weiß, wie Sie sich fühlen“
6. Strategy & Summary
- Zusammenfassung des Gesprächs und Planung des weiteren Prozederes
- die weitere Vorgehensweise erklären und die Beteiligung des/der Patienten/-in fördern („Shared decision-making“)
- Benennung des nächsten Gesprächstermins (nach dem Überbringen schlechter Nachrichten seien Menschen maximal zweieinhalb Minuten in der Lage, konzentriert weiter zuzuhören, daher empfiehlt es sich, deutlich zu machen, dass weitere Gespräche folgen können)
Das SPIKES-Modell hilft, das Überbringen schlechter Nachrichten zu strukturieren und sensibel und routiniert vorzugehen. Eine gelungene Gesprächsführung ist erlernbar und trägt zu einer höheren Patientenzufriedenheit bei. Wichtig ist, dass Ärzte/-innen den Patienten/-innen das Gefühl vermitteln, dass man sie mit der Situation nicht allein lässt.
Zehn Regeln für ein Gespräch
Professor Dr. med. Dr. h. c. Jalid Sehouli hat sich in seiner medizinischen Karriere mit dem Thema „Überbringen schlechter Nachrichten“ beschäftigt und ein Buch darüber verfasst. Darin werden folgende zehn Regeln für ein Gespräch genannt, welche zu berücksichtigen sind:
- Investieren Sie Zeit in die Vorbereitung.
- Beachten Sie die inhaltliche und zeitliche Beschränkung und sprechen Sie diese vorab auch an.
- Gewinnen Sie Angehörige als Verbündete und Unterstützer/-innen, wenn diese für die Patienten/-innen wichtig sind (Aber fragen Sie die Patienten/-innen, ob sie diese Allianz auch wollen).
- Stellen Sie viele offene Fragen, unterbrechen Sie Ihr Gegenüber nur, wenn unbedingt nötig
- Respektieren Sie subjektive eigene Erklärungsmodelle, bewerten Sie nicht.
- Lotsen Sie den aktuellen Wissensstand Ihres Gegenübers und holen Sie den Patienten/-innen dort ab, wo er steht.
- Geben Sie eine Warnung, bevor Sie eine negative Information oder Botschaft überbringen.
- Lassen Sie ihrem Gegenüber nach der Kernbotschaft Zeit, diese anzunehmen; nutzen Sie die Pause, Ihre eigenen und die Emotionen des/-r Patienten/-in wahrzunehmen.
- Besprechen Sie praktisch Handhabbares.
- Heben Sie das Gute hervor, schließen Sie mit etwas Positivem.
1. Jalid Sehouli: Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen. Kösel Verlag, München 2018