Eine Meta-Analyse und systematische Übersicht aus den USA, welche in der JAMA Psychiatry veröffentlicht wurde, bringt nun neue Erkenntnisse zur Selbstmordrate. Demnach sei die Selbstmordsterblichkeitsrate unter Ärztinnen hoch und unter Ärzten niedrig. Über die Zeit hinweg nahmen diese Quoten allerdings in beiden Gruppen ab.
Kombination aus Übersicht und Meta-Analyse
Für die Bewertung dieser Risiken griffen die Forscher auf Studien zurück, welche die Suchbegriffe “Selbstmord”, “Selbstverletzung” oder “Suizidalität” sowie “Ärzte” nutzten. Im Zuge dessen schlossen die Autoren die Analysen ein, welche sich auf ÄrztInnen und Suizid bezogen.
Für die Meta-Analyse hingegen nahmen sie die Kohorten, also Geburtsjahrgänge, von 1980 bis zum Jahr 2015. In diesem Zeitraum untersuchten sie die Veränderungen der Selbstmordsterblichkeitsraten.
Die ForscherInnen erstellten für die Untersuchung eine systematische Übersicht aus 32 Artikeln. Diese filterten sie aus knapp 8.000 Suchergebnissen heraus. In die Meta-Analyse flossen demgegenüber neun Artikel und Datensätze hinein.
Die Hypothesen der Untersuchung lauteten, dass das Selbstmordrisiko von ÄrztInnen seit den 1980er Jahren bis heute höher als in der Allgemeinbevölkerung sei. Darüber hinaus vermuteten sie, dass die Selbstmordrate sowohl für Ärzte als auch für Ärztinnen von vor bis nach 1980 reduziert würde.
Selbstmordrate bei Ärztinnen höher als bei Frauen allgemein
Ein gravierendes Ergebnis der Meta-Analyse ist, dass Ärztinnen eine signifikant höhere Selbstmord-Sterblichkeitsrate als Frauen im Allgemeinen aufweisen. Im Gegenzug war die Selbstmordrate bei Ärzten signifikant niedriger als bei Männern im Allgemeinen.
Ein wenig Erleichterung verspricht jedoch das Resultat, dass die Selbstmordrate sowohl für Ärztinnen als auch für Ärzte nach 1980 im Vergleich zu vor 1980 signifikant abnahm. Die Forscher berichteten des Weiteren über keinen Hinweis auf eine Verzerrung ihrer Ergebnisse oder der Publikation an sich.
Wie können die Befunde interpretiert werden?
Ein Forscher der US-amerikanischen Studie berichtete, dass von 1980 bis 2015 der Anteil weiblicher US-Absolventen der medizinischen Fakultät von 23 % auf 47,6 % anstieg. Dahingegen stieg der Anteil weiblicher Teilnehmer an den zivilen US-Arbeitskräften lediglich von 42,5 % auf 46,8 % an.
Das bedeutet nach Duarte, MD und PhD, dass sich die Geschlechterdynamik in der Medizin in diesem Zeitraum viel schneller veränderte als in der Allgemeinbevölkerung. Dies könne sich möglicherweise auf die standardisierten Sterblichkeitsraten von Ärzten und Ärztinnen ausgewirkt haben.
Dazu kommen zusätzliche kulturelle, sozioökonomische und politische Veränderungen, welche die Gesundheitsversorgung in diesem Zeitraum beeinflussten und den Handlungsbedarf in Bezug auf ärztliche Selbstmorde verstärkten.
Wie kann man der Problematik entgegenwirken?
In einem verwandten Leitartikel skizzierten weitere ForscherInnen und AutorInnen einen Weg für die Behandlung von Arztselbstmorden. Sie konstatieren, dass genaue Schätzungen der wahren Rate ärztlicher Selbstmorde noch immer fehlen. Das Risiko sei allerdings nicht gleich Null und die Folgen seien groß.
Überdies fordern die ForscherInnen, dass die Ärzteschaft die Ursachen der ärztlichen Notlage angehen müsse. Hierfür müsse man als zentralen beruflichen Wert einen nachhaltigeren Ansatz zur Bewältigung der Belastungen der medizinischen Praxis finden.
Es benötige ferner ein Bildungs- und Arbeitsumfeld, das hilfesuchende Ärzte unterstützt und nicht stigmatisiert. Barrieren beim Zugang zur psychiatrischen Versorgung müsse man außerdem beseitigen.
Obwohl die Untersuchung aus den Vereinigten Staaten stammt, gewinnt sie durch das belastende und lernintensive Medizinstudium in Österreich sowie der stressige Beruf als Arzt oder Ärztin ebenfalls in Österreich an Bedeutung.
1. D. Duarte et al., Male and Female Physician Suicidality: A Systematic Review and Meta-analysis, 2020 (Abrufdatum: 22.04.2020)
2. K.J. Gold et al., Physician Suicide — A Personal and Community Tragedy, 2020 (Abrufdatum: 22.04.2020)