Das Suizidrisiko für Ärztinnen liegt signifikant über dem der Allgemeinbevölkerung und ihrer männlichen Kollegen. Das zeigt eine Metastudie der MedUni Wien, die im August 2024 im British Mdical Journal veröffentlicht wurde. Mediziner machen die hohe Arbeitsbelastung und die Unterfinanzierung im Gesundheitssystem für das erschreckende Ergebnis verantwortlich.
Arbeitsbedingungen führen zu Frust und Depression
Für die Analyse hat das Forschungsteam um Studienleiterin Eva Schernhammer, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie, und Erstautorin Claudia Zimmermann 39 Studien aus 20 Ländern ausgewertet. Demnach ist das Suizidrisiko für Ärztinnen um 76 Prozent höher als das der Allgemeinbevölkerung. Das Risiko männlicher Ärzte ist dagegen nicht erhöht.
Als Gründe für die hohe Anzahl an Suiziden unter Medizinerinnen werden unter anderem der hohe Arbeitsdruck und die Unterfinanzierung im Gesundheitssystem angesehen. Den Herausforderungen durch Zeitdruck, Personalmangel, hohem Bürokratieaufwand und fehlenden Medikamente würden Ärztinnen mit hohem Engagement begegnen und häufig bis zur Selbstaufgabe arbeiten, wie Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Ärztekammer Wien, berichtet. Die Folge sind Frust, Erschöpfung und oft auch Depression.
Eine Ende August veröffentlichte Umfrage des Magazins Relatus Med bestätigt diese Einschätzung: Demnach fühlen sich 85,5 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte in ihrer Arbeit überlastet und klagen über unterschiedliche Erschöpfungssymptome. Sieben von zehn Medizinern leiden unter Schlafstörungen. Fast die Hälfte der Befragten (49,1 Prozent) berichtet von körperlichen Beeinträchtigungen, 27,3 Prozent bemerken psychische Beeinträchtigungen.
Signifikant höhere Suizidrate im Vergleich zu anderen Berufsgruppen
Einer zusätzlichen Analyse der MedUni Wien zufolge weisen männliche Ärzte zudem ein signifikant höheres Suizidrisiko auf als Beschäftigte in anderen Berufsgruppen mit ähnlichem sozialem Status. Bei Ärztinnen zeigt sich ein ähnliches Bild, die Zahl der ausgewerteten Studien war nach Angaben des Forschungsteams aber zu gering für eine separate Analyse. Einen kleinen Lichtblick gibt es immerhin: Die Auswertung der zehn neuesten Studien zeigt, dass die Suizidrate im Laufe der Zeit zurückgegangen ist. Bei Ärztinnen liegt sie aber immer noch 24 Prozent über der Rate der Allgemeinbevölkerung.
Das Forschungsteam weist darauf hin, dass die Suizidrate von Land zu Land stark variiert, unter anderem aufgrund der verschiedenen Arbeitsumfelder und der unterschiedlichen Einstellung zum Thema. Darüber hinaus seien nur wenige Studien aus Ländern außerhalb Europas, der USA und Australien in die Auswertung eingeflossen. Aufgrund der Stigmatisierung seien zudem einige Todesfälle auch nicht als Suizid erfasst worden. Die Wissenschaftler fordern nun weitere Anstrengungen, um den ärztlichen Suizid zu untersuchen und vorbeugende Maßnahmen zu entwickeln.
Hier finden Betroffene Hilfe
Ärzte, die sich überlastet fühlen, können sich unter anderem an die Ärztekammer Wien wenden. Die Beratungsstelle Physicians Help Physicians des Referats für psychosoziale, psychosomatische und psychotherapeutische Medizin steht als Ansprechpartner zur Verfügung.