Wie sieht das optimale System zur Notfallversorgung aus? Österreich hat sich für ein flächendeckendes bodengebundenes System entschieden, bei dem die notärztliche Versorgung durch ausgebildete Ärzte durchgeführt wird. Während die Zahl der Notarztanforderungen allerdings stetig steigt, ist nur in wenigen Fällen tatsächlich der Einsatz eines präklinisch tätigen Arztes notwendig. Ist das österreichische System noch effizient genug?
Das österreichische Notfallsystem
In der Notfallversorgung setzt Österreich seit den 1980er Jahren auf das sogenannte frankogermanische Modell, ein flächendeckendes und bodengebundenes Notarztrettungssystem. Im angloamerikanischen Raum sind dagegen speziell ausgebildete Sanitäter für die notfallmedizinische Erstversorgung verantwortlich.
Wie Studien zeigen, führt die Versorgung durch einen Notarzt vor allem in komplexen Situationen zu besseren Ergebnissen. Allerdings hat sich die Zahl der Notfallalarmierungen im Vergleich zu den 1990er Jahren mancherorts vervierfacht. Die im Magazin “Anaesthesist” veröffentlichte Studie “System- und Fertigkeitseinsatz in einem österreichischen Notarztsystem” geht daher der Frage nach, wie effizient das österreichische Notarztsystem ist.
Methodik
Die Studie stützt sich auf eine retrospektive Analyse anonymisierter Daten des Notarztstützpunktes LKH Univ.-Klinikum Graz. In österreichweit größtem Einzugsgebiet steht ein Notarzt für 200.000 Menschen zur Verfügung, gleichzeitig kommt es hier zu der geringsten Anzahl an Notfallalarmierungen.
Die Studienautoren haben die zwischen 2010 und 2018 durchgeführten Notarzteinsätze analysiert und in drei Kategorien eingeteilt:
- Kategorie I: notfallärztliche Maßnahmen, die hoher ärztlicher Kompetenz bedürfen
- Kategorie II: medizinische Maßnahmen, darunter Fälle, die allgemeinmedizinische Maßnahmen erforderten, als auch solche, bei denen ein Krankentransport ohne ärztliche Intervention möglich gewesen wäre
- Kategorie III: keine medizinische Maßnahme – Fälle, die keine ärztliche Intervention erforderten
Einsatzrate von 2010 bis 2018 kontinuierlich gestiegen
Im beobachteten Zeitraum wurden insgesamt 15.731 Einsätze absolviert. Das entspricht im Mittel 1.722 Alarmierungen im Jahr. Wurden die Notärzte im Jahr 2010 noch 1.442 Mal zum Einsatz gerufen, waren es 2018 ganze 2.301 Mal. Dabei nahmen die Häufigkeit von Einsätzen der Kategorie I leicht ab. Der Anteil lag während der ersten sechs Jahre des Beobachtungszeitraums bei 18,7 Prozent, in den letzten drei Jahren bei 17,1 Prozent.
Einsätze der Kategorie II verzeichneten eine signifikante Zunahme von 44,3 Prozent in den ersten zwei Dritteln des Beobachtungszeitraums auf 50,6 Prozent im letzten Drittel.
Der Anteil an Einsätzen der Kategorie III nahm zwischen 2010 und 2014 zunächst zu. Im Vergleich der ersten sechs mit den letzten drei Jahren des Beobachtungszeitraums fiel der Anteil jedoch von 37 auf 32,3 Prozent. Ein großer Teil der Patienten erhielt dabei mehr als eine Maßnahme.
Aktuelles Modell der präklinischen Versorgung zu ineffizient
Aus ihren Ergebnissen leiten die Studienautoren die Schlussfolgerung ab, dass das aktuelle System der Notfallversorgung in Österreich ineffizient ist. Bei einem Großteil aller Alarmierungen ist keine präklinisch ärztliche Tätigkeit erforderlich, die Einsätze könnten also auch von Sanitätern durchgeführt werden. Die Autoren argumentieren weiter, dass es vielen Notärzten durch den geringen Anteil an Einsätzen mit kritisch kranken und schwer verletzten Patienten an wichtiger Behandlungspraxis fehlt.