Die teils drastischen Einschränkungen während der Corona-Pandemie haben für besondere Entwicklungen bei den Geburtenzahlen sorgen. Eine Auswertung der Daten aus mehreren Ländern zeigt, dass die im Lockdown geborene Kohorte andere Merkmale aufweist als ihre Vorgänger.
Steigende Geburtenzahlen in Deutschland und Österreich im Corona-Jahr 2021
Im Pandemie-Jahr 2021 erblickten in Deutschland 795.500 Kinder das Licht der Welt. So viele Säuglinge wurden zuletzt im Jahr 1997 geboren. Im Vergleich zu den durchschnittlichen Geburtenzahlen in den Vorjahren 2018 bis 2020 stiegt die Geburtenzahl um zwei Prozent.
Auffällig ist, dass besonders viele Familien ein drittes Kind bekamen. Der Trend war deutschlandweit zu beobachten und sorgte für eine Zunahme von dritten Kindern von 3,9 Prozent. Im Vergleich dazu stieg die Zahl an Erstlingskindern nur um 1,2 Prozent.
Auch in Österreich sind trotz Pandemie die Geburten im Jahr 2021 gestiegen und konnten einen jahrelangen rückläufigen Trend umkehren. Exakt 3,12 Prozent mehr Babys kamen zur Welt. Spitzenreiter der Alpenrepublik ist die Steiermark, wo die Geburtenzahlen um 7,17 Prozent den landesweit größten Zuwachs zeigten.
Schottland erlebt Rückgang der Geburtenzahlen in benachteiligten Bevölkerungsgruppen
Im mit 5,454 Millionen Einwohnern recht dünn besiedelten Schottland hatte die Corona-Pandemie negative Auswirkungen auf die Geburtenzahlen, zeigt eine Kooperations-Studie zwischen der University of Glasgow und dem Zentrum für Public Health der MedUni Wien. Während das Studienteam statistisch kaum Geburtenrückgänge bei besser situierten und wohlhabenderen Familien feststellte, gab es deutlich weniger Geburten in benachteiligten und ärmeren Bevölkerungsgruppen.
Das größte Minus war im Februar 2021 zu verzeichnen. In dem Monat gab es einen Geburtenrückgang von mehr als 20 Prozent in den am stärksten benachteiligten Regionen Schottlands. Bereits in den Monaten zuvor lagen die Geburtszahlen unter dem Normalniveau und auch nach dem größten Minus-Monat kam es nicht zur Erholung. Insgesamt erblickten im Zeitraum vom November 2020 bis November 2021 in den am stärksten benachteiligten Landesregionen etwa zehn Prozent weniger Kinder das Licht der Welt als vor der Pandemie. Im Vergleich haben sich die Geburtenzahlen in den am wenigsten benachteiligten Regionen durch die Pandemie kaum verändert.
Für die sogenannte Lockdown-Kohorte (LoCo), also Kinder, die während der Covid-19-Pandemie gezeugt und mindestens neun Monate nach Beginn der strengen Beschränkungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens geboren wurden, könnte demnach eine abgeänderte Sozialstruktur bestehen als für Kohorten, die vor oder nach der Pandemie geboren sind. Vereinfacht ausgedrückt könnte die LoCo aus weniger Kindern bestehen, die in ärmeren beziehungsweise benachteiligten Familien leben, oder aus mehr Kindern, die in begünstigten beziehungsweise wohlhabenderen Familien leben. Daraus ergibt sich die Möglichkeit für eine im Durchschnitt besser situierte Kohorte, die im Durchschnitt aus gesünderen Müttern und gesünderen Babys besteht als Kohorten vor oder nach der Pandemie. Das Studienteam nennt es LoCo (Lockdown Cohort)-Effekt.
Mögliche Faktoren für den Rückgang
Den Rückgang von Geburten in benachteiligten Bevölkerungsgruppen könnten laut der Studienarbeit zahlreiche Faktoren begünstigen. So schreibt das Studienteam im European Journal of Public Health, dass Unterbrechungen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens sowie des Gesundheitswesens neue Hindernisse geschaffen haben könnten, die das Gründen oder Vergrößern einer Familie erschwert haben könnten. Die Ungleichheit in den Lebensumständen zwischen besser situierten und wohlhabenderen Familien sowie benachteiligten und ärmeren Familien könnte dazu geführt haben, dass diese neuen Hindernisse nicht für alle gleich gut zu bewältigen waren. Sowie der Zugang zu relevanten Dienstleistungen als auch eine größere Unsicherheit in Bezug auf die Beschäftigung und das Einkommen könnten eine Rolle spielen.
Obwohl die Pandemie die individuelle Gesundheit und das Gesundheitswesen an sich strapaziert hat, führt der LoCo-Effekt zu einer insgesamt gesünderen Kohorte. Denn die Pandemie hat klar beeinflusst, wer Nachwuchs bekommt und wer nicht. Durch die plötzliche Verschiebung bei den elterlichen Merkmalen, deren Einfluss auf die Gesundheit der Nachkommen im Säuglings- und auch im Erwachsenenalter bereits im Rahmen anderer Forschungsarbeiten belegt wurde, ist die Lockdown-Kohorte in Schottland unerwartet gesund – trotz Geburt während einer globalen Krise.