Der neue österreichische Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein hat von seinem Vorgänger Rudi Anschober ein schwieriges Amt übernommen. Noch steht die Gesundheitspolitik ganz unter Corona-Vorzeichen. Die Pandemie-Bekämpfung beherrscht das Tagesgeschehen. Da sind manche strukturellen Probleme in den Hintergrund getreten. Dazu gehört auch der Ärztemangel in Österreich.
Dass sich ein Mangel an Ärzten im Land abzeichnet, ist keineswegs eine neue Erkenntnis. Bereits seit Jahren wird vor Überalterung der Ärzteschaft und Problemen bei der Neubesetzung von Arztstellen gewarnt. Dabei ging die österreichische Politik lange von einer überdurchschnittlichen Ärztedichte aus. Ein Fehler, der auf irreführenden OECD-Zahlen beruht. In den OECD-Statistiken für Österreich wurden Ärzte in Ausbildung als vollwertige Mediziner geführt, in anderen Ländern dagegen nicht. Dadurch erschien die österreichische Ärzteversorgung „überhöht“. Die Realität sieht anders aus.
Zunehmende Überalterung der Ärzteschaft – Nachwuchs fehlt
Der Ärztemangel betrifft vor allem die Kassenärzte, während die Zahl der Wahlärzte gestiegen ist. Ende 2020 gab es im Land 8.132 Mediziner mit Kassenvertrag. Das sind zwar genauso viele wie 2017, aber 369 oder 4,4 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Wahlärzte von 7.403 auf 10.578 oder um fast 43 Prozent. Wahlärzte sind aber nicht für jeden Patienten eine Alternative, weil die Krankenkassen deren Kosten nicht vollständig erstatten. Lücken bei der Ärzteversorgung drohen vor allem auf dem Land. Hier werden viele Hausarztstellen in den nächsten Jahren frei.
Ein weiteres Problem ist die zunehmende Überalterung der österreichischen Ärzteschaft. Der Anteil der Mediziner im ruhestandsnahen oder ruhestandsfähigen Alter ist in den letzten 10 Jahren stetig größer geworden. 2018 hatten 55,9 Prozent der Ärzte in Österreich bereits das 55. Lebensjahr überschritten, fast 2.600 waren älter als 65 Jahre. Die Konsequenz ist: in den nächsten Jahren werden sich viele Mediziner endgültig zur Ruhe setzen, ohne dass die dadurch entstehenden Lücken mit medizinischem Nachwuchs gefüllt werden können.
Ausbildung mehr auf Landarztversorgung ausrichten
Dabei ist die Ausbildungsquote nicht einmal schlecht. Pro 100.000 Einwohner gibt es in Österreich jährlich 14,4 Medizin-Absolventen, im OECD-Schnitt sind es 13,3. Viele zieht es allerdings nach dem Studium ins benachbarte Ausland. Deutschland und die Schweiz sind die beliebtesten Zielländer – wegen der Sprache und im Fall der Schweiz auch wegen der besonders attraktiven Vergütung. Ein gewisser Ausgleich findet durch Ärzte-Import statt. Laut Angaben der Österreichischen Ärztekammer sind inzwischen über 5.000 ausländische Ärzte in Österreich tätig, gut 40 Prozent davon stammen aus Deutschland. Diese Ärzte arbeiten aber bevorzugt in Spitälern und in städtischen Räumen.
Um dem sich abzeichnenden Hausarztmangel auf dem Lande entgegenzuwirken, wird seitens der Ärztekammer eine stärkere Ausrichtung der Ausbildung auf Landärzte gefordert. So macht man sich nach deutschem Vorbild für eine „Landarztquote“ bei den Studienplätzen stark und verlangt, die ärztliche Lehrpraxis besser zu honorieren. Das Studienangebot müsse außerdem auf eine breitere Basis gestellt werden und es brauche generell mehr Studienplätze. Das Verhältnis von Studienbewerbern zu Studienplätzen beträgt 10 zu 1 und bewirkt eine rigorose Ausscheidung von Interessenten. Ein weiterer Kritikpunkt: die zu frühe Spezialisierung im Studium. Dadurch bleibe die Allgemeinmedizin – die Disziplin der Landärzte – zu sehr „auf der Strecke“.
Ärztemangel: Keine kurzfristigen Lösungen
Eine andere Maßnahme wurde schon umgesetzt. Seit 1. Oktober 2019 dürfen Kassenärzte andere Mediziner bei sich in der Praxis anstellen. Gerade für junge Ärzte eine interessante Möglichkeit zum Berufseinstieg, ohne sich gleich selbständig machen zu müssen und eine Alternative zur Anstellung im Spital. Auch Nachfolgelösungen lassen sich auf dem Anstellungsweg gut vorbereiten. Kurzfristig lösbar ist der sich abzeichnende Ärztemangel jedenfalls nicht. Es bedarf des langen Atems und grundlegender Reformen, um auch künftig eine gute flächendeckende Ärzteversorgung in Österreich zu gewährleisten.