Über den Sinn oder Unsinn der Zeitumstellung wird jedes Jahr aufs Neue debattiert. Während die Einen ihre Sinnhaftigkeit als bewiesen sehen, haben Kritiker auch Nachteile der Zeitumstellung entlarvt. Warum die Umstellung auf Sommerzeit überhaupt eingeführt wurde, welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringt und wie es in Zukunft mit der Zeitumstellung weiter geht, klärt der folgende Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Warum gibt es die Zeitumstellung überhaupt?
Noch im 19. Jahrhundert gab es innerhalb Europas keine einheitliche Zeit. Vielmehr hatte jeder Ort seine eigene Zeit. Die heute bekannten 24 globalen Zeitzonen wurden erst im Jahre 1884 eingeführt. Ursächlich war der fortschreitende Ausbau des europäischen Eisenbahnnetzes, das zur Erstellung von Fahrplänen eine einheitliche Regelung der Zeit benötigte. Nach der Vereinheitlichung der Zeit fanden innerhalb Europas mehrere Versuche statt, eine Sommerzeit einzuführen mit dem Ziel, durch bessere Lichtausnutzung Energie zu sparen.
In Österreich wurden die jährlichen Zeitumstellungen im Jahr 1916 während des ersten Weltkrieges eingeführt, nach Kriegsende jedoch sofort wieder abgeschafft. 1940 führten die Nationalsozialisten die Sommerzeit auch in Österreich wieder ein. Aber auch hier führte das Kriegsende erneut zur Abschaffung. Seit 1996 gilt innerhalb Europas eine einheitliche Zeitumstellung, also auch für Österreich. Die damalige Wiederbelebung der Zeitumstellung hatte abermals energietechnische Gründe, denn bedingt durch die Ölkrise 1973 versprach man sich erneut eine Energieersparnis durch die Einhaltung einer Sommerzeit. Seit dem wird jeweils am letzten Sonntag im März die Uhr eine Stunde vor- und im Oktober wieder zurückgestellt.
Zeitumstellung – Pro und Contra
Die Zeitumstellung hatte bei ihrer Einführung im Wesentlichen ökonomische Gründe. Ob wirklich Energie eingespart wird, wenn eine Sommerzeit eingehalten wird und welche Folgen sich daraus für Mensch, Tier und Wirtschaft tatsächlich ergeben, zeigt der folgende Abschnitt.
Zeitumstellung – Spart die Zeitumstellung Energie?
Der wichtigste Grund, der überhaupt zur Einführung der Zeitumstellung führte war die Hoffnung durch bessere Ausnutzung des Tageslichts, Energie sparen zu können. Tatsächlich gilt es inzwischen allerdings als erwiesen, dass sich die Energieersparnis durch die Verwendung weniger künstlichen Lichts wieder aufhebt, weil stattdessen mehr geheizt wird, wenn es länger dunkel ist. Abgesehen davon ist der Energieverbrauch zur Erzeugung von Licht inzwischen nur noch minimal. Private Haushalte nutzen nämlich rund 98 Prozent der Gesamtenergie für andere Dinge. Darüber hinaus führt die Umstellung der Zeit zu einem enormen Aufwand, denn nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch müssen alle Uhren, Fahrpläne usw. auf die geänderte Zeit angepasst werden.
Zeitumstellung – Physiologische Effekte
Die Zeitumstellung hat Auswirkungen auf Mensch und Tier, denn die Uhren werden zwar umgestellt, der Tagesablauf allerdings bleibt gleich. Dadurch ergibt sich zweimal pro Jahr eine Art Mini-Jetlag für jeden. Andererseits bedeutet die Zeitumstellung auch eine Stunde mehr Sonnenlicht pro Tag. Diese entfällt auf die Tageszeit, in der Menschen in der Regel nach der Arbeit am aktivsten sind. Je weiter entfernt eine Region vom Äquator liegt, desto intensiver ist dieser Effekt zu spüren.
Licht wirkt sich, unabhängig von der Energieersparnis, positiv auf die Gesundheit des Menschen aus. Über den Sommer gesehen bringt die Zeitumstellung also eher positive Effekte. Unmittelbar nach der Umstellung beklagen allerdings viele Menschen negative Auswirkungen. Besonders ausgeprägt werden diese beim Verlust der einen Stunde im Frühjahr empfunden. Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen und Stimmungsschwankungen sind nur einige Beispiele milder Allgemeinsymptome. Nach der Rückkehr zur Normalzeit im Oktober hingegen, wird die Extra-Stunde als erholsam und wohltuend empfunden.
Untersuchungen zeigen aber, dass nicht nur milde Allgemeinsymptome die Folge der Zeitumstellung sein könnten. Studien weisen sogar darauf hin, dass die Auswirkungen noch viel gravierender sein könnten, als nur ein wenig Müdigkeit am Tag der Zeitumstellung. Mehrere Studien aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum zeigten beispielsweise, dass offenbar ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Herzinfarktrate und der Zeitumstellung besteht. So erleiden in den ersten drei Tagen nach der Umstellung bis zu 30 Prozent mehr Personen einen Herzinfarkt, oder werden mit dieser Verdachtsdiagnose ins Krankenhaus eingewiesen, als normalerweise. Eine australische Untersuchung fand darüber hinaus einen Zusammenhang zwischen der Zeitumstellung und einer erhöhten Selbstmordrate in der ersten Woche danach. Die Ursachen dafür liegen vermutlich an der sehr empfindlichen „inneren Uhr“ von Lebewesen.
Von Eulen und Lerchen
Der individuelle Biorhythmus, die sogenannte „innere Uhr“, ist kein Zufall, sondern wird durch ein komplexes System verschiedener Hormone gesteuert. Diese werden zu bestimmten Tageszeiten ausgeschüttet und bedingen beispielsweise, ob wir wach werden und aufstehen, oder müde sind und zu Bett gehen. Die Aktivitätshormone Cortisol und Testosteron werden überwiegend in den frühen Morgenstunden in höchster Konzentration ausgeschüttet. Allerdings folgen diese Hormonachsen keinem Schema F, das bei jedem Menschen gleich funktioniert.
Es gibt teilweise erhebliche Schwankungen zwischen verschiedenen Personen und den Zeitfenstern, in denen diese sich besonders leistungsstark und fit fühlen. Darauf basiert letztlich auch die Einteilung in Eulen und Lerchen. Während die einen eher am Abend aktiv sind und morgens sehr schlecht aus dem Bett kommen, sind die anderen früh am Tage am leistungsfähigsten. Wissenschaftler sind sich allerdings darin einig, dass es echte Eulen oder Lerchen eher selten gibt. Für die breite Masse wäre es ihnen zufolge optimal zwischen 23 Uhr und 1 Uhr schlafen zu gehen und morgens zwischen 7 Uhr und 9 Uhr wieder aufzustehen. Allerdings lässt sich dieser Rhythmus für die meisten Menschen nur schwer einhalten, da Arbeitszeiten meist nicht mit diesem Plan vereinbar sind. Schlafforscher fordern daher eine Auflockerung der Arbeitszeit und vermuten dadurch positive Auswirkungen auf die individuelle Leistungsfähigkeit der Beschäftigten.
Mehr Verkehrsunfälle durch die Zeitumstellung?
Vermutet wird ebenfalls ein Zusammenhang von mehr Verkehrsunfällen nach der Umstellung auf die Sommerzeit im Frühjahr. Vermehrte Fahrten im Dämmerlicht und eine potenzielle Übermüdung der Verkehrsteilnehmer könnten Erklärungsansätze sein. Insgesamt hebt sich der Effekt im Verlauf des Jahres aber wieder auf, da dann eine verlängerte Lichtphase genau das Gegenteil bewirkt.
Zeitumstellung und Bahnverkehr
Eine einheitliche allgemeine Zeit ist im Wesentlichen auf den rasant zunehmenden Eisenbahnverkehr im 19. Jahrhundert zurückzuführen. Bezogen auf Fahrpläne markiert die Vereinheitlichung der Zeit für die Bahn daher einen Meilenstein. Trotzdem stellt die jährliche Umstellung auf Sommerzeit im Frühjahr, und die Rückkehr zur Normalzeit im Herbst, die Bahnunternehmen vor größere Herausforderungen. Zwar verfahren die Unternehmen inzwischen recht routiniert mit dem Problem, aber es kommt zwangsläufig trotzdem immer wieder zu Verspätungen, Ausfällen oder anderen Änderungen der regulären Fahrpläne.
Die Zeitumstellung in der Landwirtschaft
Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere reagieren auf die Zeitumstellung. Der Biorhythmus reagiert vor allem sehr empfindlich auf plötzliche Veränderungen. Besonders Milchbauern und ihre Herden sind betroffen, denn die plötzliche Veränderung der Melkzeit wirkt sich negativ auf den Milchertrag aus. Besonders ausgeprägt ist die Reduktion der Milchmenge am Tag der Zeitumstellung.
Viele Landwirte gewöhnen daher die Tiere langsam an die Änderung. Dabei wird die Melkzeit Schritt für Schritt angepasst um möglichst wenige Ertragsverluste zu erzielen. Bauern, die automatische Melkroboter zum Einsatz bringen machen es ihren Tieren besonders leicht mit der Zeitumstellung zurechtzukommen. Hierbei können die Kühe nämlich den Melkzeitpunkt selbst wählen. Die Zeitumstellung spielt also im Prinzip keine Rolle für die Tiere, da sie sich einfach weiterhin nach Bedarf melken lassen können.
Was die Bürger von der Zeitumstellung halten
In einer Meinungsumfrage zur Zeitumstellung konnten im Jahre 2018 alle EU-Bürger ihr Votum zur Frage abgeben, ob die Umstellung von Normalzeit auf Sommerzeit abgeschafft oder beibehalten werden sollte. Die überwältigende Mehrheit von rund 84 Prozent hat sich dabei für die Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. Allerdings muss hierbei auch erwähnt werden, dass in allen Mitgliedsstaaten nur eine sehr geringe Beteiligung an der Umfrage stattgefunden hat. Daher gelten die Ergebnisse nicht als repräsentativ. Beispielsweise lag die Beteiligung in Österreich schätzungsweise bei nur knapp 258.000 Personen. Im Nachbarstaat Deutschland beteiligten sich gerade einmal rund 3,1 Millionen Einwohner. Unabhängig von der geringen Beteiligung an der Umfrage, sprach sich in der Folge die EU-Kommission für die Abschaffung der Zeitumstellung aus.
Ausblick
2019 stimmte das EU-Parlament dem Vorschlag der EU-Kommission zu, die Zeitumstellung ab 2021 zugunsten einer dauerhaften Sommerzeit abzuschaffen. Doch wir drehen weiterhin zweimal pro Jahr an der Uhr. Vorerst soll das auch bis mindestens 2026 noch so bleiben. Grund dafür ist die Uneinigkeit zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, die sich nun auf eine gemeinsame Lösung verständigen müssen. Welche Zeit dabei gelten soll, ob diese dann mit den bestehenden Zeitzonen innerhalb Europas überhaupt kompatibel ist, sorgt für anhaltende Diskussionen.
Modell 1: Immer Sommerzeit
Wegen der besseren Lichtausschöpfung (und damit Energieersparnis) in den Abend- und damit auch in den Aktivitätsstunden der meisten Menschen, steht zur Debatte eine dauerhafte Sommerzeit einzuführen. Nachteilig wäre dabei allerdings, dass im Winter die Sonne erst sehr spät am Tag aufginge. Je nach Region erst gegen neun Uhr morgens oder später, wenn die Tage im Dezember am kürzesten sind. Für den Biorhythmus ist die dauerhafte Sommerzeit eine große Herausforderung, da dieser sich maßgeblich am Licht orientiert. Wird es allerdings erst sehr spät hell, verschiebt sich auch die individuelle Leistungsspitze nach hinten und könnte beispielsweise zu gesundheitlichen Problemen führen.
Modell 2: Immer Normalzeit
Das, was hin und wieder „die Winterzeit“ genannt wird, entspricht eigentlich der europäischen Normalzeit, denn die Uhr wird im März auf Sommerzeit und im Oktober zurück zur Normalzeit gestellt. Wäre immer Normalzeit, hätte es der Biorhythmus wesentlich einfacher sich einzustellen. Allerdings würde es dann im Sommer sehr früh hell werden und dementsprechend auch früher dunkel. Vor allem in Zentraleuropa wäre dieser Effekt regional stark verschieden, denn diese Zeitzone erstreckt sich von Spanien bis nach Polen.
Abschaffung der Zeitumstellung – Folgen
Um die Frage nach den Folgen der Abschaffung der Zeitumstellung zu beantworten, muss man sich die geltenden Zeitzonen etwas genauer anschauen. Die zentraleuropäische Zeitzone gilt von Spanien bis nach Polen. Würde beispielsweise eine dauerhafte Sommerzeit gelten, dann würde es im Sommer am Ostrand dieser Zeitzone bereits mitten in der Nacht hell werden, während in Spanien der Sonnenaufgang in den Vormittag verschoben wäre. Da ist es nicht verwunderlich, dass über die Entscheidung innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten Uneinigkeit herrscht. Einige Länder, wie Portugal oder Griechenland sind sogar ganz gegen die Abschaffung der Zeitumstellung. Ohne eine Zeitumstellung könnten Zeitinseln die Folge sein. Die ökonomischen Auswirkungen auf den innereuropäischen Binnenmarkt wären dadurch enorm, weswegen die Debatte augenblicklich auf Eis gelegt scheint. Eine Abschaffung der Zeitumstellung ist daher wohl realistisch betrachtet eher unwahrscheinlich.
Fazit
Die Zeitumstellung hat teilweise sehr weitreichende und gravierende gesundheitliche Folgen. Den Zweck der Energieersparnis, weswegen sie maßgeblich eingeführt wurde, erfüllt sie nicht, da moderne künstliche Lichtquellen nur noch sehr wenig Energie verbrauchen. Daher steht die regelmäßige Umstellung der Uhren immer wieder in der Kritik. Sie würde sogar einer nicht repräsentativen EU-Umfrage zufolge, von 84 Prozent der EU-Bürger abgeschafft werden.
Schlafforscher empfehlen wegen der besseren Kompatibilität mit dem Biorhythmus zurück zur Normalzeit zu kehren und auf eine Sommerzeit zu verzichten. Zwar wäre es in der Jahresmitte dann in Teilen Europas extrem früh hell, dafür wäre die Masse der Bevölkerung tagsüber deutlich leistungsfähiger und wacher. Die politische Debatte wird wohl noch für eine Weile anhalten, da eine Einigung der Mitgliedsstaaten im Augenblick nicht absehbar ist.
Niemand möchte einen Zeitflickenteppich innerhalb Europas um die ökonomischen Konsequenzen so gering wie möglich zu halten. Die Auswirkungen der Zeitumstellung sind einerseits ebenso weitreichend, wie es ihre Abschaffung in anderen Bereichen wäre. Bis dahin werden die Uhren im März eine Stunde vor und im Oktober wieder eine Stunde zurück gestellt, also immer Richtung Sommer.